• In Teil eins des Interviews ging es um Verschwörungsmythen.
  • Auch den Klimawandel leugnen viele Menschen immer noch.
  • Trotz der Skepsis sieht Harald Lesch aber positive Aspekte.
Ein Interview

Der Klimawandel wird unser Leben in Zukunft immer weiter beeinflussen. Doch noch immer wird zu wenig dagegen getan, findet Harald Lesch. Der Astrophysiker und TV-Moderator ist der Meinung: Die Politik muss noch einiges lernen - und könnte dabei ihre Schlüsse auch aus der Coronakrise ziehen.

Hier finden Sie Teil eins des Interviews mit Harald Lesch.

Wir haben jetzt sehr lange über die negativen Auswirkungen der Coronakrise gesprochen. Gibt es nicht aber auch positive Aspekte, beispielsweise für das Klima?

Harald Lesch: Corona ist für jeden von uns, glaube ich, das dominierende Thema im Alltag. Der Klimawandel ist ein Meteoriteneinschlag in Zeitlupe. Und wir haben auch nur sehr langsam auf ihn reagiert und werden weiter langsam reagieren. Die Aufmerksamkeit dafür kann zwar enorm stark werden, wie man an der "Fridays for Future"-Bewegung sieht, doch bis dann wirklich etwas unternommen wird, beispielsweise im Sinne einer Energiewende, dafür braucht man politische Strukturen - und gesellschaftlichen Wandel. Der vollzieht sich natürlich auf ganz anderen Zeitskalen.

Sehen Sie die Coronakrise dafür als Katalysator?

Ich denke, was die Coronakrise vor allen Dingen klarmachen wird, das ist die Stärke des Staates. In dieser Krise zeigt sich, wie stark die Institutionen unseres Landes sind. Wenn sich diese Stärke weiter durchhalten lässt, dann ist mir gar nicht bange. Denn dann wird auch eine Energiewende gelingen, weil sie dann unabhängig von Privatinteressen als gesellschaftliches Projekt durchgezogen wird. Wenn wir aber wieder zurückfallen in so eine Art neoliberalen Privatisierungsirrsinn, wie wir das in den 1990er- und 2000er-Jahren erlebt haben, oder wenn wir immer nur Ökonomie in den Mittelpunkt stellen, dann werden wir Probleme kriegen.

Es ist einfach an der Zeit, endlich aus diesem spätkapitalistischen Ökonomisierungsdruck herauszukommen und sich zu überlegen: Wie wollen wir in Deutschland leben? Was ist uns wichtig? Und was uns wichtig ist, hat grundsätzlich in unseren Händen zu sein und nicht in den Händen von anonymen Investoren. Ich glaube, wenn wir lernen, wie wichtig es ist, eine öffentliche Hand zu haben, die wirklich auch ihre Aufgaben erledigen kann - beispielsweise bei Polizei, Feuerwehr, Gesundheitswesen, Bildungseinrichtungen und dergleichen -, dann hätten wir das Richtige gelernt und dann könnten wir uns auch dem Klimaschutz stellen.

Das klingt nach einer teuren Angelegenheit.

Sie sehen ja: Aktuell macht der Staat Schulden und zwar, dass es nur so kracht. Und das ist eigentlich auch kein Problem, denn Deutschland ist reich genug. Die Frage ist nur, wie wir in Zukunft diese Schulden so refinanzieren, dass die künftigen Generationen möglichst wenig darunter leiden. Und das ist das Stichwort: Wie kommen wir an die großen Kapitalvermögen ran?

Es kann nicht sein, dass die Finanzmärkte überall auf der Welt Prä-Corona-Indizes erreichen und gleichzeitig die Weltwirtschaft den Bach runtergeht und die Länder sich verschulden. Hier heißt es, Gerechtigkeit zu schaffen und entsprechende Transaktionssteuern einzuführen - und zwar nicht erst morgen, sondern jetzt. Sofort.

"'Fridays für Future' ist die wichtigste Erscheinung der Jahre 2018 und 2019"

Sie haben "Fridays vor Future" angesprochen. Finden Sie es wichtig, dass junge Leute den Klimawandel auch in Zeiten von Corona immer wieder auf die Agenda setzen?

Sie sehen ja, welche moralischen Herausforderungen hinter Umweltschutz und Corona stecken. "Fridays für Future" ist, glaube ich, die wichtigste Erscheinung der Jahre 2018 und 2019 gewesen. Die Bewegung hat die ganze Gesellschaft mit der Nase darauf gestoßen, was wir für katastrophale Fehler beim Klimaschutz machen. Und jetzt bei Corona taucht auch wieder eine große moralische Frage auf, denn die meisten der ganz schweren Fälle sind Menschen, die ein hohes Alter haben.

Es ist also wieder eine Generationengeschichte: Die Verantwortung der einen für die anderen. Die junge Generation auf der einen Seite, die im Falle von "Fridays for Future" schreit: "Hört mal, ihr macht unsere Zukunft kaputt, so könnt ihr nicht weitermachen." Auf der anderen Seite fordern die Alten momentan die Solidarität der Jungen ein und sagen: "Hört mal, ihr müsst jetzt alle Masken tragen und auf eure Partys oder was auch immer verzichten, sonst werden wir nämlich sterben."

Eine klassische Botschaft des Umweltschutzes ist ja: "Wir haben nur diesen einen Planeten." Elon Musk wäre da versucht zu sagen: "Dann wandern wir eben auf den Mars aus." Wie stehen Sie zur privaten Raumfahrt: Eine wirkliche Chance oder nur ein Spaßprojekt für Milliardäre?

Die wissen nicht mehr, wohin mit ihrem Geld und sagen dann so einen Unsinn. Wissen Sie, wenn heute tatsächlich jemand sagen würde: "Dann flieg' ich zum Mars und lasse alle Probleme hinter mir", dann hat er keine Ahnung - und den Film "Der Marsianer - Rettet Mark Watney" nicht gesehen. Denn Watney hatte ganz andere Probleme: Beispielsweise Kartoffeln in den eigenen Exkrementen züchten, um zu überleben - und das ist alles andere als schön. Hier unten kriegt man die Kartoffeln geliefert, da oben muss man sonst was anstellen, um auch nur die Luft zum Atmen zu haben.

Der Mars ist keine Alternative. Die Leutchen sollten ihre Milliarden lieber da hinbringen, wo sie dringend hingehören, nämlich zum Klimaschutz oder zur Epidemie- und Pandemie-Forschung. Das ist viel, viel wichtiger, als jetzt ins Weltall zu starren und zu hoffen, da draußen wäre irgendwas.

Ich kann nur sagen, hier im Sonnensystem ist nichts. Und das nächste Sonnensystem Alpha Centauri ist ziemlich weit weg. Eine Reise dorthin dauert mit unserer Technologie etwa 75.000 Jahre - und das zieht sich am Ende. Das können Sie mir glauben (lacht).

"Ich möchte von uns nicht entdeckt werden"

Wenn in unserem Sonnensystem nichts ist, vielleicht doch irgendwo in unserer Milchstraße: Was wäre, wenn Außerirdische mit uns Kontakt aufnehmen würden: Würden Sie sich freuen oder würde Ihnen das Sorgen bereiten?

Tja, sagen Sie mir, welche Art von Außerirdischen da landen?

Nehmen wir an, die Außerirdischen wären der Menschheit ähnlich.

Ich möchte von uns nicht entdeckt werden. Aus der Menschheitsgeschichte zeigt sich ja deutlich der Unterschied zwischen Entdeckern und Entdeckten. Die Entdeckten waren meist die Gelackmeierten. Außerdem sehen wir, dass wir schon mit unseren eigenen Viren auf dem Planeten große Schwierigkeiten haben. Stellen Sie sich mal vor, so ein Außerirdischer niest sie an … Dann auf Wiedersehen, das war's.

Es könnte natürlich sein, dass Maschinen herkommen, Roboter. Aber mit denen können wir uns auch nicht unterhalten, denn nur Maschinen können Maschinen verstehen, hat der große Alan Turing mal formuliert. Es wäre sicherlich hochinteressant, wenn es sich um Wesen handeln würde, mit denen man irgendwie kommunizieren könnte. Ich kann's mir nur ehrlich gesagt nicht vorstellen zurzeit.

Auch wenn ich davon ausgehe, dass Aliens nun nicht dazugehören werden: Was wünschen Sie sich für 2021, Herr Lesch?

Abstand halten, Maske aufziehen, Hygienemaßnahmen einhalten - und irgendwie gucken, dass wir durch diese Krise durchkommen. Es gibt keine Alternative zum Optimismus. Dabei sollten wir auch nicht vergessen, wie großartig wir - trotz allem - bis jetzt durchgekommen sind. Und wenn wir diese Welle auch noch überstehen, dann können wir mit Zuversicht in die Zukunft gucken. Denn dieses Land ist reich an tollen Menschen und wir sind wirklich gesegnet im Vergleich zu vielen anderen.

Prof. Dr. Harald Lesch, geboren 1960 in Gießen, ist Astrophysiker an der LMU München, Naturphilosoph und Wissenschaftsjournalist. Seit 2015 ist er Mitglied des Bayerischen Klimarats. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er durch die Sendung "alpha-Centauri" im Bayerischen Rundfunk bekannt. Heute moderiert er die Wissenschaftssendungen "Terra X" und "Leschs Kosmos" im ZDF.
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