Jahrelang arbeiten – doch am Ende reicht die Rente nicht aus. Das sorgt bei vielen Menschen für Angst und das Gefühl der Ungerechtigkeit – ein wunderbarer Nährboden für pauschale und teilweise falsche Behauptungen, die gerne und weit verbreitet werden.
Immer wieder fragen unsere Leser uns, ob wir bestimmte Behauptungen zur Rente prüfen können. Oder sie melden sie auf Facebook als potenzielle Falschmeldung. So auch einen Beitrag über Rente auf Grundsicherungsniveau. Darin wurde behauptet, dass selbst nach 45 Jahren Arbeit mit einem Bruttoverdienst von 2.500 Euro am Ende nur 795 Euro herauskommen sollen. Dieser prekären Lage sei jeder zweite Deutsche ausgeliefert.
Unsere Recherche zeigte: Die Zahlen stimmen nicht ganz. Hier sind die Fakten.
Verdient jeder Zweite weniger als 2.500 Euro brutto pro Monat?
Wir prüften zuerst, wie viele Beschäftigte in Deutschland weniger als 2.500 Euro im Monat verdienen. Die Behörde, die solche Daten sammelt, ist die Bundesagentur für Arbeit.
Deren aktuellste Zahlen über den Verdienst sozialversicherungspflichtig Beschäftigter stammen aus dem Jahr 2018. Demnach verdienten ungefähr 45 Prozent 2.500 Euro oder weniger. Ungefähr 50 Prozent, also jeder Zweite, verdiente bis zu 2.700 Euro.
Fazit: Die Behauptung war nicht ganz akkurat, aber auch nicht extrem übertrieben – zumindest für das Jahr 2018.
Wie hoch ist die Grundsicherung?
Wenn die Rente sehr niedrig ist, können Menschen Anspruch auf Grundsicherung haben. Laut der Behauptung auf Facebook beträgt sie 795 Euro. Allerdings gibt es keinen Pauschalwert, wie Daten des Statistischen Bundesamts zeigen – sondern sie hängt von verschiedenen Faktoren ab und schwankt oft von Monat zu Monat. Die aktuellsten Zahlen stammen aus dem dritten Quartal 2019. Da lag sie durchschnittlich bei 808 Euro (Stand: September 2019).
Fazit: Die Behauptung ist nicht ganz korrekt, aber die behauptete Zahl kommt der tatsächlichen sehr nahe.
Wer bekommt eine Rente um die 795 Euro?
Der Beitrag behauptet weiter, dass eine Person ungefähr 795 Euro erhalte, wenn sie 45 Jahre lang mit einem Gehalt von 2.500 Brutto in die Rentenkasse eingezahlt habe.
Das haben wir mit einer Pressesprecherin der Deutschen Rentenversicherung besprochen.
Sie teilte uns mit, dass es bei der Rentenberechnung auf das Verhältnis zwischen dem Verdienst des Beitragszahlers und dem durchschnittlichen Lohn des jeweiligen Jahres ankomme. "Versicherte, deren Verdienst genau in Höhe des Durchschnittsverdienstes liegt, erhalten einen Entgeltpunkt", schreibt sie.
Per E-Mail schickte sie uns ein Beispiel:
"Wer in heutigen Gegebenheiten 2.500 Euro brutto im Monat verdient – und das für die nächsten 45 Jahre – würde am Ende eine Nettorente von 979 Euro erhalten."
Die Sprecherin schrieb außerdem: "Um nach 45 Arbeitsjahren eine Nettorente in Höhe von 795 Euro zu erwerben, müsste aus heutiger Sicht der Bruttoverdienst bei rund 2.000 Euro monatlich liegen."
Das waren im Jahr 2018 laut Bundesagentur für Arbeit etwa 32 Prozent. Aus heutiger Sicht würde also fast ein Drittel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach 45 Beitragsjahren eine Nettorente von 795 Euro oder weniger erhalten.
Ob sich die Lage bald ändert, zum Beispiel mit der geplanten Grundrente, ist noch offen. Der Gesetzentwurf dazu soll am 19. Februar im Bundeskabinett besprochen werden.
Fazit: Diese Behauptung ist nicht korrekt.
Wir vergaben für den Facebook-Beitrag die Bewertung "teilweise falsch". Denn die verfügbaren Daten stützen die Behauptungen nicht vollkommen: So verdient nicht jeder zweite Deutsche weniger als 2.500 Euro, sondern 45 Prozent. Mit einem solchen Verdienst würde man nach 45 Jahren auch nicht 795 Euro verdienen, sondern rund 979 Euro. Für eine Rente von ungefähr 795 Euro müsste man 45 Jahre lang 2.000 Euro verdienen. Das traf im Jahr 2018 auf rund ein Drittel der Beschäftigten zu.
Rente allein ist nicht genug
Das Bundesministerium für Arbeit schrieb uns noch, die Rente allein reiche nicht, es müsse auch privat vorgesorgt werden: "Bei der Betrachtung dieser Werte ist zu berücksichtigen, dass die gesetzliche Rentenversicherung zwar die Hauptsäule, aber nicht die alleinige Basis der Alterssicherung in Deutschland ist. Um den Lebensstandard auch im Alter angemessen aufrechtzuerhalten, ist eine ergänzende Absicherung notwendig."
Alle Hintergründe und Quellen zu diesem Faktencheck lesen Sie hier: 45 Jahre gearbeitet und trotzdem nur 795 Euro Rente - das trifft nicht auf die Hälfte aller Deutschen zu
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