"Wo ist denn die Hitze?" Vor allem Menschen aus dem rechtspopulistischen Spektrum zweifeln den Klimawandel angesichts des aktuell durchwachsenen Wetters an. Warum sich kalte Sommertage und Klimakrise nicht ausschließen.
Der Sommer in Deutschland war in den vergangenen Tagen und Wochen oft grau, regnerisch, windig – nur ab und zu ließ sich die Sonne blicken. Meine tägliche Begleiterin ist mittlerweile meine Regenjacke, denn: Man weiß ja nie.
Leider nutzen viele Menschen – gerade aus dem rechtspopulistischen Spektrum – das durchwachsene Sommerwetter, um die Folgen des Klimawandels herunterzuspielen oder gar anzuzweifeln. "Wo bitte ist die Hitze, von der alle reden? Wo ist denn dieser Klimawandel? Wo sind die Hitzetoten?", heißt es dann.
In den sozialen Medien wird teilweise sogar von einem "Sommer der Klima-Propaganda" gesprochen. Journalisten würden demnach haarsträubende Märchen über Hitzewellen verbreiten, die es gar nicht gegeben hat.
Dass der Juli global gesehen der heißeste Monat seit Messbeginn war, wir weltweit einen Hitzerekord nach dem nächsten brechen, die Ozeane seit Monaten viel zu warm sind und das Antarktiseis so langsam wie noch nie wächst, beeindruckt die Klimaskeptiker wenig. Eifrig schreiben sie in den sozialen Medien, dass es bei ihnen vor Ort regnet. "Ha, von wegen Dürre! Von wegen Klimawandel!"
Eine Desinformationskampagne, die aufgeht
Sie verbreiten ihre Mythen und Zweifel, verdrehen Fakten und erreichen damit leider sehr viele Menschen, auch diejenigen, die die Existenz des Klimawandels eigentlich gar nicht anzweifeln. Eine Desinformationskampagne, die aufgeht. Einige Menschen fragen sich vielleicht: "Ja, wo ist denn diese gefährliche Hitze, vor der alle warnen?"
Zuallererst: Ein regnerischer Sommer bedeutet nicht, dass es den Klimawandel nicht gibt. Das Wetter ist das, was wir täglich erleben, wenn wir aus dem Fenster schauen. Mal regnet es, mal scheint die Sonne. Das Wetter ändert sich ständig, manchmal sogar innerhalb weniger Stunden. Dass es beispielsweise einige Wochen besonders viel regnet oder es in einem anderen Monat besonders hohe Temperaturen gibt, ist zunächst nichts Ungewöhnliches.
Klima ist hingegen das durchschnittliche Wetter über einen langen Zeitraum an einem bestimmten Ort oder in einer Region, meist über Jahrzehnte hinweg. Es ist also eine Art Muster, ein langfristiger Trend. Die Klimaforschung verwendet daher auch historische Daten, um Muster zu erkennen und Vorhersagen über die langfristigen Entwicklungen des Klimas zu treffen.
Konsens über menschengemachten Klimawandel
Ja, das Klima hat sich schon immer verändert. Diese Temperaturschwankungen haben sich in der Vergangenheit über sehr lange Zeiträume erstreckt. Das ist heute anders. In den vergangenen 150 Jahren hat sich die globale Mitteltemperatur besonders schnell erhöht, um mehr als 1 Grad Celsius. 150 Jahre sind ein Wimpernschlag in der Erdgeschichte.
Der Grund, dass die Temperaturen so rasant steigen, sind wir Menschen. Auch darüber herrscht in der Klimaforschung Konsens. Seit Beginn der Industrialisierung sorgen wir durch das Verbrennen von Kohle, Erdöl und Erdgas dafür, dass die Konzentration des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre immer weiter zunimmt, was zum Treibhauseffekt führt.
Nicht jeder Waldbrand ist direkte Folge des Klimawandels
Ein heißer, trockener Sommer oder ein warmer und regnerischer Winter sind noch keine Indizien für den Klimawandel. Wenn wir aber im langfristigen Trend – meist über 30 Jahre – erkennen, dass es zu einer bestimmten Jahreszeit immer trockener wird und die globale Mitteltemperatur immer weiter ansteigt, dann ist das nicht das Wetter, sondern der Klimawandel.
Genauso ist es auch mit Extremwetterereignissen: Ein Waldbrand, eine Überschwemmung oder eine Dürreperiode allein sind nicht unmittelbar Folgen des Klimawandels. Bei jedem Waldbrand also gleich "Klimakrise" zu rufen, ist auch nicht korrekt. Wie bei den Temperaturen müssen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auch bei den Wetterextremen mehrere Jahrzehnte auswerten, um Veränderungen festzustellen.
In der Zuordnungsforschung, der sogenannten Attributionsforschung, wird genau das angegangen. Forschende wollen dabei herausfinden, inwieweit der menschengemachte Klimawandel für bestimmte Wettereignisse verantwortlich sein könnte. Die Forscher analysieren dafür mithilfe von Klimamodellen die Wahrscheinlichkeit des fraglichen Wetterereignisses. Anschließend wird der Einfluss des Klimawandels berücksichtigt.
Durch Simulationen in einer virtuellen Welt, in der menschliche Treibhausgasemissionen fehlen, erfolgt dann eine weitere Prüfung der Wahrscheinlichkeit. Wenn diese Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Wetterereignis nun geringer ausfällt, kann die Differenz auf den Einfluss der Klimakrise zurückgeführt werden.
So hat eine aktuelle Studie unter anderem gezeigt, dass die Hitzewellen in Europa und China in diesem Sommer mit Temperaturen bis zu 50 Grad Celsius ohne den Klimawandel praktisch unmöglich gewesen wären.
Lesen Sie auch:
- Studie: Luftturbulenzen haben deutlich zugenommen
- Wie sich die Klimakrise auf beliebte Reiseländer im Süden auswirkt
- Weltklimarat erklärt Mittelmeerraum zu Brennpunkt des Klimawandels
Wetterextreme werden häufiger und intensiver
Wetterextreme werden mit dem Voranschreiten der Klimakrise häufiger und stärker, so auch Starkniederschläge. Die Klimaerwärmung erhöht die Verdunstung. Je wärmer es wird, desto mehr Wasser kann die Atmosphäre aufnehmen, das dann als Regen auf die Erde fällt.
Eine internationale Studie zeigt, dass sich die Wahrscheinlichkeit für extreme Regenfälle, die etwa 2021 zu den schweren Überschwemmungen in Deutschland geführt haben, um das 1,2– bis 9-Fache erhöht hat. Auch die Intensität der extremen Niederschläge habe sich aufgrund des Klimawandels in Westeuropa zwischen 3 und 19 Prozent erhöht, so die Forschenden. Seit 1881 hat sich die durchschnittliche Temperatur in Deutschland bereits um 1,7 Grad Celsius erhöht. Und bei einer Erwärmung von etwa 1 Grad kann die Luft rund 7 Prozent mehr Wasser aufnehmen. Die Verdunstung führt auch dazu, dass die Böden immer trockener werden.
Also nein, dieser Sommer ist keine Klima-Propaganda. Ein globaler Blick lohnt sich, um zu verstehen: Die Extremwetterereignisse nehmen weltweit zu. Die verheerenden Waldbrände in Kanada und auf Hawaii, die Hitzewellen in Südeuropa, die Überschwemmungen in Slowenien und Österreich, die Hitzerekorde in verschiedenen Ländern von Portugal bis China, die abschmelzenden Gletscher, die globale Korallenbleiche oder die außergewöhnlich hohen Ozeantemperaturen zeigen deutlich: So sieht der Klimawandel aus.
Verwendete Quellen:
- Klimafakten.de: Behauptung: "Es gibt (noch) keinen wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel"
- Imperial College London: Extreme heat in North America, Europe and China in July 2023 made much more likely by climate change
- World Weather Attribution: Rapid attribution of heavy rainfall events leading to the severe flooding in Western Europe during July 2021
© RiffReporter
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.