In der Coronakrise ist wissenschaftliche Expertise gefragt - und so wurden in den vergangenen Wochen Virologen zu Medienstars. Wir stellen Ihnen drei der präsentesten Forscher vor.

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Seitdem die COVID-19-Pandemie Deutschland erreicht hat vergeht kaum ein Tag, an dem der Name Christian Drosten nicht in den Nachrichten auftaucht. Hendrik Streeck und Alexander Kekulé sind ebenfalls gefragte Experten.

Wer sind die Virologen, die das Land über das Virus aufklären?

Charité-Direktor in Berlin: Christian Drosten

Wissenschaftlicher Hintergrund

Christian Drosten ist Institutsdirektor der Virologie an der Berliner Charité. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen neu auftretende Infektionen. In der Vergangenheit war er am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg an der Erforschung des SARS-Virus beteiligt.

Für das Coronavirus SARS-CoV-2 entwickelte eine Forschergruppe unter der Leitung von Drosten einen Schnelltest, der ab Mitte Januar 2020 weltweit zur Verfügung stand.

Positionen in der Coronakrise

Drosten sprach sich in der Coronakrise von Anfang an für strikte Eindämmungsmaßnahmen aus. Bereits im Januar befürwortete er laut "Tagesschau" die Ausrufung eines internationalen Gesundheitsnotfalls: "Ja, aus meiner Sicht ist es sinnvoll, jetzt vielleicht etwas überempfindlich zu reagieren", sagte er damals.

Anfang März sprach er sich für Kontaktbeschränkungen aus. "Das Sozialleben muss nun für einige Monate aufhören", forderte er in einem "Spiegel"-Interview. Darin machte er deutlich, dass er das auch für nahe Familienmitglieder und längere Zeiträume befürwortet.

So sollten Kinder "bis September, Oktober" nicht zu den Großeltern. Über die jüngsten Anpassungen der Corona-Schutzregeln sagte Drosten, dass den ersten Lockerungen neue Maßnahmen wie eine Fallverfolgung durch Handy-Tracking entgegengestellt werden müssten.

Wahrnehmung in der Öffentlichkeit

Drosten gilt in den Medien als einflussreichster Experte. Seit Ende Februar äußert er sich regelmäßig im NDR-Podcast "Coronavirus-Update" zu den neuesten Entwicklungen in der Pandemie. Außerdem beriet Drosten bis vor kurzem Behörden und Politiker – darunter auch Kanzlerin Angela Merkel.

Drosten betonte in der Vergangenheit, dass die Wissenschaft lediglich Wissen generiert. Auf dieser Basis sei es Aufgabe der Politik, Entscheidungen zu treffen. Er wurde dafür kritisiert, sich an dieses Prinzip selbst nicht immer zu halten. So erklärte er zum Beispiel am 23. März, dass der Nutzen einer Maskenpflicht im Zusammenhang mit der Übertragung von COVID-19 aus wissenschaftlicher Sicht zweifelhaft sei.

Trotzdem sprach er sich mit Nachdruck für das Tragen von Masken aus und begründete das nicht aus seinem Fachgebiet heraus sondern mit moralischen und psychologischen Argumenten: Es sei ein Akt der Höflichkeit, eine Maske zu tragen und könne den psychologischen Effekt haben, dass Menschen im Alltag an den Ernst der Lage erinnert würden.

Virologe an Bonner Uni: Hendrik Streeck

Wissenschaftlicher Hintergrund

Hendrik Streeck ist Direktor des Instituts für Virologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn. Sein Schwerpunkt liegt auf der HIV-Forschung. Unter seiner Leitung arbeitet das Institut unter anderem an der Entwicklung eines Impfstoffes gegen die Krankheit.

Im Auftrag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen leitet Streeck seit Ende März eine Studie über die Ausbreitung und den Verlauf der COVID-19-Pandemie in der Gemeinde Gangelt im Kreis Heinsberg. Er gilt als der Virologe, der in Deutschland die meisten COVID-19-Patienten selbst gesehen hat.

Positionen in der Coronakrise

Streeck hat bereits im März kritisiert, dass Regierung und Behörden in Deutschland ihre Entscheidungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie auf Basis von Spekulationen träfen. Es gäbe zu wenig Bemühungen, fundierte Fakten zu ermitteln, auf denen sinnvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheit fußen könnten.

Insbesondere dem Robert-Koch-Institut warf er vor, es versäumt zu haben, wichtige Studien in den deutschen Hotspots durchzuführen.

Während zielführende wissenschaftliche Forschung nach Ansicht Streecks verspätet einsetze, beurteilte er manche Restriktionen als zu übereilt und zu drastisch. Ende März sagte er, dass es nach den bis dahin vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen fraglich sei, ob es beim Friseurbesuch oder beim Einkaufen zu Übertragungen kommen könne.

Außerdem sprach sich Streeck für einen Runden Tisch mit unterschiedlichen Experten aus. Selbst unter Virologen gäbe es verschiedene Ausrichtungen. Als Beispiel nannte er seinen Kollegen Christian Drosten: Während sich dieser mit den Eigenschaften des Virus im Detail auskenne, untersuche Streeck, was das Virus mit den Menschen mache. Das vorhandene Wissen müsse zusammengeführt werden, um konstruktive Schlüsse daraus ziehen zu können.

Wahrnehmung in der Öffentlichkeit

Hendrik Streeck ist einer der Experten, die am häufigsten in der Presse zitiert werden. Insbesondere seit der Bekanntgabe erster überraschender Ergebnisse seiner Heinsberg-Studie, ist er in der Öffentlichkeit bekannt.

Unter anderem zeigte diese auf, dass die Letalitätsrate, also die Sterbewahrscheinlichkeit, bei den COVID-19-Erkrankten in Gangelt bei 0,37 Prozent liege. Ob dieser Wert auf ganz Deutschland übertragbar ist, ist fraglich. Das Robert-Koch-Institut war zu diesem Zeitpunkt von einer Rate von 1,8 bis 1,9 Prozent ausgegangen.

Kritik wurde an der Veröffentlichung dieser Zwischenergebnisse laut. Unter anderem bemängelte Christian Drosten zunächst, er könne mit den Zwischenergebnissen, die im Rahmen einer Pressekonferenz mitgeteilt wurden, nichts anfangen. Nachdem er genauere Kenntnisse darüber erlangt hatte, betonte er jedoch, die Untersuchung werde "eine extrem solide, robuste Studie".

Kritisiert wurde auch, dass die Öffentlichkeitsarbeit für die Heinsberg-Studie von der Social-Media-Agentur Storymachine unterstützt wurde, deren Mitbegründer der ehemalige "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann ist. Die Begleitung durch Storymachine sei im "Sinne der maximalen Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit" erfolgt, verteidigte Streeck die Entscheidung.

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Mikrobiologe in Halle: Alexander Kekulé

Wissenschaftlicher Hintergrund

Alexander Kekulé ist Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. Seit 1999 leitet er das Institut für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Halle.

Zu seinen Spezialgebieten zählen Infektionskrankheiten und Bevölkerungsschutz. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit veröffentlicht Kekulé regelmäßig Beiträge in verschiedenen Tageszeitungen zur Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft.

Positionen in der Coronakrise

Im Januar äußerte Kekulé die Meinung, dass das neuartige Coronavirus keine besondere Gefahr für Deutschland darstelle. Doch nachdem die Fallzahlen auch hier zu steigen begannen, wich er von dieser Haltung ab. Das Virus sei tödlich und die Gefahr sei in der Öffentlichkeit verharmlost worden, sagte er Ende Februar gegenüber der "Rhein-Neckar-Zeitung".

Zustände wie in Norditalien seien in Deutschland genauso möglich, warnte er laut der "Tagesschau". Wir "sind da kein Stück besser vorbereitet als die Italiener."

Die "Flatten the Curve"-Strategie hält Kekulé nicht für zielführend. Es könne nicht funktionieren, die Kurve so lange zu strecken, bis 60 oder 70 Prozent der Deutschen infiziert und immun seien - das würde dem Mediziner zufolge Jahre dauern.

Stattdessen plädierte er für eine kurze Phase mit maximalen Kontaktbeschränkungen. Anschließend solle eine Phase des "Smart Distancing" folgen, in der alle Haushalte mit einfachen Tests auf COVID-19 ausgestattet werden, die jeder selbst durchführen kann. Alle Menschen in Deutschland sollten demnach einen Mundschutz tragen und Hygienevorschriften beachten, wie etwa die, auf einen Handschlag zur Begrüßung zu verzichten.

Wahrnehmung in der Öffentlichkeit

Kekulé hatte sich in der Medienwelt bereits vor der Coronakrise mit Gastbeiträgen zu Gesundheitsthemen einen Namen gemacht. Seit dem 16. März produziert der MDR werktäglich einen Podcast mit dem Titel "Kekulés Corona-Kompass", in dem der Experte die neuesten Entwicklungen in der Pandemie erklärt und einordnet.

Einige Äußerungen Kekulés wurden von anderen Wissenschaftlern kritisiert. Bei "Anne Will" sagte Kekulé, dass das Niesen nicht zu den typischen Symptomen einer COVID-19-Erkrankung gehöre. Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit bezeichnete das als gefährliche Falschaussage.

Außerdem warf er Kekulé vor, dass dieser nicht klar kommuniziere, dass es bei den Prognosen zum Verlauf der Pandemie viele Unsicherheiten gebe. "Ein einzelner Experte sollte sich nicht hinstellen und von sich behaupten, er wisse alle Antworten", so Schmidt-Chanasit in der "Welt".

Verwendete Quellen:

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