• Die Nichtregierungsorganisation hat ihren jährlichen Bericht zur Lage der Menschenrechte in der Welt veröffentlicht.
  • Darin sind Informationen zur entsprechenden Situation im vergangenen Jahr in 154 Ländern versammelt.
  • In Deutschland kritisiert die NGO unter anderem Überwachungsgesetze und den Umgang mit Geflüchteten.

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Die Nichtregierungsorganisation Amnesty International kritisiert in ihrem neuen Jahresbericht die Menschenrechtslage in Deutschland. So hätten zum Beispiel sogenannte Hassverbrechen zugenommen, die Behörden aber "keine umfassende Strategie gegen auf Diskriminierung beruhende Gewalt" entwickelt. Die Maßnahmen, die beschlossen worden seien, würden zudem nicht reichen, um institutionellen Rassismus zu bekämpfen. Außerdem verhinderte die Politik den Angaben zufolge weiterhin eine Rechenschaftspflicht seitens der Polizei bei entsprechenden Übergriffen, da es im Berichtszeitraum 2021 "keine unabhängigen Beschwerdemechanismen zur wirksamen Untersuchung entsprechender Vorwürfe auf Bundes- und Landesebene gab".

Daneben äußert sich Amnesty International, das sich in dem seit 1976 erscheinenden Bericht mit der Menschenrechtslage in 154 Ländern befasst, auch zu anderen Aspekten der deutschen Politik. Eine Auswahl:

Überwachung

Mit Blick auf das Recht auf Privatsphäre erwähnt die Organisation das neue Bundesnachrichtendienstgesetz von März 2021. Dieses erlaubt demnach "die Massenüberwachung ausländischer Kommunikation und die Überwachung von Kommunikationsnetzen ohne Aufsicht, sofern diese den Zweck verfolgt, den Nutzen von Informationen für Ermittlungszwecke festzustellen." Zudem ist es den offiziell 19 deutschen Geheimdiensten inzwischen erlaubt, heimlich sogenannte Staatstrojaner auf Geräten zu installieren, mit denen auch verschlüsselte Kommunikation überwacht werden kann. Zu den befugten Behörden gehören der Bundesnachrichtendienst (BND), der Militärische Abschirmdienst (MAD) sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz inklusive aller 16 Landesämter. Sie alle
könnten Internetanbieter in solchen Fällen zur Kooperation verpflichten, an solchen Vorgängen mitzuwirken, heißt es in dem Bericht. Darüber hinaus sei es ihnen gestattet, technische Sicherheitslücken für die Installation entsprechender Software auszunutzen.

Das Lieferkettengesetz soll eigentlich Menschenrechte bewahren

Unternehmensverantwortung

Das sogenannte Lieferkettengesetz, das ebenfalls 2021 verabschiedet wurde, soll sicherstellen, dass deutsche Konzerne bei ihrer Produktion im Ausland Sorgfaltspflichten hinsichtlich Menschenrechten und Umweltschutz erfüllen. Diese Vorgaben gelten aber erst ab 2023 und nur ab einer Mitarbeiterzahl von 3.000. Dadurch habe das Gesetz nur eine begrenzte Reichweite, zumal es nicht für die gesamte sogenannte Wertschöpfungskette gelte, kritisiert Amnesty International. Außerdem enthalte es "keine Bestimmungen für ein besseres Recht auf Wiedergutmachung für Menschen, die infolge fehlender unternehmerischer Sorgfalt Menschenrechtsverstöße erfahren haben".

Waffenexporte

Der Bericht bezieht sich auf den Stopp von Waffenexporten an Saudi-Arabien, der infolge des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi 2018 verhängt und zuletzt verlängert wurde. Er habe 2021 wie in den Vorjahren jedoch offiziell nur das eine Land betroffen und nicht die anderen ebenfalls am Jemen-Krieg beteiligten Länder. "Der Export deutscher Bauteile für gemeinsame europäische Rüstungsprojekte, die für Saudi-Arabien bestimmt waren, blieb weiterhin erlaubt", so die Kritik weiter. Zum Jahresende hatte das Wirtschaftsministerium mitgeteilt, die Bundesregierung erteile "keine Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter an Staaten, solange diese nachweislich unmittelbar" an dem Krieg beteiligt sind.

Amnesty International kritisiert Abschiebungen nach Afghanistan

Gesundheit

Deutschland habe zwar unter anderem mehr als 80 Millionen Covid-19-Impfdosen an die COVAX-Initiative geliefert, die möglichst allen Ländern weltweit Zugang zu dem Impfstoff liefern soll. Gleichzeitig habe die Bundesregierung jedoch einen Vorschlag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für eine vorübergehende Freigabe entsprechender Patente blockiert, so die Verfasserinnen und Verfasser. "Außerdem unterließ sie es, Druck auf BioNTech auszuüben, dem gemeinsamen Technologie-Pool der WHO (...) für mRNA-Impfstoffe beizutreten, um Know-how und Technologien zu teilen und weltweit die Produktionskapazitäten auszubauen", schreiben sie.

In einem anderen Bereich wiederum, und zwar beim Thema Abtreibung, zitiert Amnesty International die Besorgnis zivilgesellschaftlicher Organisationen darüber, dass diese strafrechtlich geregelt werde. Die Bundesregierung will Paragraf 291a des Strafgesetzbuchs, der das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche regelt, streichen. Es gibt aber auch Paragraf 218, gegen den im vergangenen Jahr bundesweit Menschen protestierten. Ihm zufolge ist eine Abtreibung grundsätzlich für alle Beteiligten strafbar, es gibt aber Ausnahmen: Straflos bleibt sie beispielsweise dann, wenn "die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt (...) nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen". Der Eingriff muss in dem Fall innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis erfolgen.

Flucht und Migration

Deutschland hat nach Ansicht von Amnesty International durch die Abschiebung von 167 Menschen nach Afghanistan gegen das völkerrechtlich verankerte Non-Refoulement-Prinzip ("Grundsatz der Nicht-Zurückweisung") verstoßen. Dieses verbietet die "Ausweisung, Auslieferung oder Rückschiebung von Personen, wenn die Annahme besteht, dass ihnen im Zielland Folter, unmenschliche Behandlung bzw. schwere Menschenrechtsverletzungen drohen", wie es bei der Bundeszentrale für politische Bildung heißt. Am 11. August 2021 setzte die Bundesregierung entsprechende Abschiebungen angesichts der Machtübernahme der Taliban vorübergehend aus. Beim Thema Familienzusammenführung gibt die Organisation an, Verzögerungen bei entsprechenden Verfahren hätten "Anlass zu Bedenken hinsichtlich des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens" gegeben. Demnach mussten Antragstellende aus Afghanistan, Eritrea und Syrien mehr als ein Jahr lang auf einen ersten Termin in einer deutschen Botschaft warten, bevor sie einen solchen Vorgang starten konnten.

Verwendete Quellen:

  • Jahresbericht von Amnesty International zur Lage der Menschenrechte in der Welt
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