Steckt ein russischer Geheimdienst hinter der Sabotage von mehr als 270 Fahrzeugen in Berlin, Baden-Württemberg, Bayern und Brandenburg? Die Polizei geht diesem Verdacht nach.
Deutsche Sicherheitsbehörden sehen laut einem Bericht des "Spiegel" Spuren nach Russland bei einer Sabotageserie, bei der bundesweit Hunderte Autos beschädigt worden seien.
Dabei wurden demnach bei 270 Fahrzeugen in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg und Bayern Auspuffrohre mit Bauschaum verstopft. Ziel der Aktionen sei es gewesen, Hass auf die Grünen zu schüren, berichtete das Magazin unter Berufung auf Informationen aus Sicherheitskreisen.
Papierschnipsel am Tatort sollten auf Grüne hinweisen
Dem "Spiegel"-Bericht zufolge war einer Polizeistreife im brandenburgischen Schönefeld ein Transporter mit drei jungen Männern aufgefallen, die mehrere Kartuschen mit Bauschaum bei sich hatten. Kurz nach der Kontrolle seien 43 Anzeigen von Autobesitzern eingegangen, bei deren Fahrzeugen das Auspuffrohr mit Bauschaum verstopft worden war.
An den Tatorten hinterließen die Saboteure demnach Aufkleber mit dem Slogan "Sei grüner!" und einem Foto von Bundeswirtschaftsminister und Grünen-Kanzlerkandidat
Bei den drei verdächtigen Männern aus Süddeutschland handelt es sich um einen Serben, einen Bosnier und einen Deutschen. Bei Wohnungsdurchsuchungen hätten die Ermittlungsbehörden danach mehrere Dosen mit Bauschaum sowie Handys und Laptops sichergestellt.
100 Euro für jedes beschädigte Fahrzeug
Einer der Beschuldigten gab laut "Spiegel" bei Vernehmungen an, er und weitere Beteiligte seien von einem Russen zu den Attacken angestiftet worden. In einem ersten Bericht des Magazins war von einem russischstämmigen Serben als Auftraggeber die Rede gewesen, was dann aber korrigiert wurde.
Über den Messengerdienst "Viber" habe der Auftraggeber den Angaben zufolge detaillierte Instruktionen für die Sabotageaktionen gegeben, zitierte das Magazin den Mitbeschuldigten weiter. Für jedes beschädigte Fahrzeug sei ihnen ein Honorar von 100 Euro versprochen worden. Mehrere tausend Euro seien dann auch gezahlt worden.
Gezielte Kampagne, um Hass auf die Grünen zu schüren
In Sicherheitskreisen war laut "Spiegel" von einer gezielten Kampagne die Rede mit der Absicht, im Bundestagswahlkampf Hass auf die Grünen und ihren Kanzlerkandidaten Habeck zu schüren. Das Magazin verwies auf Warnungen des Bundesamts für Verfassungsschutz vor einer möglichen Einflussnahme Russlands auf die vorgezogene Wahl am 23. Februar.
Eine offizielle Bestätigung für die Angaben des "Spiegel" lag zunächst nicht vor. Die Staatsanwaltschaft in Ulm hat nach eigenen Angaben inzwischen vier Tatverdächtige im Visier. Es handele sich um insgesamt 123 Sachbeschädigungen, sagte ein Sprecher. Die vier Männer seien 17, 18, 20 und 29 Jahre alt. Ihren Ausweispapieren zufolge handelt es sich um einen Deutschen, einen Serben, einen Rumänen und einen Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas. Die Ermittler in Baden-Württemberg gingen im Dezember zunächst von drei Tatverdächtigen aus. Bei den aus dem Raum Ulm stammenden Personen wurden Bauschaum und weitere Beweismittel beschlagnahmt, wie die Ermittler berichteten.
Bei Wohnungsdurchsuchungen in Ulm, dem Alb-Donau-Kreis sowie im Landkreis Günzburg im Beisein der mutmaßlichen Verdächtigen wurden den Angaben zufolge mehrere Dosen Bauschaum sowie weitere Beweismittel beschlagnahmt. Die jungen Männer machten bei der Vernehmung nur wenige Angaben, wie die Polizei damals weiter mitteilte. Das Trio kam nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wieder auf freien Fuß. Dem Bundesinnenministerium lägen bisher keine konkreten Hinweise auf russische Auftraggeber vor, die Ermittlungen dazu dauerten noch an, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Nach "Spiegel"-Informationen sollen die Verdächtigen per Chat angeworben sein.
Verfassungsschutz sieht seit Monaten Tendenzen russischer Sabotage
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz wertete den "Spiegel"-Bericht als Beleg, "wie hoch die derzeitige Bedrohungslage ist". Er bekräftigte Warnungen vor den Versuchen autoritärer Staaten, "allen voran Russland und China", Deutschland gezielt zu schwächen, "öffentliche Diskurse zu manipulieren und demokratische Willensbildungsprozesse bis hin zu Wahlen zu attackieren". Von Notz kritisierte vor diesem Hintergrund, dass CDU und CSU von der Bundesregierung vorgelegten "überfälligen sicherheitspolitischen Gesetzgebungen eine pauschale Absage erteilt hat".
Der Verfassungsschutz sieht bereits seit Monaten eine Tendenz, russische Akteure - teils aus dem kleinkriminellen Milieu - anzuwerben, die für Geld Spionage- und Sabotageaktionen durchführen. Ein Grund für diese Entwicklung ist nach Einschätzung deutscher Sicherheitsbehörden, dass der Einsatz professioneller Spione für Russland durch Sanktionen und eine erhöhte Wachsamkeit westlicher Nachrichtendienste erschwert ist.
Beispiele für solche Aktionen, bei denen im Auftrag Russlands ein gesellschaftlicher Konflikt zusätzlich befeuert werden sollte, waren nach Einschätzung westlicher Nachrichtendienste auch das Anbringen von Davidsternen auf Häuserwänden in Paris sowie eine Farbattacke auf eine Holocaust-Gedenkstätte in der französischen Hauptstadt.(dpa/afp/bearbeitet von skr)
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