Wie konnte es zu der verheerenden Detonation in Libanons Hauptstadt kommen? Eine Untersuchungskommission soll in wenigen Tagen erste Ergebnisse vorlegen. Kritiker sehen Fahrlässigkeit als Ursache.

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Nach der verheerenden Explosion in Beirut mit mehr als 130 Toten und Tausenden Verletzten geht die Suche nach der Ursache der Detonation weiter. Eine Untersuchungskommission der Regierung soll dem Kabinett innerhalb von fünf Tagen einen ersten Bericht vorlegen. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron will an diesem Donnerstag bei einem kurzfristig angesetzten Besuch in Beirut mit führenden Politikern des Landes zusammenkommen. Unter ihnen sind laut Medien Staatspräsident Michel Aoun und Regierungschef Hassan Diab.

Katastrophe löst Welle der Hilfsbereitschaft aus

Die Katastrophe löste eine Welle der Hilfsbereitschaft aus - so schickten mehrere Länder Rettungsmannschaften mit Spürhunden und Experten für die Bergung von Verschütteten. Am Mittwochabend traf eine Maschine mit Hilfsgütern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ein. Dem Land fehlen unter anderem medizinische Güter. Nach Angaben von Gesundheitsminister Hassan Hamad kamen am Dienstag mindestens 135 Menschen ums Leben, etwa 5.000 weitere wurden verletzt. Unter den Trümmern werden weitere Vermisste vermutet.

Die heftige Detonation am Dienstag zerstörte große Teile des Hafens, der für die Versorgung des Landes zentral ist. Beobachter warnen, die Versorgungskrise in dem Land am Mittelmeer könnte sich weiter verschärfen, da es stark von Importen abhängig ist. Die Detonation zerstörte auch Getreidesilos im Hafen. Auch die umliegenden Wohngebiete wurden stark beschädigt.

Nach der schweren Explosion in Beirut
Die undatierte Bildkombo zeigt die Docks des Hafens in Beirut vor und nach der gewaltigen Explosion in der libanesischen Hauptstadt. © cnes 2020, Distribu/PA Media/dpa

Der Libanon leidet seit Monaten ohnehin schon an einer schweren Wirtschaftskrise, die große Teile der Bevölkerung in die Armut getrieben hat. Präsident Aoun bat deshalb die internationale Gemeinschaft um schnelle Hilfe für sein Land.

Schäden am Beiruter Hafen haben Auswirkungen auf Syrien

Die großen Schäden am Beiruter Hafen könnten sich nach UN-Angaben auch auf die Lage vieler Menschen im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien auswirken. Der Hafen werde zum Umschlag von humanitären Hilfsgütern für das Bürgerkriegsgebiet genutzt, sagte ein Sprecher am Mittwoch in New York. "Dies wird unsere Fähigkeit zur Unterstützung in Syrien beeinträchtigen."

Macron, der bisher in Südfrankreich Ferien macht, hatte bereits unmittelbar nach der Katastrophe im Hafen von Beirut Unterstützung zugesagt. In Frankreich, das als frühere Mandatsmacht immer noch eng mit dem Libanon verbunden ist, löste die Katastrophe Trauer und Entsetzen aus. Macron will nun nach eigenen Angaben eine "Botschaft der Brüderlichkeit und der Solidarität der Franzosen" überbringen.

Ursache für Detonation in Beirut noch unklar

Die Ursache der Detonation in Beirut ist noch unklar. Sie steht möglicherweise in Verbindung mit großen Mengen Ammoniumnitrat, die jahrelang im Hafen ohne Sicherheitsvorkehrungen gelagert worden sein sollen. Kritiker prangern Fahrlässigkeit an und sehen auch ein Versagen der politischen Führung des Landes. Die Chemikalie wird vor allem als Düngemittel verwendet. Sie führte schon mehrmals zu tödlichen Explosionen und wurde auch bei Anschlägen eingesetzt.

Das Lagerhaus mit dem Material war in heruntergekommenem Zustand und hatte Risse in den Wänden, wie Behördenmitarbeiter der Nachrichtenagentur AFP sagten. Sicherheitskräfte hatten vergangenes Jahr eine Untersuchung geführt, weil aus dem Gebäude merkwürdige Gerüche gedrungen waren. Die Untersuchung gelangte zu dem Schluss, dass das "gefährliche" Material aus der Halle entfernt werden müsse. Dies geschah aber nicht.

Die Explosionen schürten in großen Teilen der Bevölkerung die Frustration über die Regierung. In den Onlinenetzwerken forderten viele Menschen den Rücktritt des gesamten Kabinetts. "Tretet ab!" erklärte der populäre Fernsehjournalist Marcel Ghanem. "Es sind Eure Niedertracht und Eure Nachlässigkeit, welche die Menschen getötet haben."

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(mgb/dpa/afp)

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