- Zuletzt sind die Großhandelspreise für Gas deutlich gesunken – teilweise sogar bis in den negativen Bereich.
- Im Oktober kostete eine Megawattstunde zwischenzeitlich minus 15,78 Euro.
- Für Endverbraucher aber bleibt die Rechnung saftig. Der Experte Matthis Brinkhaus erklärt, wieso.
Europa steckt in einer Energiekrise, die Zeichen stehen auf Sparen. Denn Russlands Machthaber Wladimir Putin setzt Energie gegen ganz Europa als Waffe ein. Weil auf Russland als Energielieferant kein Verlass mehr ist, sucht Deutschland nach Alternativen. Auch CO2-Zertifikate und Corona-Pandemie haben die Preise in die Höhe getrieben.
Nun haben die Großhandelspreise im Oktober aber deutlich nachgegeben. An der TTF-Gasbörse fiel der Gaspreis unter die 100-Euro-Marke pro Megawattstunde. Im August hatte er streckenweise noch bei deutlich mehr als 300 Euro gelegen. Der Großhandelspreis wurde für einzelne Stunden sogar negativ – und betrug minus 15,78 Euro je Megawattstunde.
Speicherziele vorzeitig erreicht
"Dafür gibt es vor allem zwei Gründe", erklärt Energie-Experte Matthis Brinkhaus unserer Redaktion. Die Speicherziele seien frühzeitig erreicht gewesen. "Die Gasspeicher, die per Gesetz gefüllt werden müssen, waren gegen Ende Oktober sehr voll", sagt Brinkhaus.
Ziel der Bundesregierung war es, die deutschen Speicher bis zum 1. September zu mindestens drei Vierteln zu füllen, am 1. Oktober mit mindestens 85 Prozent und am 1. November mit mindestens 95 Prozent. Aktuelle Daten zeigen, dass der Füllstand der Gasspeicher bereits bei 99 Prozent liegt. Das Ziel für November hatte man schon Mitte Oktober erreicht.
Experte: "Nur zum Teil eine gute Nachricht"
"Die per Gesetz verordnete Nachfrage ist deshalb deutlich zurückgegangen", erklärt der Experte. Hinzukomme, dass die Haushalte aufgrund der milden Temperaturen noch nicht so viel heizen mussten.
Eine Rolle beim Preisrückgang dürfte auch die Situation an den spanischen Häfen spielen: Hier stauten sich zuletzt ankommende LNG-Tanker (für Transport von verflüssigtem Erdgas, Anm.d.Red.), weil die Anlande-Terminals ausgelastet sind.
"Die kurze Preiserholung ist nur zum Teil eine gute Nachricht", sagt Brinkhaus. Die Erwartung, dass die Endverbraucherpreise in den nächsten Monaten extrem stark steigen, sei dadurch ein wenig gedämpft. "Die Preise werden also ein bisschen weniger stark steigen als zuvor angenommen", sagt er.
Haushalte müssen mit Preiserhöhungen rechnen
Bei den Haushaltskunden werde es dennoch weiter zu Preiserhöhungen kommen. "Die Großindustrie profitiert jetzt nur dann, wenn sie flexibel am sogenannten Spotmarkt einkauft", erklärt der Experte. Man könne aber davon ausgehen, dass die Großverbraucher sich langfristig Preise gesichert hätten.
"Im Sommer war schließlich die Befürchtung, dass die Preise im Oktober sehr hoch sein würden. Deshalb haben sie sich Monate im Voraus Preise gesichert, von denen man annahm, dass es gute Preise sind", sagt Brinkhaus weiter. Jetzt habe sich herausgestellt, dass es am kurzfristigen Markt viel günstiger war als angenommen.
Preisniveau weiter sehr hoch
"In der Historie betrachtet ist das Preisniveau immer noch sehr hoch", findet Brinkhaus. Aktuell kostet eine Kilowattstunde im Durchschnitt 20,9 Cent für Neukunden. Vor einem Jahr um diese Zeit war das Preisniveau für Neukunden deutlich geringer: Sie zahlten etwa 11,8 Cent pro Kilowattstunde. Die Teuerungsphase hatte bereits im Herbst des vergangenen Jahres begonnen.
"So lange das Wetter so mild ist, könnten die Preise im Großhandel auf dem aktuellen Niveau bleiben", meint Brinkhaus. Die Preise für Haushaltskunden würden aber über Monate und Jahre hinweg entstehen, in denen der Gasversorger in vielen kleinen Tranchen am Gasmarkt eingekauft habe.
Experte: "Sparen weiterhin ratsam"
"Es handelt sich stets um eine Durchschnittskalkulation. Der günstige Oktober zählt da zwar mit rein, macht den Braten aber nicht sonderlich fett", führt Brinkhaus aus. Wenn die nächsten Monate wieder teurer würden, sei die kurze Erholungsphase nur ein kleiner Bestandteil der gesamten Durchschnittskalkulation.
Die Versorger würden ihre Tarife nicht unmittelbar anpassen, das passiere erst nach etwa einem Jahr – dann, wenn der garantierte Zeitraum der Preise abgelaufen sei. "Es sei denn, die Bundesregierung beschließt Umlagen, wegen denen die Tarife geändert werden", ergänzt Brinkhaus.
Die Zeit, sorgloser mit dem Gasverbrauch umzugehen, ist aus seiner Sicht aber nicht. "Aus Kosten- und Klimaschutzgründen ist es weiterhin ratsam, sparsam mit dem Gasverbrauch umzugehen", sagt er. Auch die Bundesnetzagentur bremst die Euphorie und will eine Verschlechterung der Situation nicht ausschließen.
Nach Medienberichten kann die deutsche Versorgung im Winter nicht ausschließlich mithilfe der Speicher erfolgen. Laut Bundesnetzagentur ist immer zusätzlich ein kontinuierlicher Import von Gas nötig.
Experte rät davon ab, Vertrag zu kündigen
"Ich würde davon abraten, den eigenen Vertrag jetzt zu kündigen. Jeder Versorger, der jetzt neue Kunden bekommt, muss für sie ganz neu am Markt einkaufen", sagt Brinkhaus. Mit den aktuellen Risiken, dass die Preisschwankungen viel größer seien, als man es vor wenigen Jahren noch kannte, müsse man damit rechnen, dass die Preise im Januar und Februar wieder extrem hoch sind. "Das Angebot für Neukunden beruht nicht nur auf dem aktuellen Tagespreis", erinnert der Experte.
Im nächsten Jahr dürfte zudem russisches Gas zum Befüllen der Speicher fehlen. Beobachter gehen außerdem nicht davon aus, dass die Gaspreise wieder auf Vorkrisen-Niveau sinken. Die Transportkosten für Gas durch LNG-Importe sind deutlich höher als bei Pipeline-Bezug.
Entlastungen durch den Staat
Die Bundesregierung versucht die Haushalte auf unterschiedlichen Wegen zu entlasten. Der Staat übernimmt beispielsweise die Abschlagszahlungen von Privatkunden für den Monat Dezember. Geplant ist auch, ab März kommenden Jahres die Preise für 80 Prozent des Grundverbrauchs auf zwölf Cent pro Kilowattstunde zu fixieren.
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Im Gespräch ist außerdem ein Soforthilfefonds für Bedürftige sowie ein halbjähriger Kündigungsschutz für Mieter, die ihre Energiekosten nicht mehr bezahlen können. Eine Expertenkommission hat der Bundesregierung empfohlen, Spar-Anreize für Verbraucher zu schaffen, damit das Einsparziel von 20 Prozent möglichst übertroffen wird.
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