Seit Jahren klettern die Mieten in vielen Städten immer höher. Manche Beobachter sehen allmählich eine Schmerzgrenze erreicht. Für eine Trendwende spricht aber wenig - im Gegenteil.
Der Deutsche Mieterbund rechnet auch nach Jahren des Immobilienbooms mit weiter steigenden Mieten. "Ich sehe noch keine Trendwende", sagte Präsident Lukas Siebenkotten der Deutschen Presse-Agentur. 2020 könnten die ortsüblichen Vergleichsmieten in Deutschland im Schnitt um 2,5 bis 3,5 Prozent zulegen: "Es mag eine Verlangsamung geben in manchen Städten, aber solange es Menschen gibt, die die steigenden Mieten bezahlen, geht es weiter nach oben."
Der Mieterbund-Präsident fordert von der Politik mehr Eingriffe - ähnlich wie in Berlin, wo der Senat einen Mietendeckel beschlossen hat. "Hilfreich wäre es, wenn der Bund gesetzlich den Anstieg der Mieten über fünf Jahre auf die Inflationsrate begrenzen würde."
Begleitend müsse der Neubau angekurbelt werden, etwa bei geförderten Wohnungen. Derzeit würden jährlich rund 27.000 Sozialwohnungen in Deutschland errichtet, während etwa 60.000 aus der Sozialbindung fielen. Gut ein Jahr nach dem Wohngipfel von Politik und Immobilienbranche tue sich zu wenig, kritisierte Siebenkotten. Auch Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund, fordert mehr Sozialwohnungen.
Mehr bezahlbarer Wohnraum gefordert
"Bund, Länder und Kommunen müssen deutlich mehr Geld für bezahlbaren Wohnraum ausgeben, um jährlich mindestens 100.000 preis- und belegungsgebundene Wohnungen zu bauen."
Tatsächlich hat die große Koalition ihr Ziel von jährlich 375.000 neuen Wohnungen verfehlt: 2018 wurden nur rund 287.000 errichtet. Zugleich strömen seit Jahren gerade junge Menschen und Zuwanderer in die Städte - allen voran nach Leipzig, Frankfurt und Berlin, erklärte jüngst das Statistische Bundesamt. Das treibt die Mieten hoch, während in abgelegenen Regionen massenhaft Wohnungen leer stehen.
7,29 Euro pro Quadratmeter
Der Anstieg der Mieten hat sich im dritten Quartal laut dem Hamburger Gewos Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung fortgesetzt, wenn auch nicht weiter beschleunigt. Deutschlandweit seien die Neuvertragsmieten im Schnitt auf 7,29 Euro je Quadratmeter kalt gestiegen - 3,7 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im dritten Quartal 2018 waren die Mieten mit 3,8 Prozent ähnlich gewachsen.
"Die Dynamik bei den Mieten hat nur minimal nachgelassen", sagte Gewos-Geschäftsführerin Carolin Wandzik. Von einer Trendwende könne bislang keine Rede sein. Ausgewertet hatte Gewos Inserate auf dem Portal Immobilienscout24 zu Standardwohnungen mit 3 Zimmern in mittlerer Lage und Ausstattung. Das Baualter lag bei 30 Jahren.
Metropolen werder immer teurer
Besonders kräftig stiegen die Mieten demnach in den sieben größten Städten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf: Um satte 5,2 Prozent auf 12,42 Euro kalt je Quadratmeter. Die Neuvertragsmieten bilden nur einen Teil des Immobilienmarktes ab, zeigen aber die Richtung. Im Bestand sind die Mieten meist niedriger.
Zuletzt hatten einige Experten ein Abflachen der Mietsteigerungen gesehen. "Der Mietwohnungsmarkt schreitet mit Siebenmeilenstiefeln dem Ende des Zyklus entgegen", verkündete vor einigen Wochen der Immobilienspezialist Empirica mit Blick auf Städte wie München und Hamburg. Dort deute sich bei den Angebotsmieten eine Stagnation an.
In einigen der teuersten Städte Deutschlands seien die Neuvertragsmieten im dritten Quartal gar gefallen, teilte ferner der Immobilienspezialist F+B mit, der Städte und Gemeinden bei der Aufstellung von Mietspiegeln unterstützt. Die Rede war von Rückgängen von 0,5 Prozent in Karlsruhe bis 2,5 Prozent in Esslingen.
Schwächerer Anstieg
F+B-Geschäftsführer Bernd Leutner sprach von einer Marktberuhigung. Im Bestand seien die Mieten nach jüngsten Mietspiegel-Daten für 2019 um 1,8 Prozent gestiegen, im Vorjahr waren es 2,2 Prozent. Auch die ortsüblichen Vergleichsmieten wüchsen "nicht mehr in den Himmel".
Ist nun die Schmerzgrenze erreicht? "Ob die Mieten weiter steigen oder nicht, hängt nicht von deren Höhe ab", sagte Stefan Mitropoulos, Immobilienexperte bei der Landesbank Helaba. Entscheidend seien Angebot und Nachfrage. Berichte über sinkende Angebotsmieten will er nicht überbewerten. "In manchen sehr teuren Teilmärkten mag es das geben, aber nicht in der Breite." Statt einer Trendwende sieht er eine Verschiebung von Zentren mehr an die Ränder der Ballungszentren.
Nicht nur Großstädte betroffen
"Nicht nur Metropolen, sondern auch Städte mit 50.000 oder 100.000 Einwohnern ziehen Fachkräfte an und werden zu regionalen Zentren mit zunehmender Wohnungsknappheit", sagte Wandzik von Gewos. Zugleich kletterten im Umland der Großstädte die Mieten besonders stark. "Da schwappt ein enormer Druck über." Wandzik erwartet auch im kommenden Jahr keinen Rückgang der Mieten. "Mit dem starken Arbeitsmarkt ziehen viele Fachkräfte in die Städte und mit einer stabilen Konjunktur steht Deutschland im europäischen Vergleich gut da."
Ähnlich sieht das Helaba-Experte Mitropoulos. Nach wie vor werde zu wenig gebaut, während die Niedrigzinsen Immobilienkredite billig machten und der Zuzug in die Städte ungebrochen sei. "Die Treiber des Immobilienbooms sind intakt. Da wird es 2020 kein neues Bild geben." (mss/dpa)
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