Der Volkswagen-Konzern erlebt die schwerste Schmach seiner jüngeren Geschichte. In den USA sollen vorsätzlich Abgaswerte manipuliert worden sein. Wer trägt dafür die Verantwortung? Und müssen die Mitarbeiter in Deutschland um ihre Jobs bangen? Fragen und Antworten zum VW-Desaster.
Es ist ein Skandal von großer Tragweite. VW und Audi sollen in den USA die Abgaswerte von Diesel-Autos manipuliert und sogar beschönigt haben. Mit dem Volkswagen-Konzern bangt die deutsche Automobilindustrie. Es geht um ihren Ruf - weltweit.
Der Imageschaden ist gewaltig. Die Suche nach den Verantwortlichen für das Desaster hat begonnen. Im Zentrum der Kritik steht Dr. Martin Winterkorn. Doch was wusste der Vorstandschef? Ist er schon bald seinen Job los? Und müssen Mitarbeiter in Deutschland um ihre Arbeitsplätze bangen? Fragen und Antworten zum VW-Desaster:
Wie schwer wiegt die drohende Milliardenstrafe für VW?
Die Environmental Protection Administration (EPA) und das California Air Resources Bureau (CARB) haben die Verstöße gegen das amerikanische Umweltrecht festgestellt. Die EPA schätzt die Strafe ersten Angaben zufolge auf 18 Milliarden US-Dollar, umgerechnet mehr als 16,1 Milliarden Euro.
Die Strafe trifft den Weltkonzern schwer. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Skandals wurde bereits kolportiert, dass VW das Ziel, im kommenden Jahr Weltmarktführer zu werden, damit wohl aufgeben muss. Dabei lässt sich der Imageverlust noch gar nicht in (Verkaufs-)Zahlen aufwiegen.
Ist durch diesen Skandal gar die Zukunft des Unternehmens bedroht?
Nein! Die Volkswagen AG ist viel zu mächtig. Der Konzern war nach einem Ranking, das "Die Zeit" veröffentlichte, 2014 das umsatzstärkste deutsche Unternehmen - deutlich vor der Daimler AG. Es droht für 2015 sehr wohl aber ein negatives Konzernergebnis. Je nachdem, wann die Strafe juristisch ausgesprochen und zur Zahlung fällig wird.
Ein Vergleich mit dem Geschäftsbericht 2013 hilft. Damals machte der VW-Konzern einen Umsatz von 197 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis, sprich der Gewinn, wurde indes auf 11,5 Milliarden Euro beziffert. 2014 sank dieser auf 11,07 Milliarden Euro.
Die Bilanz-Experten werden gefragt sein, die Strafzahlungen bestmöglich abzufangen. Abzuwarten bleibt der nachhaltige Schaden. Den deutschen Autobauern wird ohnehin ein schwieriges Jahr 2016 prophezeit. Der Grund: Das sinkende Wirtschaftswachstum und Börsenturbulenzen in China.
Müssen VW-Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze fürchten?
Ein offizielles Statement des Konzerns hierzu gibt es noch nicht. Für das laufende Jahr wird weiter ein Absatzplus auf dem chinesischen und nordamerikanischen Markt erwartet. Und doch: Die empfindliche Strafe dürfte sich auch an der Basis bemerkbar machen.
Weniger bei den vorhandenen Jobs. Aktuell gibt es keinerlei Anzeichen dafür. Nicht ausgeschlossen aber, dass potentielle Arbeitnehmer die Zeche zahlen. Über zehn Milliarden Euro gab das Unternehmen 2013 für Forschung und Entwicklung aus. Nicht selten werden in der Automobilbranche in schlechteren Zeiten hier die Stellschrauben angesetzt - sprich, Investitionen zurückgefahren.
Wie wichtig ist der Absatz der Diesel-Pkw in den USA für den Konzern?
Wichtig! 9,7 Millionen Fahrzeuge lieferte VW 2013 aus. Bei fast einer halben Million Diesel-Fahrzeuge vom Typ Beetle, Golf, Jetta, Passat sowie Audi A3 soll der Konzern in den USA nun die Abgasvorschriften umgangen haben. Das Verhältnis verdeutlicht die Brisanz. Ohnehin ist Nordamerika neben China der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Autobauer. Fatal: Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltministerium, sprach von "eklatanter Verbrauchertäuschung".
Was wusste Winterkorn?
Aktuell gibt es keinerlei Hinweise dafür, dass der 68-jährige Konzernchef eingeweiht war. Sehr wohl aber gilt ein Vorwurf, den sich vergleichsweise ein Bundesminister in der Politik gefallen lassen muss: Er muss seinen Laden im Griff haben.
Der Amerikachef von VW, Michael Horn, übernahm unmittelbar Verantwortung - und wollte damit Winterkorn auch schützen. Am Montag wollte er in Brooklyn eigentlich den neuen VW Passat vorstellen, bezog dann aber Stellung zu den Vorwürfen: "Sagen wir es klar: Unser Unternehmen war unehrlich - mit der EPA und dem California Air Resources Board und mit Ihnen allen. Auf gut Deutsch: Wir haben Mist gebaut." Klar ist: Irgendjemand wird die Schuld auf sich nehmen und gehen müssen.
Kostet Winterkorn der Skandal den Job?
Am Mittwoch kommt das Aufsichtsratspräsidium zu einer Sondersitzung zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Im Machtkampf mit Patriarch Ferdinand Piëch bekannte sich das Gremium noch klar zu Winterkorn. Der "Tagesspiegel" berichtet indes, dass Winterkorn am Freitag gehen muss. VW dementierte das umgehend. Es bleibt spannend.
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