• Trotz seiner mittlerweile 79 Jahre führt Wolfgang Grupp sein Textilunternehmen Trigema immer noch als alleiniger Inhaber und Geschäftsführer - und gilt als Chef vom alten Schlag.
  • Im Interview verrät er, wie er sein Unternehmen - ohne Kredite oder staatliche Unterstützung - durch die Coronakrise bringt.
  • Von der Politik erwartet er nichts, da hilft auch ein Anruf von CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet nichts.
Ein Interview

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Herr Grupp, die Bekanntheit Ihres Unternehmens ist auch auf den Affen aus der Werbung zurückzuführen. Wer kam eigentlich auf die Idee?

Wolfgang Grupp: Das ist Auslegungssache. Ich wollte jedenfalls einen neuen, lustigen Werbespot haben. Die anderen, egal für welches Produkt, waren immer sehr langweilig. Also habe ich damals einen mir bekannten Filmemacher angesprochen. Und der meinte: "Herr Grupp, ich habe da etwas für Sie."

Nämlich?

Er hatte einen Spot gedreht im Auftrag eines japanischen Konzerns, ich weiß gar nicht mehr für welchen. Jedenfalls saß in dem Spot ein Affe an einem Schreibtisch, wie es die damaligen Tagesschau-Sprecher in den 80er und 90er Jahren auch taten, und schien zu sprechen, weil man ihm vorher Nüsse zu fressen gegeben hatte. Der japanische Konzern hatte den Spot bezahlt, doch die oberste Führungsetage fand die Idee mit dem Affen nicht passend zum Renommee des Konzerns. Daher war der Spot frei – und ich fand ihn super. Im ZDF lief damals parallel "Affe Charly", und alle Kinder fanden den toll. Also haben wir das mit dem Werbespot ausprobiert, die Resonanz war groß. Viele Mütter haben mir geschrieben, dass ihre Kinder sich so freuen, dass der Affe Charly für uns Werbung macht. Später gab es dann vereinzelt Proteste von Tierschützern, deshalb haben wir den Affen vor ein paar Jahren digitalisiert.

Wie geht es aktuell Ihrem Unternehmen in der Coronakrise?

Mein Unternehmen hat natürlich ähnliche Aufgaben oder Probleme zu bewältigen wie alle, die entsprechend geschlossen sind. Normalerweise verkaufen wir 50 Prozent der Produktion über unsere eigenen Testgeschäfte und 50 Prozent über online oder Kunden aller Art. Der Umsatz in den 42 Testgeschäften ist durch den Lockdown weggebrochen, auch wenn wir durch den Online-Handel ein bisschen was kompensieren können. Aber trotzdem fehlen mir jede Woche 500.000 bis 600.000 Euro.

Sie sagen, Sie haben noch nie einen Mitarbeiter entlassen – auch in der Coronakrise nicht?

Nein, selbstverständlich nicht, keine Diskussion. Ich garantiere meinen Mitarbeitern ihre Arbeitsplätze. Das ist mein Credo. Wenn wir in der Vergangenheit ein Superjahr hatten, dann konnte ich den Mitarbeitern – wenn ich wollte – auch mal etwas extra geben. Aber ganz klar: Wenn es ein gutes Jahr war, dann war es vor allem für mich ein gutes Jahr. Und so funktioniert das auch in schlechten Zeiten wie jetzt bei Corona. Das hat nichts mit den Mitarbeitern zu tun, sondern es ist meine Aufgabe, ihre Arbeitsplätze zu garantieren und ihnen Arbeit zu geben. Wir produzieren mit voller Auslastung weiter – nur im Moment eben stark auf Lager.

Sie bezahlen den Ausfall durch die Krise also aus dem eigenen Geldbeutel. Und das geht gut?

Wir haben 100 Prozent Eigenkapital, finanzieren uns also selbst – und das ist ganz wichtig, damit ich nicht in eine Abhängigkeit gerate. Stellen Sie sich vor, ich müsste jede Woche bei den Banken antreten und fragen, ob sie mir das weiter finanzieren. Wenn die dann sehen, dass ich quasi für mein eigenes Lager produziere, würden sie die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Das Eigenkapital ist unsere Stärke, wir haben Reserven und damit kamen wir auch in der Vergangenheit durch alle Krisen.

Wie lange halten Sie das durch?

Mal sehen. Letztes Jahr hatten wir das Glück, dass wir rechtzeitig auf die Maskenproduktion umsteigen konnten. Wir hatten sogar ein Umsatzplus. Nun ist ja die FFP2-Maske Standard, und die können wir bei uns wegen der medizinischen Anforderungen nicht produzieren. Die Situation ist also ein wenig anders, aber ich nehme an, dass bis Ende Mai die Welt schon wieder ein bisschen anders aussieht.

Kurzarbeit oder sonstige staatliche Unterstützung kommt für Sie nicht in Frage?

Ich habe in meinen 52 Jahren als Unternehmer hier in Burladingen noch nie auch nur eine Stunde kurz gearbeitet. Ob New-Economy- oder Bankenkrise, wir haben immer volle Beschäftigung garantiert. Ich verlange Leistung, aber niemand braucht sich um seinen Arbeitsplatz zu sorgen, das gilt auch in der Coronakrise. Wir sind ein Familienunternehmen. Dieses Wissen, dass man auch in schwierigen Zeiten zusammensteht, hat mich in der Vergangenheit auch viele Probleme sehr schnell lösen lassen. Viele sind seit 30, 40 oder 50 Jahren im Unternehmen. Diese Mitarbeiter zu entlassen, das geht schon rein menschlich nicht, das ist ausgeschlossen. Sondern da muss ich am Schluss mit ihnen das Brot teilen.

Als es vor über einem Jahr losging, wie haben Sie sich da auf die Krise vorbereitet?
Ihre Frage klingt, als hätte ich darüber lange nachgedacht. Ich überlege nicht lange, sondern ich muss entscheiden. Das heißt, wenn es regnet, überlege ich nicht lange, sondern spanne einen Schirm auf. Und wenn der Regen aufhört, spanne ich ihn ebenso sofort wieder ab. So ähnlich war das mit der Corona-Geschichte. Als die ersten Meldungen aus China über das Virus auftauchten, hätte ich mir nie vorstellen können, dass wir das Virus nur wenige Monate später auch bei uns in Deutschland haben.

Und welchen Regenschirm haben Sie dann aufgespannt, um in Ihrem Bild zu bleiben?

Es kam die Nachricht, dass Masken gebraucht würden. Ein Pflegeheim und ein Krankenhaus haben gefragt, ob ich nicht Masken produzieren könne. Ich habe mir dann ein Exemplar zuschicken lassen, das war eine Vliesmaske. Meine Antwort war: "Diese kann ich nicht herstellen, aber ich kann welche aus Stoff produzieren. Sie sind kochfest, sie können 100 Mal und mehr gewaschen werden." Innerhalb von wenigen Tagen hatten wir einen Prototypen. Dann wurden erst von dem einen 1.000 Stück bestellt, der andere wollte 2.000 – und so fing schnell die Massenproduktion an, von März bis Juni 2020 haben wir 2,3 Millionen Masken ausgeliefert. Als im Sommer die Corona-Lage besser wurde, haben wir wieder unser normales Geschäft aufgenommen.

Hat die Pandemie Sie verändert?

Das Leben hat sich verändert. Früher hatte ich viele Termine bei Kunden oder auch um Vorträge zu halten; alle Termine wurden sukzessive abgesagt. Es ist ruhiger geworden oder man könnte auch sagen einsamer. Zu meinem Fahrer habe ich neulich gesagt: "Wann sind wir eigentlich das letzte Mal nach Frankfurt oder nach Stuttgart gefahren?" Mein Hubschrauberpilot arbeitet die ganze Zeit im Büro, weil wir keine Termine mehr haben. Normalerweise besuche ich alle meine Testgeschäfte ein- oder zweimal im Jahr. Das alles ist weggefallen. Manchmal kommt es mir vor, als ob ich schon in Rente wäre. All das belastet mich ein wenig, vor allem, dass wir nicht wissen, wie es zukünftig weiter geht.

"Ich bin ein Gegner von Homeoffice"

Wie sehr hat Corona den Arbeitsalltag in Ihrer Firma verändert?

Also mein Grundsatz ist: Von Mitarbeitern, die nicht da sind, habe ich nichts, sondern nur von denen, die sofort ansprechbar sind. Ich bin ein Gegner von Homeoffice, ich brauche meine Leute vor Ort, um mich herum. Von Anfang an, also ab März oder April letzten Jahres, haben wir 1,5-Meter-Abstände eingeführt, haben Plexiglasscheiben aufgestellt, versetzte Pausen und Hygienestationen eingerichtet, Maskenpflicht, ein streng geregeltes Lüftungskonzept und seit Anfang Februar 2021 haben wir auch die Schnelltestangebote. Wer möchte, darf sich testen lassen – damit er beruhigt ist. Also lange bevor es die Bundesregierung zur Pflicht gemacht hat.

Warum so vorauseilend?

Ich sage bewusst: aus Egoismus. Wenn meine Mitarbeiter alle krank sind, geht es mir ja am schlimmsten, dann bin ich machtlos. So ist das bei mir immer. Ich zahle meinen Mitarbeitern einen ordentlichen Lohn, damit sie ordentlich arbeiten. Alles, was ich tue, ist nicht soziales Säuseln, sondern Eigeninteresse. Je besser ich meinen Mitarbeiter behandele, desto netter ist er zu mir beziehungsweise desto mehr hilft er mir.

Und auf die Politik wollten Sie bei Ihren Maßnahmen nicht warten?

Nein, die Politik braucht bei so etwas ja immer länger. Ich kann so etwas mit meinen entscheidenden Leuten in einer halben Stunde absprechen, und dann kann es durchgezogen werden. Wir wussten, dass die Bundesregierung Gespräche geführt hat, zum Beispiel über die Testpflicht. Uns war klar, die kommt – also haben wir es schon früher umgesetzt. Diese Tests sind ja nicht schlecht, sondern es beruhigt die Leute, wenn sie wissen, dass sie nicht infiziert sind. Die Leute übertreiben es auch nicht und lassen sich nicht sinnlos testen.

Sinnlos sind die Tests aber nicht. Daher die Nachfrage: Sie verpflichten Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter also nicht auf diese Tests?

Nein, das habe ich nie gemacht und muss ich auch nicht. Ich habe die Pflicht, Ihnen Tests anzubieten. Aber ich kann nicht sagen: "Wenn Sie sich nicht testen lassen, entlasse ich Sie." Wenn sich ein normal Denkender aber nicht jeden Tag testen lässt, ist das für mich normal.

Was war für Sie das bislang Schlimmste in der Corona-Pandemie?

Wenn es ums Private geht: Ich habe zwei enge Freunde und einen guten Bekannten durch diese Krankheit verloren. Geschäftlich ist es die lange Dauer der Krise – ich würde mich freuen, wenn man uns da endlich wieder ein bisschen Luft lässt.

Wie sieht Ihr Austausch mit der Politik aus?

Es ist bekannt, dass ich auch in der Vergangenheit nie versucht habe, ein Problem zu lösen, indem ich auf die Politik zugegangen bin. Wenn ich warten muss, bis die Politik meine Probleme löst, dann bin ich längst untergegangen. In schwierigen Zeiten muss ich das Risiko übernehmen, zu produzieren, damit ich in guten Zeiten danach nicht in Lieferschwierigkeiten gerate. Wir bekommen unsere Aufträge nicht, weil wir die billigsten sind, sondern weil wir Qualität bieten und sofort liefern können.

Was fordern Sie von der Politik?

Also Sie dürfen mich nicht so einschätzen, dass ich immer und überall mitreden müsste. Ich akzeptiere, was die da oben sagen. Wenn ich aber an die selbstständigen Unternehmer, Restaurantbesitzer oder Einzelhändler denke, dann muss es für diese unheimlich schwer sein. Sie haben viel Kraft und Liebe in ihre Projekte gesteckt, vielleicht noch einen Kredit aufgenommen – und dann wird auf einmal alles dauerhaft zugemacht. Da hätte ich von der Politik erwartet, dass sie denjenigen Hotels oder Restaurants eine Öffnung erlaubt, die sich an alle Hygienevorgaben und Verpflichtungen halten. Aber im Nachhinein Kritik üben, ist natürlich keine Kunst.

Also Sie haben gar keine Wünsche an die Politik?

Doch, aber das bringt ja nichts. Ich sage dies schon seit Jahrzehnten: Wir brauchen mehr Verantwortung. Wenn Grüne, Linke oder Linksaußen eine Vermögenssteuer fordern, dann kann ich da nicht groß widersprechen. Was passiert denn, wenn ein Unternehmen pleitegeht? Schuld ist ja nicht der Mitarbeiter, sondern die Führung. Der unschuldige Mitarbeiter sitzt in Hartz IV. Der Gläubiger, der brav geliefert hat, bekommt seine Rechnungen nicht bezahlt. Und die, die Größenwahn und Gier praktiziert haben, dürfen in Eigeninsolvenz weitermachen und vielleicht sogar noch eine zweite Insolvenz hinlegen - siehe Karstadt, Kaufhof und viele mehr. Deshalb brauchen wir Verantwortung und Haftung zurück.

Finden Sie damit kein Gehör?

Doch, jeder sagt zu mir: "Herr Grupp, das ist vollkommen richtig, was Sie sagen." Aber keiner tut was. Herr Laschet hat mich zum Beispiel angerufen, nachdem ich gesagt habe, dass ich nicht mehr die CDU wähle. Dabei kamen wir auch auf dieses Thema. Er meinte: "Herr Grupp, das ist ein toller Ansatz."

Wie sieht Ihr Ansatz konkret aus?

Ich schlage vor, jedem, der mit seinem gesamten Privatvermögen haftet, einen Einkommensteuerrabatt von 50 Prozent zu geben. Der entscheidet dann vernünftiger, weil er für Verluste selbst haftet. Wenn er Gewinne macht, haben alle etwas davon. Aber wenn die Größenwahnsinnigen und Gierigen mit den Millionenbezügen am Schluss Pleite machen und ihre Bezüge behalten dürfen und Abfindungen kriegen, dann muss man schon fragen: Sind wir tatsächlich in einem Rechtsstaat?

Warum genau wählen Sie keine CDU mehr und hat Herr Laschet Sie nicht umstimmen können?

Nachdem Friedrich Merz 2018 von Annegret Kramp-Karrenbauer beim Kampf um den CDU-Vorsitz in meinen Augen unfair ausgebremst wurde, habe ich laut und deutlich gesagt, dass ich keine CDU mehr wählen werde, solange Herr Merz nicht zurückkommt. Und nachdem Herr Laschet jetzt im Januar zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde, hat er sich in meinem Büro gemeldet. Wir haben nett gesprochen, aber ich habe ihm gesagt: "Herr Laschet, das hat mit Ihnen nichts zu tun. Es war damals diese Geschichte mit Herrn Merz, und jetzt ist es wieder so gewesen." Die Parteibasis wollte eher Merz, aber die Delegierten haben anders entschieden.

Was sagen Sie zur Entscheidung der Union, Laschet – und nicht Markus Söder – als Kanzlerkandidaten aufzustellen?

Ich kann überhaupt nicht sagen, dass Herr Laschet schlechter ist. Die CDU wird aber dafür die Quittung bekommen, dass sie sich gegen die Basis gestellt hat. 50 Prozent wollten ja lieber Markus Söder.

Was halten Sie von der "Fridays for Future"-Bewegung?

Egal, was ich davon halte – wir sind selbst schuld. "Fridays for Future" gibt es nur, weil es in der Vergangenheit Versager gab. Dem Dümmsten muss der Klimawandel schon vor vielen Jahren klar ersichtlich gewesen sein. Aus Egoismus habe ich bereits in den 1980er Jahren mit Kraft-Wärme-Kopplung begonnen, um Strom zu sparen. Schon in den 1970er Jahren gab es den autofreien Sonntag. Eigentlich heute kaum mehr vorstellbar. Die Verantwortlichen in der Automobilwirtschaft und in der Politik hätten die Riesenchance sehen müssen.

Welche?

Auf die Entwicklung alternativer Antriebe zu setzen, bevor es alle anderen in der Welt tun. Ein Beispiel: Wenn es um technische Neuheiten ging, war Daimler-Benz immer führend, nur unter dem Vorstand Edzard Reuter (1987-1995, Anmerk. d. Red.) war Größenwahn und Gier angesagt. Man wollte einen Technologiekonzern. Kaufte AEG, Fokker, Chrysler und andere mehr und hat durch diese sinnlosen Übernahmen Milliarden in den Sand gesetzt. Hätte man stattdessen in die Entwicklung von alternativen Antrieben investiert, dann wäre Daimler heute in der Position von Tesla.

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