Die Luftaufnahmen der zerbombten Stadt Homs, Satellitenbilder eines Landes, das des Nachts im Dunkeln liegt, Millionen Flüchtlinge - all das zeigt: Syrien ist ein gemartertes Land. Ein Ende des Krieges ist noch nicht in Sicht, dennoch hat der Wiederaufbau vielerorts begonnen.

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Rund 250.000 Menschen sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen während des nun fast fünf Jahre andauernden Bürgerkriegs in Syrien gestorben. Laut der Nichtregierungsorganisation Syrian Centre for Policy Research (SCPR) sind es sogar 470.000, rund 11,5 Prozent der syrischen Bevölkerung sind demnach getötet oder verletzt worden.

Viele Städte sind kaputt gebombt. Kulturelle Stätten, wie etwa die antike Oasenstadt Palmyra: zerstört und geplündert.

Es fehlt vielerorts an Essen, Strom und Wasser. Laut der Hilfsorganisation Union of Rescue and Medical Care ist mehr als die Hälfte aller Krankenhäuser in dem Land zerstört. Das SCPR erklärt, die Infrastruktur des 21-Millionen-Einwohner-Landes sei "beinahe ausgelöscht".

Mit am schlimmsten ist die Situation wohl in Homs, das auf russischen Luftaufnahmen nahezu unbewohnbar wirkt, und in der Stadt Aleppo, deren Bewohner schon 2012 schwer unter Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungstruppen litten.

80 Prozent der Altstadt Aleppos zerstört

Rund 80 Prozent der Altstadt sollen zerstört sein, unter anderem wurden die berühmte Zitadelle und der Basar dem Erdboden gleichgemacht.

Einen weiteren Hinweis auf den Grad der Zerstörung des Landes lieferte vor rund einem Jahr eine Analyse von Satellitenaufnahmen: Ein Wissenschaftler hatte herausgefunden, dass Aleppo in der Nacht 97 Prozent weniger Licht abstrahlt als noch 2011, im gesamten Land waren es 83 Prozent weniger.

"Man kann durchaus von einem 'zerstörten Land' sprechen", sagt die Nahost-Expertin Karin Kneissl im Gespräch mit unserer Redaktion. "Allerdings gibt es Städte und Regionen, in denen das Leben weiterhin funktioniert, etwa in Damaskus."

In der Hauptstadt gibt es funktionierende Behörden, offene Schulen und Universitäten und gut besuchte Märkte und Straßencafés.

Doch auch in andere Städte kehrt das Leben zurück. "In Homs oder auch in der 'Geisterstadt' Kobane ist der Wiederaufbau durch die Syrer in vollem Gange", sagt Karin Kneissl. "Sie tragen Bauschutt weg, Händler versuchen, wieder Leben in die Städte zu bringen."

Die Hilfsorganisation Medico International berichtet, dass täglich etwa 1.000 Menschen in die Stadt zurückkehren, die zu etwa 80 Prozent zerstört wurde.

Mittlerweile habe die Stadt wieder 170.000 Einwohner, es gebe eine partielle Stromversorgung durch Dieselgeneratoren und eine Gesundheitsstation mit Mutter-Kind-Bereich.

Kosten für Wiederaufbau: 147 Milliarden Euro

Für einen grundlegenden Wiederaufbau des Landes müsste aber erst einmal der Krieg beendet werden und die Lage dauerhaft stabil bleiben. Die jüngste Absichtserklärung der wesentlichen Mächte in dem Konflikt, eine schnelle Waffenruhe erreichen zu wollen, gibt diesbezüglich Hoffnung.

Doch die Ankündigung des syrischen Diktators Baschar al-Assad, dass der Krieg noch "lange dauern" könne, da er bis zuletzt für die Rückeroberung des gesamten Landes kämpfen würde, macht diese Hoffnung beinahe schon wieder zunichte.

Wie lange der Weg zurück zur Normalität bei einem Ende des Krieges dauern könnte, ist schwer abzuschätzen. Nahost-Expertin Kneissl erinnert sich an die Situation im Libanon vor rund 20 Jahren: "Dort hat der Wiederaufbau in den 90ern nach dem offiziellen Kriegsende etwa sechs Jahre gedauert."

Zu den Kosten des Wiederaufbaus in Syrien gibt es eine Schätzung der Weltbank vom Herbst des vergangenen Jahres: Sie rechnete mit 147 Milliarden Euro.

Negativbeispiel Bosnien

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Geld beim Wiederaufbau aber nicht unbedingt das größte Problem ist - vorausgesetzt es kommt direkt bei denen an, die es benötigen. Syrien wird beim Wiederaufbau wohl Hilfe aus dem Ausland benötigen.

Die ausländischen Akteure, seien es Firmen, NGOs oder Militär, sollten von der Bevölkerung akzeptiert werden und sie einbeziehen.

Als Negativbeispiele dienten in dieser Hinsicht der Afghanistan-Einsatz und das Engagement in Bosnien nach den Jugoslawienkriegen, sagt Karin Kneissl.

Vor allem im letzteren Fall hätten auch die NGOs keine besonders gute Rolle gespielt: "Damals kamen bis zu 500 NGOs ins Land. Dass de facto nur internationale Kräfte die Kontrolle innehatten, hat den Wiederaufbau und die Stärkung der dortigen Zivilgesellschaft eher gehemmt als dabei geholfen."

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