Die Befürworter können es kaum erwarten, Kritiker warnen vor einem völlig falschen Schritt: Nach jahrzehntelangen Debatten kommt eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland in Sicht. Fragen und Antworten zum legalen Kiffen.
Der Bundestag soll die Gesetzespläne der Ampel-Koalition an diesem Freitag beschließen - es geht um keine komplette, sondern eine kontrollierte Freigabe mit zahlreichen Regeln. Voraussichtlich ab 1. April sollen Erwachsene so die ersten "erlaubten" Joints rauchen können. Doch unumstritten ist das ganze Vorhaben damit bei Weitem nicht.
Warum kommt überhaupt eine Legalisierung?
"Wir müssen die Cannabis-Drogenpolitik an die gesellschaftliche Realität anpassen, um den Schwarzmarkt zu bekämpfen und insbesondere Kinder- und Jugendliche zu schützen", sagt Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen. "Jenseits mancher empörter rhetorischer Rauchwolken zeigen die nüchternen Zahlen leider, dass ein reines Verbot nicht dazu führt, dass weniger Menschen Cannabis konsumieren – im Gegenteil, der Konsum gerade junger Menschen steigt." Minister
Wie wird die Legalisierung umgesetzt?
Cannabis wird im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Stoffe gestrichen. Der Umgang damit soll dann künftig zwar per Gesetz grundsätzlich verboten sein - aber mit drei festgelegten Ausnahmen für Personen ab 18 Jahren. Diese betreffen den Besitz bestimmter Mengen, den privaten Eigenanbau sowie Anbau und Weitergabe in speziellen Vereinen. Generell nicht zu den verbotenen Tätigkeiten zählt gemäß den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen der Eigenkonsum, wie es im Gesetzentwurf heißt. Tabu bleiben sollen der Umgang mit Cannabis und der Konsum in den militärischen Bereichen der Bundeswehr.
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Was genau soll für Volljährige künftig möglich sein?
Erlaubt werden soll der Besitz von bis zu 25 Gramm getrockneten Pflanzenmaterials zum Eigenkonsum, die man auch im öffentlichen Raum mit sich führen darf. In der privaten Wohnung soll der Besitz von bis zu 50 Gramm erlaubt werden. Angebaut werden dürfen dort auch gleichzeitig drei Pflanzen. Was darüber hinausgeht, muss sofort vernichtet werden. Geerntet werden darf nur zum Eigenkonsum, nicht zur Weitergabe an andere. Samen, Pflanzen und geerntetes Haschisch und Marihuana müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden - etwa mit abschließbaren Schränken und Räumen.
Wie sollen die Cannabis-Anbauvereine aussehen?
Erlaubt werden sollen auch "Anbauvereinigungen". Also so etwas wie Clubs für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben - pro Tag höchstens 25 Gramm Cannabis je Mitglied und im Monat höchstens 50 Gramm. Für 18- bis 21-Jährige sollen monatlich 30 Gramm mit höchstens zehn Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) zulässig sein, das ist der Stoff mit der Rauschwirkung. Die Clubs sind als nicht kommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Das Anbaugebäude darf keine Wohnung sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Anbauflächen und Lager müssen gesichert werden, für Transporte sind Regeln vorgesehen.
Welche Vorgaben gelten noch?
Um gemeinschaftlich angebautes Cannabis zu bekommen, muss man es persönlich vor Ort entgegennehmen - und dafür den Mitgliedsausweis und einen amtlichen Ausweis mit Foto vorlegen. Erlaubt ist nur Cannabis in Reinform, also als getrocknete Blüten und blütennahe Blätter (Marihuana) oder abgesondertes Harz (Haschisch). Verboten sind Mischungen oder Verbindungen mit Tabak, Nikotin oder Lebensmitteln. Die Verpackung muss neutral sein. Auf einem Infozettel müssen unter anderem das Gewicht in Gramm, die Sorte, der durchschnittliche THC-Gehalt in Prozent und Hinweise zu Risiken des Konsums aufgeführt werden. Ein Kaufpreis darf nicht verlangt werden, finanzieren sollen sich die Vereinigungen durch ihre Mitgliedsbeiträge. Geregelt sind auch Dokumentationspflichten und amtliche Kontrollen.
Was ist mit Kindern und Jugendlichen?
Für Minderjährige bleiben Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis komplett verboten, wie das Gesundheitsministerium betont. Weitergaben an Kinder und Jugendliche sind strafbar. Der Konsum "in unmittelbarer Gegenwart" von unter 18-Jährigen soll verboten sein, ebenso in Fußgängerzonen von 7.00 bis 20.00 Uhr. Kiffen wird auch auf Spielplätzen, in Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten und jeweils in Sichtweite davon - also in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich - untersagt. Zunächst waren 200 Meter angedacht.
Wie verbreitet ist Cannabis-Konsum eigentlich?
Dazu, wie viel Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken konsumiert wird, liegen laut Gesundheitsministerium noch keine validen Daten vor. Studien zufolge haben 4,5 Millionen Erwachsene nach eigenen Angaben in den zurückliegenden zwölf Monaten wenigstens einmal Cannabis konsumiert - bei Männern 10,7 Prozent und bei Frauen 6,8 Prozent. In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen war der Konsum demnach am stärksten verbreitet. Dabei bestehen Experten zufolge bis zum Alter von 25 Jahren wegen des noch anhaltenden Reifeprozesses des Gehirns besondere Risiken für psychische, physische und soziale Beeinträchtigungen.
Wie geht es weiter?
Nach dem angepeilten Bundestagsbeschluss kommt das Gesetz abschließend noch in den Bundesrat. Zustimmungsbedürftig ist es nicht. Prinzipiell könnte die Länderkammer aber den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und die Pläne so noch abbremsen. Begleitend zur Legalisierung prüft das Bundesverkehrsministerium gerade auch, wie ein THC-Grenzwert für Cannabis am Steuer gefasst werden könnte - ähnlich wie die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol. Nach Inkrafttreten des Gesetzes soll es auch eine Amnestie von Verurteilungen für Fälle geben, die künftig erlaubt sind. Eine geplante zweite Säule der Legalisierung hängt vorerst in der Warteschleife: Modellprojekte mit lizenzierten Geschäften. (dpa/phs)
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