Die USA befinden sich im Krieg gegen den Terror. Einem Krieg, der seit Jahren Zehntausenden Menschen das Leben kostet. Mit einem Gegner, der sich nicht etwa hinter Bärten, Sturmhauben und der reinen Lust an Mord und Leid versteckt, sondern stolz und offen seine Herkunft verrät: Made in the USA.

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Die jüngste Amoktat von Oregon hat den USA einmal mehr auf grausame Weise den Spiegel vorgehalten: Der Gegner ist man selbst, Täter und Opfer zugleich. Die Ursache liegt in einem kollektiven Selbstverständnis, das in bizarrem Waffenfetischismus so etwas wie nationale Identität erkennen will und zur Verteidigung dieses Irrsinns gnadenlos über Leichen geht.

Von 2001 bis heute kamen im Kampf gegen den Terror außerhalb der USA von Afghanistan bis Irak etwa 7.000 amerikanische Soldaten ums Leben, rund 3.400 US-Bürger wurden bei Terrorakten getötet, allein 2.970 am 11. September 2001.

Massentötungen auf amerikanischem Boden

Nach Angaben des "Centers for Disease Control and Prevention" starben in diesen 14 Jahren also circa 10.400 US-Bürger durch Krieg und Terror.

Die Bundesbehörde erfasst in ihrer Statistik aber auch über 30.000 Todesopfer in den USA durch Schusswaffen, darunter rund 12.000 Morde - Jahr für Jahr. In den vergangenen 14 Jahren 156.000 Tote auf amerikanischem Boden (mit den Suiziden durch Schusswaffen steigt die Zahl auf über 400.000).

Amerika, so scheint es, läuft in den eigenen vier Wänden Amok und begeht moralischen Selbstmord. Das erkennt auch Barack Obama.

Obamas schallende Ohrfeige für die Nation

"Irgendwie ist das zur Routine geworden", stellte ein auffällig frustrierter US-Präsident am Tag nach dem erneuten Töten von Oregon fest.

Es ist der sage und schreibe 15. Amoklauf seiner Amtszeit. "Die Berichterstattung ist Routine, meine Antwort ist Routine", erklärte Obama und wählte dann bemerkenswert ehrliche Worte, die nicht mehr nur als ein weiterer Weckruf zu deuten sind, sondern als schallende Ohrfeige für eine ganze Nation: "Wir sind das einzige fortschrittliche Land auf Erden, das diese Art von Massenerschießung alle paar Monate erlebt - wir stumpfen ab!"

Ein Zustand, der durch aggressive Lobbyarbeit vorsätzlich herbeigeführt wurde. Denn der mächtigste Mann der Welt wirkt machtlos im eigenen Land, hilflos im Kräftemessen mit der National Rifle Association (NRA) und ihrer menschenverachtenden Ideologie, die NRA-Chef Wayne LaPierre in einem einzigen Satz zum Ausdruck bringt: "Das einzige, was einen bösen Menschen mit einer Waffe aufhält, ist ein guter Mensch mit einer Waffe."

Nach dieser perfiden Logik wird das Problem zu vieler Waffen allein mit noch mehr Waffen gelöst, der Teufel ergo mit dem Beelzebub ausgetrieben.

Brachialrhetorik gegen gesunden Menschenverstand

Doch obwohl nach jedem Blutvergießen in den USA Stimmen laut werden, die restriktivere Waffengesetze einfordern, werden sie letztlich von der zynischen Brachialrhetorik der NRA überbrüllt. Wenn Menschen mit Verstand in einer öffentlichen Debatte mahnend den Zeigefinger heben, ihre Gegner den Zeigefinger aber lieber am Abzug krümmen, dann ist das kein Duell mit gleichen Waffen mehr. Die einen argumentieren mit dem verzweifelten Verweis auf Mord und Totschlag, die anderen verweisen auf die durchschlagenden Argumente von Berretta und Sig Sauer, die allein Ordnung und Sicherheit versprechen würden.

Man darf es durchaus als Beleg für intellektuelle Rückständigkeit und historische Irrlichterei betrachten, dass Waffenlobby und politische Hardliner stets auf den 2. Verfassungszusatz verweisen, der es jeder amerikanischen Regierung verbietet, ihren Bürgern das Tragen von Waffen zu untersagen.

Dieser folgenschwere Passus der "Bill of Rights" datiert aus dem Jahr 1791 als Reaktion auf marodierende britische Soldaten, die einige Jahre zuvor während des Unabhängigkeitskrieges amerikanische Siedlungen terrorisiert hatten. Die NRA und ihre waffentreuen Unterstützer berufen sich folglich auf Umstände, die über 200 Jahre zurückliegen. Sie beschwören in strengeren Waffengesetzen einen Verfall von Recht und Ordnung herauf, während um sie herum gemordet, getötet und gestorben wird.

Die Ohnmacht des mächtigsten Mannes der Welt

Die USA müssen an diesem Punkt als Nation endlich das gewaltvolle Trauma ihrer Geburtswehen hinter sich lassen und im 21. Jahrhundert aufwachen, um "diese Art von Massengewalt" (Obama) sowie den aggressiven Einfluss der Waffenlobby zu beenden.

Barack Obama hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, wie unerträglich er das gegenseitige Töten im eigenen Land findet. Er hat genug von der Pflicht, sich vor eine Nation zu stellen, um die Opfer zu betrauern und das Unfassbare zu erklären, obgleich es schon viel zu lange nichts mehr zu erklären gibt.

Obama ist frustriert, beinahe desillusioniert, da bislang all seine Vorschläge zu Gesetzesverschärfungen von der Waffenlobby erst torpediert und dann vom Kongress versenkt wurden. Nach dem Amoklauf von Oregon liegt es also einmal mehr an den Bürgern selbst, sich gegen diesen vorsätzlichen Wahnsinn zu solidarisieren, um ein Gegengewicht zu bilden und Druck aufzubauen.

Bis dahin kann der mächtigste Mann der Welt nur hoffen, nicht alsbald schon wieder ohnmächtig vor die Kameras treten zu müssen - dann bereits zum 16. Mal. "Aber basierend auf meinen Erfahrungen als Präsident", so Obama, "kann ich das nicht garantieren."

Aber er könnte die verblendeten Waffennarren an die Gefahr erinnern, dass selbst in "Gods Own Country" der alttestamentarische Grundsatz "Auge um Auge, Zahn um Zahn" mit der Zeit unweigerlich jeden blind und alle sprachlos machen wird.



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