Wie hoch soll der niedrigste Lohn sein, den Beschäftigte in Deutschland verdienen? Anlässlich der zum 1. Januar anstehenden Erhöhung streiten Gewerkschaften und Arbeitgeber über den künftigen Mindestlohn.

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Geringverdiener mit einem Einkommen auf Niveau des Mindestlohns verdienen ab 1. Januar 35 Cent mehr pro Stunde. Denn die gesetzliche Lohnuntergrenze wird von 8,84 Euro brutto auf 9,19 Euro angehoben.

Die Gewerkschaften pochen auf einen späteren deutlich stärkeren Anstieg. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte sich bereits im Oktober für 12 Euro Mindestlohn ausgesprochen. Hiervor warnen die Arbeitgeber.

Ab dem 1. Januar 2020 beträgt der Mindestlohn brutto 9,35 Euro je Arbeitsstunde. Die stufenweise Anhebung im neuen Jahr und im Jahr darauf hatte die unabhängige Mindestlohnkommission mit Spitzenvertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften empfohlen. Wie vorgesehen, folgte die Regierung dem Vorschlag im Oktober mit dem Beschluss einer Verordnung. Wer will nun eigentlich genau was?

Die Gewerkschaften:

Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert, dass der Mindestlohn nach 2020 deutlich steigen soll. "Der Mindestlohn muss mittelfristig steigen und armutsfest sein", sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur.

Existenzsichernd sei der Mindestlohn nicht. "Die im Mindestlohngesetz für 2020 vorgesehene Evaluierung könnte für eine einmalige Anpassung genutzt werden. Danach bliebe das übliche Verfahren der Mindestlohnkommission bestehen."

Auch die Gewerkschaft Verdi verlangt einen höheren Mindestlohn. "2020 sollte der Mindestlohn einmalig stärker angehoben werden", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske der dpa. "Denn er ist schlicht zu gering, um davon auskömmlich zu leben." Schon als der Mindestlohn von 8,50 Euro 2015 eingeführt wurde, sei die entsprechende Forderung der Gewerkschaften bereits über fünf Jahre alt gewesen. Die Preis- und Lohnentwicklung dieser fünf Jahre sei bei der Höhe des Mindestlohnes damals aber nicht berücksichtigt worden.

Um das Lohnniveau in Deutschland anzuheben, sprach sich Hoffmann zudem dafür aus, dass mehr Beschäftigte in Betrieben mit Tarifvertrag arbeiten. Der Gesetzgeber solle dafür die Tarifbindung stärken, "indem er die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtert und öffentliche Aufträge nur noch an Firmen vergibt, die nach Tarif zahlen", verlangte der DGB-Chef.

Die Arbeitgeber:

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer wandte sich mit Blick auf den Scholz-Vorstoß gegen eine starke Erhöhung der Lohngrenze. "Zum Mindestlohn ist in der letzten Legislaturperiode eine Kommission eingerichtet worden, die einen klaren Auftrag hat", sagte er der dpa. "Das war ein gemeinsamer politischer Beschluss von SPD, CDU und CSU, und die Arbeitsministerin damals hieß Frau Nahles." Als Ministerin habe die heutige SPD-Chefin Andrea Nahles damals initiiert und umgesetzt, dass der Mindestlohn alle zwei Jahre nach dem Durchschnitt der Tariferhöhung in den anderen Branchen angehoben werden solle. Dies sei richtig.

"Und nun wollen selbst honorige Hanseaten aus wohl partei- und wahltaktischen Gründen Kosten verursachen, die sie selber nicht tragen müssen und die fernab von jeder wirtschaftlichen Entwicklungsfähigkeit sind", sagte Kramer mit Blick auf Scholz.

"Frau Nahles war völlig klar: Wenn wir eine solche Regelung nicht einbauen, die sicherstellt, dass die Steigerungsraten des Mindestlohns nicht überproportional hochgehen, dann geraten die anderen Löhne und die Wettbewerbsfähigkeit unter Druck", mahnte Kramer. "Und wenn Herr Scholz nun sagt, zwölf Euro Mindestlohn, dann kommt Herr Bsirske, ich möchte aber noch mehr", so Kramer. "Die SPD kann nicht einen Mechanismus, den sie mitinstalliert hat, nun wieder über den Haufen werfen und ins Gegenteil verkehren."

Der Arbeitsminister:

Minister Hubertus Heil (SPD) meinte beim Beschluss der Verordnung im Oktober, das Gesetz beinhalte den Auftrag, die bestehende Regelung bis 2020 zu überprüfen.

"Ich finde es deshalb richtig zu klären, wie wir ab 2020 zu einer deutlichen Steigerung des Mindestlohns kommen", so Heil damals. "Die Zielmarke von 12 Euro geht in die richtige Richtung."

Das Mindestlohngesetz:

Das Gesetz schreibt vor, dass die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe zu beschließen hat. Dabei prüft das Gremium laut Gesetz im Rahmen einer Gesamtabwägung, welche Mindestlohnhöhe für angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmer geeignet sind, faire Wettbewerbsbedingungen ermöglichen und Beschäftigung nicht gefährden. Die Mindestlohnkommission orientiert sich dem Gesetz zufolge ferner nachlaufend an der Tarifentwicklung.

Laufend evaluiert die Kommission - so das Gesetz - die Auswirkungen des Mindestlohns: Gemeinsam mit ihren Empfehlungen zur Lohnhöhe stellt sie ihre Prüfergebnisse per Bericht dar, so das Gesetz weiter.

Die Bundesregierung nun kann laut Gesetz die von der Kommission vorgeschlagene Anpassung durch Rechtsverordnung verbindlich machen.  © dpa

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