In einem Manifest werfen Journalisten dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen Mangel an Meinungsvielfalt vor. Von Kollegen kommt jedoch auch Kritik an dem Vorstoß.

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Schwindende Meinungsvielfalt, Missachtung journalistischer Standards, schlechte Arbeitsbedingungen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio gehen mit ihren Arbeitgebern hart ins Gericht. In einem "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland" fordern sie grundlegende Reformen.

Den Text haben bisher namentlich 100 Personen unterschrieben, darunter auch einige Künstler und Wissenschaftler. Zu den bekanntesten Unterzeichnern dürften der ehemalige ARD-Talkmaster Jürgen Fliege, die Kabarettistin Lisa Fitz sowie die Politologin Ulrike Guérot zählen. Alle drei standen bereits wegen ihrer impfskeptischen Haltung während der Coronapandemie in der Kritik. Zusätzlich sollen 33 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) ihre Namen bei einem Anwalt hinterlegt haben. Was werfen die Unterzeichner dem ÖRR vor?

Manifest: "Zweifel an der Ausgewogenheit des Programms"

Zunächst stellen die Unterzeichner klar, dass sie "einen starken unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland als wesentliche Säule unserer Demokratie" schätzen. Andererseits konstatieren sie einen Vertrauensverlust der Menschen in den ÖRR. "Zweifel an der Ausgewogenheit des Programms wachsen", heißt es im Manifest.

In dem Text wird eine "Eingrenzung des Debattenraums" beklagt. Vom Mainstream abweichende Meinungen würden diffamiert und mundtot gemacht. Eine "innere Pressefreiheit" existiere in den Redaktionen nicht. "Dazu erschwert äußere Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und Lobbygruppen einen unabhängigen Qualitätsjournalismus."

Klage über schlechte Arbeitsbedingungen beim ÖRR

Ein entscheidender Kritikpunkt sind zudem die schlechten Arbeitsbedingungen beim ÖRR. Konkret geht es um großen Zeitdruck, Sparmaßnahmen und befristete Verträge. Dies führe dazu, "dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ihren journalistisch-ethischen Standards nicht mehr genügen können".

Parallel zum Manifest wurden auch zahlreiche Erlebnisberichte von ÖRR-Mitarbeitern veröffentlicht. In diesen wird unter anderem von einem "Klima der Angst" in den Redaktionen gesprochen. Da die Verfasser berufliche Konsequenzen fürchteten, seien die Beiträge überwiegend anonym veröffentlicht worden.

Journalistenverband übt Kritik am Manifest

Das wiederum kritisiert der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Der Bundesvorsitzende des DJV, Mika Beuster, nennt es ein "urjournalistisches Grundprinzip, kritische Berichte, Stellungnahmen und Kommentare mit dem eigenen Namen zu kennzeichnen". Der ÖRR müsse sich mit berechtigter Kritik auseinandersetzen, so Beuster. "Dafür muss aber auch klar sein, von wem das kommt."

Auch Carsten Pilger, freier Mitarbeiter beim Norddeutschen Rundfunk, äußerte Kritik an dem Manifest seiner Kollegen. Er habe "in der Liste der Unterzeichnenden wenig aktuelle ÖRR-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter entdeckt", schrieb Pilger auf dem Kurznachrichtendienst "X". Die Vorwürfe gegen den ÖRR stammten insbesondere "von ein paar elitären Talkshow-Lautsprechern und Parteigängern". Pilgers Fazit: "Da schreibt nicht die Basis, da schreibt der Elfenbeinturm". (jos)

Verwendete Quellen

  • Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland
  • Pressemitteilung des Deutschen Journalistenverbands: Ross und Reiter nennen
  • "X"-Profil von Carsten Pilger (Stand 4. April 2024)
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