Durch den Diesel-Abgasskandal und die Feinstaubbelastung in Großstädten wird der Ruf nach sauberen Autos immer größer. Dabei ist die Lösung schon da: Elektroauto kaufen, Umwelt schonen und auch noch Geld beim Tanken sparen. Es wirkt alles so einfach. Warum hat sich die Technologie trotzdem immer noch nicht durchgesetzt?

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Die Bundesregierung hatte sich für die deutschen Straßen eigentlich viel vorgenommen. Im Jahr 2020 sollen eine Million E-Autos lautlos durch Deutschland düsen. Ein Ziel, das die Bundeskanzlerin im vergangenen Jahr wieder eingestampft hat.

2017 wurden laut dem Kraftfahrtbundesamt 54.000 Elektroautos (inklusive Hybriden) neu zugelassen. Das sind doppelt so viele Autos wie noch 2016. Auf den ersten Blick eine vielversprechende Entwicklung. Doch nur auf den ersten Blick. Denn der Marktanteil von Elektroautos in Deutschland liegt trotz des Anstiegs der Verkaufszahlen bei nur 1,6 Prozent. Zum Vergleich: Der E-Auto-Vorreiter Norwegen hat einen Marktanteil von knapp 40 Prozent.

Elektroautos machen nervös

Für Prof. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management ist der schwache E-Auto-Markt ganz klar ein technologisches Problem. "Die Elektromobilität ist die erste Technologie, die dazu führt, dass der, der sie benutzt, ein Psychoproblem bekommt. Die Reichweitenangst", erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Das Wort "Elektromobilität" ist eigentlich falsch

"Elektro" – ja; "mobil" – nein. Mit Elektroautos kommt man nicht weit. Beispiel: Der Kleinwagen VW E-Up! wird mit dem Versprechen einer Reichweite von 160 Kilometer verkauft, doch in der Praxis schwächelt der Kleine und schafft nur 100 Kilometer.

Einer, der davon ein Lied singen kann, ist der Journalist Christian Roman. Für eine TV-Serie über Elektromobilität für die "Deutsche Welle" ist er mit Elektroautos quer durch Deutschland gefahren. Auch mit dem VW E-Up!.

"Auf der A9 von Leipzig nach München haben wir ganz schnell gemerkt, dass die Kilometeranzeige schneller runter rennt, als man Kilometer fährt. Wir hätten die ganze Zeit 80 fahren müssen um mit der vollen Batterie 160 Kilometer weit zu kommen", sagt Christian Roman.

Nervige Geduldsprobe an Ladesäulen

Tanken muss das E-Auto an einer Ladestation. Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. gab es im vergangenen Jahr gut 10.000 Ladestationen in Deutschland. Davon waren nur 566 Schnellladestationen.

Zum Vergleich: An einer normalen Ladestation lädt man sein Auto zwei bis vier Stunden lang. An einer Schnellladestation braucht man eine halbe bis eine Stunde. Immer noch recht viel, wenn man gewohnt ist, den Rüssel in den Tank zu stecken und nach drei Minuten weiter fahren zu können.

"Normalerweise braucht man von Leipzig nach München etwa vier Stunden; wir haben zehn gebraucht", erinnert sich Christian Roman.

Lademöglichkeiten hinken hinterher

Hinzu kommt: Es gibt viel zu wenige Ladestationen. "Wenn ich mit meinem Verbrennungsmotor nur noch zehn Kilometer Reichweite habe, dann bleibe ich ganz entspannt, weil alle paar Kilometer eine Tankstelle ist. Aber wenn ich bei einem Elektroauto nur noch zehn Kilometer drauf habe, dann mache ich alle Welt nervös", erklärt Prof. Bratzel.

In sechs Jahren wurden in Deutschland nur 10.000 Ladestationen gebaut. Wenn im Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf der Straße fahren sollen, braucht man mindestens 70.000.

Karten Wahnsinn – 200 Ladekarten

Um an einer Ladesäule sein Fahrzeug auch wirklich laden zu können, muss man sie erst mal aktivieren. Und das geht mit einer Ladekarte. Die sieht aus wie eine EC-Karte. Soweit so gut.

Das Problem: In Deutschlang gibt es an die 200 Ladekarten, weil jeder örtliche Stromversorger und jeder große Energieversorger eine eigene Karte hat. Es kann also sein, dass man trotz Karte gar nicht tanken kann.

Auch Christian Roman musste diese Erfahrung machen: "Wir hatten zwar eine Ladekarte eines großen Energieversorgers, aber oft standen wir vor Ladesäulen und mussten dort den Kundenservice anrufen und um Strom betteln. Wir haben aber immer welchen bekommen. Wir haben teilweise auch Apps gebraucht. Und manchmal hast du für eine Tankladung fünf Euro bezahlt und manchmal hat man kryptische Kilowattstunden angezeigt bekommen und wusste gar nicht, was man dann zahlen muss. Es fehlt eine Vereinheitlichung."

Wer ist Schuld?

Die Energieversorger sind mit verantwortlich dafür, dass es zu wenig Ladestationen gibt. Das sehen die aber ganz anders.

"Beim Thema Ladestationen muss man sich fragen, was war zuerst da? Das Ei oder das Huhn? Die Automobilhersteller haben sich lange beschwert, dass es keine Lade-Infrastruktur gibt und haben auf die Energieversorger gezeigt. Die wiederum haben gesagt: 'Das ist kein Geschäft für uns, weil es relativ wenige Elektroautos gibt.' Mittlerweile ist es glücklicherweise so, dass die Autohersteller mit in die Verantwortung gehen und den Bau von Schnellladestationen unterstützen", erklärt Professor Bratzel.

Zu teuer trotz staatlicher Förderung

Für all diese Unannehmlichkeiten soll der Kunde auch noch mehr bezahlen. Ein Beispiel: Der BMW 1er mit herkömmlichem Motor kostet 25.000 Euro. Sein vergleichbarer Elektro-Bruder ist der BMW i3 für 40.000 Euro. Auch die staatliche Förderung von 4.000 Euro für Elektroautos kann bei solchen Preisunterschieden das Ruder nicht herum reißen.

Gibt es Hoffnung?

Das reichweitenstärkste Auto in Deutschland ist momentan der Opel Ampera-E. Er bringt es auf 500 Kilometer versprochener Reichweite - die reale liegt bei etwa 400 Kilometern. Wegen der großen Nachfrage liegt die Wartezeit momentan bei etwa vier Monaten.

In ferner Zukunft sollen Autos schneller kabellos mit Induktion aufgetankt werden können und eine größere Reichweite haben. Aber darauf können sich Autofahrer erst in den nächsten Jahren freuen.

"Ich bin zuversichtlich, dass Anfang der 20er Jahre die deutschen Autohersteller im Bereich Elektromobilität wieder die Marktführungsrolle übernehmen können. Denn mittlerweile ist klar, die Elektromobilität wird kommen", sagt Prof. Bratzel.

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