Seit zehn Jahren schickt Heidi Klum "ihre Mädchen" zwischen Werbeblöcken hindurch über die Laufstege. Das Konzept der Model-Suche ist dabei weitgehend gleichgeblieben: Mädchen sieht hübsch aus, Mädchen gehorcht. Doch gestern Abend war irgendetwas anders. Bahnt sich da eine heimliche Revolution an?

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Rein optisch gesehen hat sich "Germany's next Topmodel" dezent verändert. Irgendwas musste auch passieren. Alleine schon, um auch in der elften Staffel was Neues zu bieten. Von den immer stärker schwindenden Quoten und Marktanteilen ganz zu schweigen.

Deshalb hat man sich diesmal die leidlich innovative Geschichte ausgedacht mit den schwarzen und weißen Teams. Ein inhaltlicher Grund wird bis heute gesucht. Das war es dann aber auch schon mit den Veränderungen. Alles, was man nicht schwarz-weiß anstreichen konnte, ist geblieben:

Die Mädchen müssen immer noch lernen, wie man richtig läuft, steht oder liegt; in jeder Folge schneit ein Star-Fotograf rein, den man kennt oder eben nicht; echte Models erzählen Anekdoten aus dem Arbeitsalltag, wie in der gestrigen Folge Toni Garrn; dazwischen presst das Drehbuch Geschichten aus dem Leben der Kandidatinnen: das Gezicke untereinander, das große Heimweh oder wie gestern Abend der Stress mit dem Freund.

Sexy, Happy, Wütend, Blub

Mittendrin stöckelt Heidi Klum dann durch die Menge ihrer Schutzbefohlenen und verteilt großzügig Tipps wie diesen: "Hinfallen kommt bei Shootings schon mal vor. Mein Tipp an die Mädchen: darüber lachen, aufstehen und weitermachen." Bomben-Tipp, Frau Klum. Wirklich. Man kennt ja die vielen Models, die immer noch irgendwo rumliegen, weil sie nicht gewusst haben, dass man wieder aufstehen darf.

Das Ganze würzt man noch ein bisschen mit dem Sprech aus der Denglisch-Kiste mit ihren Shoots, Walks, Challenges und Attitudes - nennen wir diese Fantasie-Sprache der Einfachheit halber den "Mode-Blub". Der Mode-Blub bringt auch gestern Abend wieder Sätze hervor wie: "Zusammen werden die Emotionen Sexy, Happy und Wütend geübt" oder "Guckt, dass es nicht so aussieht wie beim family portrait".

So weit, so bekannt. Vielleicht ist es nur eine Überreaktion des Gehirns, aber trotz der ganzen Belanglosigkeit, die "Germany's next Topmodel" auch in diesem Jahr wieder zelebriert, hat man das Gefühl, dass sich diesmal ganz still und leise irgend etwas geändert hat. Und diese Veränderung kommt vor allem von dort, von wo man sie vielleicht am wenigsten erwartet hätte: von den Mädchen.

Neue Generation Topmodel?

Irgendwie hat man es in diesem Jahr mit einem anderen Typ Kandidatin zu tun. Die diesjährige Auswahl erscheint selbstbewusster. Man hat das Gefühl, dass die Mädchen nicht mehr so naiv in die Sache gehen wie bei früheren Topmodel-Staffeln. Und auf den ersten Blick scheint das nicht verwunderlich zu sein. Die aktuellen Kandidatinnen dürften acht, neun oder zehn Jahre alt gewesen sein, als die ersten "Topmodels" über den Fernsehlaufsteg stöckelten und sie werden die Sendung seit Jahren verfolgen.

Dementsprechend gehen sie mit einer ganz anderen Haltung als früher an die Sache. Sie wissen, was sie wollen und wie sie es bekommen. Es gibt weniger Gejammer, Gezicke und Geheule. Selbst als die durch frühere Staffeln auf eine Model-Villa konditionierten Kandidatinnen mit einer Jugendherberge vorliebnehmen müssen, wird das mit wenig Murren akzeptiert. Wichtig ist, was am Ende rauskommt, das Show-Gedöns wird in Kauf genommen.

Don't shoot the Clown!

Es ist natürlich spekulativ, ob man auf Seiten der Produktionsfirma auch diesen Wandel gespürt hat, aber selbst die bisher so vorhersehbare Dramaturgie der Sendung erfuhr gestern eine Wendung. Die Leidtragende war in diesem Fall die 17-jährige Fred. Bisher war Fred so etwas wie der bunte Hund der Staffel. Unorthodox und damit prädestiniert dafür, mindestens die ersten fünf Runden zu überstehen, schließlich braucht es Typen, so sieht es das Drehbuch vor.

Doch nach einer eher mäßigen Vorstellung beim Fototermin wird Fred bei der Entscheidung erst einmal zur Wiedervorlage hinter die Kulissen geschickt und man fragt sich: Die werden doch nicht das Drehbuch geändert haben und den Clown schon in Runde zwei rausschmeißen? In Runde sechs können wir darüber reden, aber der Clown bleibt erstmal, genau wie die Zicke, die Streberin und der Geheimtipp. Das war immer so. Doch Fred muss tatsächlich gehen.

Eine neue Micaela Schäfer? Eher nicht.

Genau wie Saskia und Laura. Doch während Fred und Saskia lieber bleiben würden, trifft Laura ihre Entscheidung ganz selbstbewusst, nämlich selbst und bewusst. Sie will sich ihre Dreadlocks nicht abschneiden lassen, denn "meine Haare sind eine Lebenseinstellung" und man möchte ihre Eltern beglückwünschen, dass sie ihrem Kind so viel Haltung mitgegeben haben.

Wie gesagt, vielleicht ist es mehr Hoffnung als Realität, aber könnte es tatsächlich sein, dass die Mädchen langsam selbst die Fäden in die Hand nehmen? Dass Heidi Klum inzwischen als Rollenbild ausgedient hat und die Mädchen selbst über die Spielregeln entscheiden? Das wäre in der Tat eine bemerkenswerte Entwicklung.

Dass sich eine neue Micaela Schäfer oder Gina Lisa unter den aktuellen Teilnehmerinnen befindet, scheint jedenfalls schwer vorstellbar. "Germany's next Topmodel" bliebe dann zwar immer noch der gleiche falsche Mädchentraum, aber einer mit ein bisschen mehr Selbstachtung. So richtig glauben will man das aber noch nicht.

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