Das ist wahrlich ein trüber Start in den Herbst: Sowohl die Bundesregierung als auch die führenden Ökonomen des Landes korrigieren ihre positiven Prognosen zum deutschen Wirtschaftswachstum nach unten. Zahlreiche Krisen und eine verfehlte Regierungspolitik haben die Konjunktur erschüttert.
Vieles deutete in den vergangenen Tagen bereits darauf hin, nun hat Deutschland bittere Gewissheit: Die deutsche Wirtschaft wächst weit schwächer, als bisher angenommen. Das bestätigte Wirtschaftsminister
Wie dramatisch ist der Einbruch wirklich?
Das Ausmaß der Korrektur ist auf jeden Fall gravierend. Lediglich 1,2 Prozent Wachstum prognostiziert die Regierung noch für das laufende Jahr, erst im Frühjahr hatte sie mit einem Plus von 1,8 Prozent gerechnet. Und auch die Aussichten auf das kommende Jahr schätzt sie kaum besser ein: Statt der bisher erhofften 2,0 Prozent soll die gesamte Wirtschaftsleistung 2015 nun doch nur um lediglich 1,3 Prozent zulegen.
Wer trägt die Schuld an der Misere?
Für die Ökonomen führender Wirtschaftsinstitute liegen die Gründe für die schwache Konjunktur unter anderem bei der Innenpolitik. "Das Rentenpaket und die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns wirken wachstumshemmend." Zudem nutze die große Koalition ihren Spielraum nicht, um mehr zu investieren. "All dies wirkt sich wohl negativ auf die private Investitionsneigung aus."
Und was sagt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel dazu?
Der sieht das freilich anders. Die Beschlüsse zum Mindestlohn und zur Rente mit 63 seien nicht die Hauptursache für die schwächelnde Wirtschaft. Für die rückläufigen Investitionen und die schwelende Unsicherheit macht er stattdessen die Krisen der Welt verantwortlich: die Konflikte in der Ukraine und in Russland sowie den Anti-Terror-Kampf in Syrien und im Irak. "Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem außenwirtschaftlich schwierigen Fahrwasser", sagte er in Berlin.
Welche Branche hat derzeit den höchsten Leidensdruck?
Tatsächlich leidet unter den deutschen Unternehmen vor allem die Maschinenbau-Branche unter der Krise in der Ostukraine. EU-Sanktionen gegen Russland, fehlende Perspektiven angesichts der desolaten Wirtschaftslage in Osteuropa und Finanzierungsengpässe der dortigen Kunden treffen die Branche gleich dreifach.
Und was bedeutet all das für den Arbeitsmarkt?
Hier gibt es nun endlich eine gute Nachricht: Sowohl die Bundesregierung als auch die Wirtschaftsinstitute rechnen 2015 mit einem Beschäftigungsrekord. Der ist aber vor allem dadurch begründet, dass viele Zuwanderer eine Stelle fänden, während anderen Arbeitslosen die Jobsuche aufgrund ihrer mangelnden Qualifikationen immer schwerer falle.
Gibt es denn noch einen Ausweg aus der Misere?
Ja, und zwar wenn es gelingt, die Binnenkonjunktur schleunigst anzukurbeln. Dafür empfehlen die Wirtschaftsinstitute Steuersenkungen für die Unternehmen sowie eine Entlastung durch Deregulierung und Bürokratieabbau. Und eine bessere Bildung: "Hohe Renditen wirft beispielsweise die frühkindliche Erziehung ab, zumal eine gute Infrastruktur für die Betreuung von Kindern auch dadurch positiv auf das Arbeitsangebot wirkt, dass sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert."
Haben die anderen Regierungsmitglieder eigentlich auch etwas zu sagen?
Tatsächlich ist in der großen Koalition bereits ein heftiger Streit über die Konsequenzen einer Konjunkturabschwächung entbrannt. Während SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider die Aufnahme neuer Schulden nicht länger ausschließt, will die CDU, allen voran der haushaltspolitische Sprecher Norbert Barthle, an dem zuvor gemeinsam vereinbarten Ziel festhalten und 2015 erstmalig seit 1969 wieder ohne Kredite auskommen.
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