Deutschland und Europa schwitzen bei brütender Hitze. Das Thermometer richtet sich immer weiter gen 40-Grad-Marke aus - mit Folgen für Mensch und Natur. Ist das noch normal, oder werden Extrem-Temperaturen künftig zur Regel? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Gluthitze liegt zurzeit über weiten Teilen Europas und anderen Weltregionen.

In Griechenland kamen bei den schwersten Waldbränden seit Jahrzehnten etwa 80 Menschen ums Leben, auch in Schweden, Finnland und Lettland hat die Feuerwehr mit schweren Bränden zu kämpfen.

Wegen der Rekordhitze in Deutschland befürchten die Landwirte einen enormen Rückgang der Erträge. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Hitze noch normal ist und wie sie mit dem Klimawandel zusammenhängt.

Ganz normale Hitze oder Ausnahmezustand in Europa?

Brütende Hitze ist in griechischen Sommern normal, Nordeuropa ächzt derzeit aber unter für die Region ungewöhnlich hohen Temperaturen.

Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) sagt für das Gebiet von Irland über Skandinavien bis zum Baltikum bis mindestens Anfang August überdurchschnittliche Hitze voraus. Sogar am Polarkreis wurden diesen Sommer bereits 30 Grad gemessen.

In Schweden ist dieser Sommer so heiß wie seit mindestens 25 Jahren nicht mehr. Kein Wunder also, dass in dem skandinavischen Land Brände wüten, bei deren Bekämpfung auch deutsche Feuerwehrleute sowie andere EU-Länder helfen müssen.

Auch Sibirien hat derzeit mit einer Hitzewelle zu kämpfen, ebenso wie die USA. In Japan kletterte das Thermometer vergangene Woche auf über 35 Grad, 80 Menschen kamen seit Monatsbeginn durch die Hitze ums Leben.

Grundsätzlich gebe es immer wieder Hitzewellen in Teilen der Erde, sagt Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die gegenwärtige Hitze auf der gesamten nördlichen Erdhalbkugel sei allerdings äußerst ungewöhnlich.

Welche Folgen hat die Hitzewelle für Mensch und Natur?

Waldbrände wie in Schweden und Griechenland hinterlassen nur noch Schutt und Asche, doch auch der mangelnde Regen hat Auswirkungen.

Dem Deutschen Bauernverband zufolge zeichnen sich schon jetzt in Teilen des Landes große Ernteausfälle ab, weil etwa Getreide und Gras nicht ausreichend wachsen. Auch Tierfutter droht knapp zu werden.

Die eher ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) fordert einen Agrargipfel mit der Ernährungsbranche, um höhere Preise für die Bauern zu vereinbaren. Vertreter von Bund und Ländern treffen sich am kommenden Dienstag, um über die Folgen der Hitze und Dürre in vielen Regionen für die deutschen Bauern zu beraten.

Und die aktuellen Extremtemperaturen belasten auch Tiere: Rinder leiden unter der Hitze vermutlich mehr als Menschen: "Sie haben eine Wohlfühltemperatur zwischen 0 und 10 Grad Celsius", sagt der Rinderzüchter Jan Körte vom Unternehmen Rinderallianz in Woldegk (Mecklenburgische Seenplatte).

Wenn Temperaturen von 30 Grad und mehr länger anhalten, gehe auch die Milchleistung zurück. Zudem können Rinder einen Sonnenbrand bekommen - auf den weißen Flächen des Fells. "Man muss sie natürlich nicht eincremen", sagt Körte. Die Tiere müssten aber die Möglichkeit haben, in den Schatten zu gehen.

Ist die Hitzewelle eine Auswirkung des Klimawandels?

Einzelne Wetterextreme direkt auf menschliche Aktivitäten, also auf den Treibhausgasausstoß zurückzuführen, sei immer "sehr schwierig", sagt der französische Klimatologe Jean Jouzel.

Die jüngsten Wetterepisoden sind allerdings "kompatibel mit den langfristigen Tendenzen, die durch die Konzentration der Treibhausgase verursacht werden", wie die WMO bilanziert.

Björn Samset vom norwegischen Klima-Forschungszentrum Cicero erläuterte im norwegischen Sender NRK: "Wir hätten in jedem Fall einen heißen und trockenen Sommer gehabt, aber angesichts dessen, dass der Planet heute ein Grad wärmer ist als vor hundert Jahren, ist es schlimmer, als es sonst gewesen wäre."

Klimaforscher Levermann hebt hervor, dass die drei vergangenen Jahre die heißesten auf der Erde seit Beginn der Wetteraufzeichnungen waren. Damit laute die wichtigste Frage, ob Wetterextreme zunähmen, wenn die Menschheit den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid nicht zurückfahre. "Und die Antwort lautet: Ja", mahnt der Potsdamer Klimaforscher.

Was ist in den kommenden Jahren zu erwarten?

Laut einem Bericht des Weltklimarats IPCC aus dem Jahr 2012 ergaben Modellrechnungen, dass die Wetterextreme in den kommenden Jahren zunehmen. Und auch wenn die internationale Gemeinschaft das Pariser Klimaabkommen umsetze, das eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter vorsieht, würden Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Wirbelstürme demnach öfter auftreten und sich auf neue Gebiete ausweiten.

Eine Studie, die vergangenes Jahr im Fachblatt "Nature Climate Change" erschien, prognostiziert gar, dass selbst bei Einhaltung des Pariser Abkommens bis zum Jahr 2100 die Hälfte der Weltbevölkerung lebensgefährlichen Hitzewellen ausgesetzt sei - im Vergleich zu 30 Prozent der Menschheit heute.

Und wenn es heißer ist und trockener, brechen auch schneller Brände aus. In der europäischen Studie Peseta II schätzen Wissenschaftler, dass der Anteil der entflammbaren Flächen in Südeuropa im Laufe des 21. Jahrhunderts von 50 auf 100 Prozent anwachsen könnte.

Auch die Deutschen müssen sich auf zunehmend extremes Wetter einstellen. So sagte vergangene Woche ein Sprecher des Bundesumweltministeriums zu Klagen der deutschen Bauern über das Wetter, die Landwirtschaft sei schon vor Jahren darauf hingewiesen worden, dass sie sich auf "längere Trockenperioden einstellen" müsse. (mgb/afp/dpa)

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