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Die USA führen hohe Strafzölle auf chinesische E-Autos ein, die EU plant Ähnliches ab Sommer 2024. Nun könnte eine Reaktion Chinas kurz bevorstehen.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte bereits Mitte September 2023 im Europaparlament in Straßburg an, die Möglichkeit für Strafzölle gegen chinesische E-Autos zu prüfen. Dabei betonte sie die Notwendigkeit, fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Die CDU-Politikerin erklärte wörtlich: "Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt – das verzerrt unseren Markt. Das ist nicht akzeptabel. Die Weltmärkte würden von billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt."

Video: Vorfahrt: Nio ET5 Touring

Was von der Leyen meinte, hatte Ende 2023 die "New York Times" aufgedeckt. Konkret führte die US-Zeitung das Beispiel Nio an. Dem Bericht liegen Dokumente zugrunde, nach denen der inzwischen auch in Europa aktive Autohersteller (siehe Video über diesem Absatz) pro gebautem Auto etwa 35.000 Dollar (aktuell umgerechnet gut 33.000 Euro) verliere. Sein Überleben wäre demnach von entsprechend hohen staatlichen Subventionen abhängig. Ein anderer E-Auto-Bauer soll allein im Jahr 2020 insgesamt 2,6 Milliarden Dollar als Hilfe sowohl von der lokalen Regierung als auch von einer staatlichen Bank erhalten haben.

Strafzölle gegen Chinas Billig-E-Autos?

Die Handelsschutzmaßnahme 689, so der offizielle Titel der Untersuchung, könnte zur Verhängung von Strafzöllen führen, um den europäischen Markt zu schützen und fairen Wettbewerb sicherzustellen. Dies ist Teil einer breiteren Bemühung der EU, ihre Abhängigkeit von Staaten wie China zu verringern und die heimische Wirtschaft zu stärken. Die EU habe nicht vergessen, "wie sich Chinas unfaire Handelspraktiken auf unsere Solarindustrie ausgewirkt haben", sagte von der Leyen. Vor einigen Jahren seien viele Unternehmen von stark subventionierten chinesischen Konkurrenten vom Markt gedrängt worden. Dies dürfe sich bei der E-Mobilität nicht wiederholen.

Handelskommissar Valdis Dombrovskis bekräftigte daraufhin in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Haltung der EU. Man habe belastbare Hinweise, dass China handelsverzerrende Staatshilfen zahle und davon eine Gefahr für die europäische Industrie ausgehe. Der aktuell stark steigende Marktanteil chinesischer E-Autos in Europa sei der offensichtlichste Indikator dafür, dass eine Gefahr von den Staatshilfen ausgehe, so der Lette.

Strafzölle ab Sommer 2024 wahrscheinlich

In einer am 5. März 2024 veröffentlichten Durchführungsverordnung der EU wurde bekannt gegeben, dass ab sofort eine "zollamtliche Erfassung" aller Elektroautos, die aus China eingeführt werden, erfolgen soll. Dies betrifft Elektrofahrzeuge mit bis zu neun Sitzen, Motorräder sind ausgenommen. In der von Kommissionspräsidentin von der Leyen unterzeichneten Verordnung heißt es, die EU habe "hinreichende Beweise, die tendenziell darauf hindeuten, dass die Einfuhren der betroffenen Ware aus der VR China subventioniert werden". Als derartige Staatshilfen zählt das Papier unter anderem auf: Direkte Transfers von Geldern, den Verzicht auf Einnahmen oder die Nichterhebung von Abgaben durch die chinesische Regierung sowie die Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen durch die Regierung zu einem geringeren als dem angemessenen Entgelt.

Die "zollamtliche Erfassung" soll dazu dienen, dass mögliche Strafzölle auch vor Abschluss des Verfahrens rückwirkend erhoben werden können. Über die Höhe dieser Zollgebühren in Prozent auf den Gesamtpreis gibt die EU noch keine Information: "In dieser Phase der Untersuchung ist es noch nicht möglich, die Höhe der Subventionen genau abzuschätzen. Daher hält es die Kommission nicht für angemessen, einen geschätzten Betrag einer zukünftigen Zollschuld anzugeben." Dass solche Strafzölle kommen, ist allerdings so gut wie sicher. Am wahrscheinlichsten ist ein Zollsatz von 30 Prozent.

China erwägt ebenfalls Strafzölle

Die USA sind in dieser Hinsicht bereits einen Schritt weiter und haben kürzlich von 25 auf 100 Prozent erhöhte Importzölle auf chinesische Elektroautos beschlossen. Diese Tatsache und das Vorhaben der EU veranlassen China nun, seinerseits Strafzölle für Autos aus Europa und den USA in Erwägung zu ziehen. Die chinesische Handelskammer in Brüssel (CCCEU) veröffentlichte beim Kurznachrichtendienst "X" ein entsprechendes Statement. Die Mitteilung referenziert explizit auf die beschriebenen Entwicklungen in Washington und Brüssel.

Darin heißt es, dass die CCCEU am 21. Mai "von Insidern" darüber informiert wurde, dass China "temporär erhöhte Tarife auf importierte Autos mit großvolumigen Verbrennungsmotoren" prüfe. Die Kammer zitiert Liu Bin, in China eine zentrale Figur an der Schnittstelle zwischen Politik und Autoindustrie, der in einem Interview mit der chinesischen Zeitung "Global Times" eine Erhöhung der Zölle um maximal 25 Prozent ins Spiel bringt. Die Maßnahme solle für Limousinen- und SUV-Modelle gelten, deren Verbrennungsmotoren mehr als 2,5 Liter Hubraum aufweisen. Liu Bin behauptet, das Vorhaben entspreche den Regeln der Welthandelsorganisation WTO, weil es die Autoindustrie grüner gestalten und die Kohlendioxidemissionen senken könne.

"Knallharte französische Interessenpolitik"

Die deutsche Wirtschaft fürchtete von vornherein eine derartige Reaktion Chinas, weshalb sie früh Kritik an den EU-Plänen äußerte. Im Zuge der AS689-Untersuchung müssen Deutschlands in China tätige Autobauer in einem mehrteiligen Fragenkatalog gegenüber der EU-Kommission detailliert ihre China-Verbindungen offenlegen, berichtet das "Handelsblatt". Offiziell kooperieren die Konzerne mit den Europapolitikern. Hinter vorgehaltener Hand gebe es jedoch Kritik am unprofessionellen – "fast amateurhaften" – Vorgehen der EU in dieser Angelegenheit. Zudem vermute die deutsche Autoindustrie die französischen Hersteller – allen voran Renault-Chef Luca de Meo – als Drahtzieher hinter der Strafzoll-Initiative. Die Untersuchung sei "knallharte französische Interessenpolitik", sagt ein Industrie-Insider im "Handelsblatt". Tatsächlich versucht Frankreich bereits auf nationaler Ebene, chinesischen E-Auto-Herstellern den Zugang zum eigenen Markt zu erschweren oder gar zu verschließen.

Auch deutsche Politiker stehen der EU-Untersuchung skeptisch gegenüber. "Ich halte grundsätzlich nicht viel davon, Marktbarrieren aufzubauen", sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing in der "Augsburger Allgemeinen". Ein Handelskrieg mit Peking könne sich schnell auf weitere Branchen ausweiten und der deutschen Wirtschaft massiv schaden. Statt Abschottungspolitik zu betreiben, die zu einer Kettenreaktion führe, müssten wir dem FDP-Politiker zufolge "dafür sorgen, dass wir unsere Elektrofahrzeuge wettbewerbsfähig produzieren – für Deutschland und für die Weltmärkte".

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Gerechte Chancen für unsere Autoindustrie

Die EU-Kommission hatte zuvor bereits weitere Schritte unternommen, um ihre Rohstoffversorgung zu sichern und sicherzustellen, dass die EU nicht von Importen aus einzelnen Ländern wie China abhängig bleibt. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die europäische Wirtschaft widerstandsfähig und wettbewerbsfähig bleibt. "Europa ist offen für Wettbewerb, aber nicht für einen ungleichen Unterbietungswettlauf", betonte von der Leyen. "Wir müssen uns gegen unfaire Praktiken wehren und sicherstellen, dass unsere Unternehmen auf dem globalen Markt gerechte Chancen haben." Gleichzeitig betonte die EU-Kommissionschefin die Bedeutung des Dialogs mit China und die Zusammenarbeit in wichtigen Fragen.

Hinweis: In der Fotoshow sehen Sie die dreisten Auto-Klone aus China.  © auto motor und sport

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