• Bayern-Spieler Joshua Kimmich hat sich bisher nicht gegen das Coronavirus impfen lassen.
  • Seine Entscheidung begründete er damit, dass es bisher keine Langzeitstudien gebe und dass auch Geimpfte das Virus verbreiten könnten.
  • Unser Faktencheck erklärt, was hinter den von Kimmich vorgebrachten Kritikpunkten steckt.
Ein Faktencheck

Die Aufregung um den Profi-Fußballer des FC Bayern München ist groß. Diskutiert wird seit Samstag aber nicht die Leistung von Joshua Kimmich auf dem Platz, sondern seine Aussagen nach dem souveränen 4:0-Sieg gegen die TSG Hoffenheim.

Mehr aktuelle News

Mit Händen in den Jackentaschen und ernster Miene erklärte der Nationalspieler in einem Interview mit Sky seine ablehnende Haltung gegenüber einer Corona-Impfung. Seine "persönlichen Bedenken" begründete er dabei vor allem mit "fehlenden Langzeitstudien" und mit Impfdurchbrüchen, also Corona-Infektionen bei vollständig geimpften Personen.

So merkte Kimmich an, "dass sich gerade geimpfte Menschen nicht mehr testen lassen" und deshalb nicht merken würden, wenn sie mit SARS-CoV-2 infiziert seien: "Wie wir wissen, kann man es auch (geimpft) immer noch verbreiten."

Unser Faktencheck erklärt, was hinter den beiden von Kimmich vorgebrachten Kritikpunkten steckt.

1. Angeblich fehlende Langzeitstudien zu Corona-Impfstoffen

"Die Sicherheit von Impfstoffen wird vor, aber auch nach Zulassung ständig überwacht", erklärte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, unserer Redaktion bereits im August. Neben klinischen Prüfungen und Studien nach der Zulassung diene auch das gesetzlich festgelegte Meldesystem von Verdachtsfällen und Impfkomplikationen an die Arzneimittelbehörden dazu, Risikosignale zu erkennen, gegebenenfalls Risiken zu identifizieren und Maßnahmen zu ergreifen. "Damit wird gesichert, dass der Nutzen von zugelassenen Impfstoffen gegenüber ihren Risiken über ihren gesamten Lebenszyklus überwiegt", sagte Cichutek.

Seit Beginn der Impfkampagne Ende vergangenen Jahres wurden über 55 Millionen Menschen in Deutschland geimpft, weltweit fast drei Milliarden – sehr junge, sehr alte, gesunde, vorerkrankte, Frauen, Männer. Selbst nach etlichen Monaten, während denen fortlaufend unzählige Daten gesammelt wurden und bei ständiger Kontrolle durch wissenschaftliche Untersuchungen und Studien, gibt es bisher keine Meldungen von schweren Nebenwirkungen die erst nach längerer Zeit nach der Impfung aufgetreten sind. Rein statistisch gesehen hätten zudem mittlerweile extrem seltene Nebenwirkungen auffallen müssen.

Fakt ist: Alle Impfstoffe, auch die Vakzine gegen das Coronavirus, können eine Impfreaktion auslösen. Bei den Corona-Impfstoffen zählen dazu etwa Rötungen an der Einstichstelle, Abgeschlagenheit, Fieber und Schüttelfrost. Dazu kommen in sehr wenigen Einzelfällen schwere Nebenwirkungen wie Thrombosen mit Thrombozytopenie oder Herzmuskelentzündungen. All diese Nebenwirkungen treten aber bereits nach wenigen Stunden bis spätestens zwei oder drei Wochen nach der Impfung auf.

Dass Langzeitnebenwirkungen unwahrscheinlich sind, liegt zum einen daran, dass die Bestandteile von mRNA-Impfstoffen im Körper schnell nach der Impfung abgebaut werden. Daten des PEI deuteten darauf hin, dass die mRNA bereits nach etwa 50 Stunden im Körper nicht mehr nachweisbar ist.

Für die Vektorimpfstoffe gilt in einigen Punkten Ähnliches wie für die mRNA-Vakzine – nur, dass es hier schon länger zugelassene Impfstoffe gibt, unter anderem gegen Ebola und Dengue-Fieber, und damit gewisse Erfahrungswerte. Laut dem Virologen Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Universität Gießen, sind durchaus Nebenwirkungen dieser Art von Vakzinen bekannt. "Sie verursachen Erkältungssymptome, Augenentzündungen oder Magen-Darm-Probleme, aber Spätfolgen wie Tumorerkrankungen kennen wir nicht – trotz intensiver Forschung über Jahrzehnte", wie Weber der "Pharmazeutischen Zeitung" sagte.

Zum anderen werden Impfstoffe – anders als Arzneimittel – gar nicht über einen längeren Zeitraum und regelmäßig verabreicht, sondern im Rahmen der Grundimmunisierung ein- bis dreimal und dann gegebenenfalls nach ein paar Jahren nochmals zur Auffrischung. "Spätnebenwirkungen", die etwa erst fünf Jahre nach der Impfung plötzlich auftreten, könne es aus biologischen Gründen überhaupt nicht geben, betont Petra Falb, Gutachterin in der Zulassung für Impfstoffe beim österreichischen Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen.

Bewertung von Kimmichs Aussage: Kimmich hat nicht recht. Langzeitstudien laufen bereits seit Beginn der Impfstoff-Tests und werden weitergeführt. Mit seiner Aussage impliziert der Bayern-Spieler womöglich Langzeit- beziehungsweise Spätnebenwirkungen. Solche gibt es bei Impfstoffen nicht. Möglich ist lediglich, dass auch nach mehreren Jahren noch eine extrem seltene Nebenwirkung entdeckt wird. Doch auch diese wäre bereits wenige Stunden bis Wochen nach der eigentlichen Impfung ausgelöst worden. Bisher ist, trotz mehrerer Milliarden geimpfter Menschen binnen mehrerer Monate, kein solcher Fall bekannt.

2. Impfungen würden nicht vor Übertragungen schützen

Das Robert-Koch-Institut (RKI) definiert einen Impfdurchbruch als Corona-Infektion mit klinischer Infektion bei einer seit mehr als zwei Wochen vollständig geimpften Person. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Infektion anhand eines PCR-Tests oder einer Erregerisolierung nachgewiesen wurde.

Tatsächlich häuft sich in Deutschland die Zahl der Impfdurchbrüche, was unter anderem mit dem Zurückfahren der allgemeinen Corona-Schutzmaßnahmen und an der nachlassenden Wirkung der Impfstoffe liegt.

Dass es zu Impfdurchbrüchen kommt, war zu erwarten. Denn keines der vorhandenen Corona-Vakzine bietet einen vollständigen Schutz gegen das Coronavirus. Das ist normal und trifft auch auf Impfstoffe gegen andere Erreger zu.

Doch selbst wenn es zu Impfdurchbrüchen kommt, eine vollständige Impfung bietet den besten Schutz gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 und insbesondere vor einem schweren Krankheitsverlauf. Auch nach der Infektion mit der Delta-Variante, schützen insbesondere die mRNA-Impfstoffe gut.

Ungeimpfte tragen umgekehrt ein deutlich höheres Risiko für eine Infektion, eine Einweisung auf die Intensivstation und schlimmstenfalls den Tod. Das RKI schätzt derzeit die Effektivität von Impfungen vor Hospitalisierungen auf etwa 90 Prozent (bei über 60-Jährigen auf 86 Prozent), vor Behandlungen auf Intensivstationen auf 94 Prozent (92 Prozent) sowie vor dem Tod auf 98 Prozent (87 Prozent).

Bewertung von Kimmichs Aussage: Kimmich hat recht, auch Geimpfte können das Coronavirus weiterverbreiten. Die Impfung dämmt aber die Verbreitung des Virus ein und kann auch weitere Mutationen verhindern. Je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger schwere Krankheitsverläufe gibt es. Nicht überprüfbar ist die Aussage, ob sich "gerade geimpfte Menschen nicht mehr testen lassen".

Hinweis: In einer früheren Version haben wir ein Zitat von Kimmich falsch wiedergegeben: Statt " ... dass sich gerade nicht-geimpfte Menschen nicht mehr testen lassen" muss es heißen " ... dass sich gerade geimpfte Menschen nicht mehr testen lassen". Wir haben den Fehler korrigiert.

Mehr aktuelle Informationen zum Coronavirus finden Sie hier

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.