• Die Verwirrung um den Impfstoff Astrazeneca lässt nicht nach.
  • Nach dem Auftreten vereinzelter Thrombosen nach einer Impfung mit dem Wirkstoff sprach sich die Ständige Impfkommission (Stiko) nur mehr für eine Impfung für Menschen ab 60 Jahren aus.
  • Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu diesem Themenkomplex.

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Kurz vor 22:00 Uhr trat die Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit ihrem Gesundheitsminister Jens Spahn am Dienstagabend vor die Presse. Der Impfstoff Astrazeneca solle künftig nur noch für über 60-Jährige als Corona-Prävention verimpft werden. Zuvor hatte die Stiko dazu aufgerufen. Grund hierfür sind neue Erkenntnisse, die Expertinnen in den vergangenen Wochen über sehr seltene und sehr schwere Fälle von Hirnvenenthrombosen bei mit Astrazeneca geimpften Personen gesammelt hatten.

"Es sind Erkenntnisse, die die Ständige Impfkommission und damit auch wir nicht ignorieren können", so Angela Merkel in der Pressekonferenz. Die Verwirrung ist groß, das Vertrauen vieler Menschen so gut wie weg. Und das nicht zum ersten Mal: Erst vor wenigen Wochen war die Impfung mit Astrazeneca bereits einmal ausgesetzt und dann wieder aufgenommen worden. Geimpfte haben Angst, andere Menschen verweigern eine Impfung. Doch für eine Eindämmung der Corona-Pandemie scheint momentan die Impfung das einzige Mittel. Wir klären für Sie die wichtigsten Fragen zum Impfchaos.

Warum werden die Impfungen erneut ausgesetzt?

Die Ständige Impfkommission (kurz: Stiko) bewertet permanent alle wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen und leitet daraus Empfehlungen ab. Da die Corona-Impfstoffe relativ neu sind, gewinnen Expertinnen und Experten immer wieder neue Erkenntnisse, die zu mehr Sicherheit beim Impfstoff führen. Das liegt daran, dass - bevor ein Impfstoff zugelassen wird - nur eine gewisse Anzahl an Menschen probeweise geimpft wird. Je mehr Menschen einen Impfstoff bekommen, desto mehr Erkenntnisse lassen sich ableiten. Auf Basis der derzeit verfügbaren Daten zum Auftreten seltener, aber sehr schwerer Hirnvenenthrombosen beim Covid-19-Impfstoff Astrazeneca hat die Stiko in Absprache mit Expertinnen und Experten beschlossen, dass dieser Impfstoff nur mehr für Personen im Alter ab 60 Jahren empfohlen wird. Die Nebenwirkung einer Thrombose trat nämlich überwiegend bei Personen in einer jüngeren Altersgruppe auf.

Wie viele Verdachtsfälle bezüglich der Nebenwirkungen bei Astrazeneca gibt es derzeit?

Bis Anfang der Woche gab es in Deutschland 31 Verdachtsfälle einer Thrombose nach Impfung mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca. In neun Fällen war der Ausgang tödlich. Bis auf zwei Ausnahmen betrafen alle Fälle Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren, die zwei Ausnahmen waren Männer. Bis Montag waren laut des Impfquotenmonitoring des Robert-Koch-Instituts 2,7 Millionen Erstdosen und 767 Zweitdosen von Astrazeneca verimpft worden.

Für welche Personen wird die Impfung nun ausgesetzt?

Die Stiko empfiehlt, Astrazeneca nur noch an Menschen über 60 Jahre zu verimpfen. Jüngere müssen nun also auf einen anderen verfügbaren Impfstoff warten. Jedoch schreibt die Stiko, dass der Einsatz des Impfstoffes auch unterhalb der Altersgrenze möglich sei, wenn "nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoabwägung und Entscheidung der impfwilligen Person nach sorgfältiger Aufklärung" entschieden werde.

Ab wann gilt die neue Regel?

Ab Mittwoch, 31. März, wird Astrazeneca nur noch an Menschen über 60 vergeben. Ausnahmen sind nach ärztlicher Absprache möglich.

Was passiert, wenn ich bereits meine Erstimpfung mit Astrazeneca bekommen habe?

Wer bereits eine Erstimpfung mit Astrazeneca bekommen hat und unter 60 Jahre alt ist, kann laut Gesundheitsministerkonferenz selbst entscheiden, ob er auch die zweite Impfung mit Astrazeneca bekommen möchte. Die Stiko will bis Ende April hierzu eine weitere Empfehlung aussprechen. Da die ersten Impfungen mit Astrazeneca im Februar begonnen haben und ein zwölfwöchiger Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung empfohlen wird, stehen die meisten Zweittermine im Mai an. Für alle Betroffenen heißt es also: Geduld haben.

Was sagen Bundeskanzlerin Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn zum Thema?

Dienstagabend riefen Bundeskanzlerin Merkel und Gesundheitsminister Spahn zu einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Das Chaos um Astrazeneca ist ein Supergau für die Impfkampagne der Bundesregierung. Das wissen auch die Kanzlerin und ihre Minister. Zerknirscht gab die Kanzlerin zu: "Es sind Erkenntnisse, die die Ständige Impfkommission und damit auch wir nicht ignorieren können." Impfen bleibe das wichtigste Mittel gegen Corona und die Bürgerinnen und Bürger müssten den Impfstoffen vertrauen können. "Vertrauen entsteht aus dem Wissen, dass jedem Verdacht und jedem Einzelfall nachgegangen wird", so Angela Merkel. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fügte hinzu: "Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland können sich darauf verlassen, dass in Deutschland zugelassene Impfstoffe akribisch überwacht werden - und dass die Ergebnisse dieser Überwachung transparent gemacht werden."

Der Impfstoff von Astrazeneca solle nun bei Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden. Außerdem könnten vor allem bei Personen aus den Priorisierungsgruppe 1 und 2 geimpft werden, die das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Jedoch nur, wenn sie gemeinsam mit dem impfenden Arzt nach ärztlichem Ermessen und bei einer individuellen Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung entscheiden, mit Astrazeneca geimpft zu werden.

"Ich kann alle 60-Jährigen tatsächlich ausdrücklich nur bitten, dieses Impfangebot wahrzunehmen", betonte Jens Spahn bei der Pressekonferenz. Der Wirkstoff von Astrazeneca sei wirksam.

Bleibt Deutschland jetzt auf dem Impfstoff von Astrazeneca sitzen?

Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist groß, die Skepsis gegenüber den neuen Corona-Impfstoffen ohnehin. Mit dem Impfchaos rund um Astrazeneca wird das nicht besser. Damit Deutschland nicht auf dem Impfstoff sitzen bleibt, sprach sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Mittwoch für eine "Entkriminalisierung" der Regelung beim Impfen aus. "Irgendwann wird man bei Astrazeneca speziell mit sehr viel Freiheit operieren müssen und sagen müssen: Wer will und wer es sich traut, der soll auch die Möglichkeit haben", so der CSU-Chef in Bayern beim Impfgipfel bereits Tage vor dem nächsten Gau. Astrazeneca sei problembelastet und die Wahrnehmung von außer mittlerweile gestört. Der Vertrauensverlust sei immens. Auch aufseiten der Bundesregierung gab es schon Äußerungen, dass man Angst habe, auf dem Impfstoff sitzen zu bleiben.

Wie geht's jetzt weiter?

Deutschland will seinen Impfkurs fortsetzen und vor allem beschleunigen. Bis zum Sommer sollen möglichst viele Menschen geimpft worden sein. Gesundheitsminister Spahn gab bei der Pressekonferenz an, dass man im zweiten Quartal mit insgesamt 70 Millionen Impfdosen rechne. Für Bayern sagte Markus Söder: "Wir gehen davon aus, dass wir mit den Lieferungen, die jetzt kommen werden, Ende April, Anfang Mai möglicherweise 20 Prozent der Bayern geimpft haben werden. Das ist immer noch zu wenig, aber es geht Stück für Stück voran."

Wie kann die Regierung das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Sachen Schutzimpfung zurückgewinnen?

"Niemandem darf vorgeworfen werden, dass er zurückhaltend ist, weil ihm ein Impfstoff möglicherweise zu unsicher ist", sagte Bayerns Ministerpräsident beim Impfgipfel. Es brauche daher Vorbilder und mehr Freiheiten im Impfen. Nur dann ließe sich das Vertrauen zurückgewinnen - ganz nach dem Motto: "Wenn der sich impfen lässt, ist wohl was Gutes dran."

Verwendete Quellen:

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