Antibiotika für Kinder sind knapp. Der Apothekerverband plädiert deshalb für eine nationale Antibiotika-Reserve. Lauterbachs Pläne im Kampf gegen das Problem sieht der Verband derweil skeptisch.

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Vor dem Hintergrund von Versorgungsengpässen bei Arzneimitteln insbesondere für Kinder fordert der Apothekerverband den Aufbau einer nationalen Antibiotika-Reserve. "Der Staat sollte wie beim Impfstoff feste Abnahmemengen zusagen, damit könnte der Versorgungsmangel geheilt und eine nationale Antibiotika-Reserve aufgebaut werden", sagte der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, der "Rheinischen Post".

Zu den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Behebung der Engpässe äußerte Preis sich unterdessen skeptisch. Dass der Bund einen Versorgungsmangel bei Antibiotika für Kinder erklärt habe, zeige zwar "den Ernst der Lage", sagte Preis. Dass dadurch nun der Import von Antibiotika "in größerem Stil" aus dem Ausland möglich werde, werde jedoch "kaum nützen", da auch in anderen EU-Ländern Antibiotikasäfte für Kinder knapp seien.

Die Erlaubnis für Apotheker, nun selbst Antibiotika-Säfte herzustellen, werde "wirkungslos bleiben", da Rohstoffe wie Antibiotika in Tablettenform ebenfalls knapp seien. "Der Aufwand für die Apotheker wird immer größer, alternative Präparate zu finden", sagte Preis.

Versorgungsmangel ausgerufen

Die Versorgungsmangel war am vergangenen Dienstag (25. April) ausgerufen worden. Mit der Bekanntmachung des Mangels im Bundesanzeiger werde es Landesbehörden ermöglicht, flexibler auf Lieferengpässe zu reagieren, teilte das Bundesgesundheitsministerium in Berlin mit.

Die Feststellung eines Versorgungsmangels durch das Ministerium ist Voraussetzung dafür, dass Landesbehörden im Einzelfall und befristetet von Vorgaben des Arzneimittelgesetzes abweichen dürfen, wie es in einer generellen Erläuterung des Bundesinstituts heißt.

Zum Beispiel dürften Behörden Chargen von Arzneimitteln freigeben, auch wenn sie nicht die letztgenehmigte Version der Packungsbeilage haben. Der Deutsche Apothekerverband sprach von einem überfälligen Schritt und forderte von den Behörden möglichst wenig Bürokratie.

Dieser Mechanismus habe in Kraft gesetzt werden können, weil beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Art Frühwarnsystem eingerichtet sei. Das Frühwarnsystem soll mit einem Gesetzentwurf ausgebaut werden, den das Kabinett Anfang April auf den Weg gebracht hat, erläuterte das Ministerium.

Gesetz soll Medikamenten-Versorgung verbessern

Lauterbachs Gesetzentwurf sieht eine ganze Reihe weitere verschiedener Maßnahmen zur Behebung des Problems vor. Das Kabinett hatte Lauterbachs sogenanntes Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz Anfang April beschlossen.

Es muss aber noch durch Bundestag und Bundesrat. Es soll Herstellern ermöglichen, höhere Abgabepreise für Kindermedikamente in Deutschland zu verlangen, sodass sich Lieferungen nach Deutschland mehr lohnen. Die Kosten für die medizinische Versorgung dürften dadurch steigen, was die Krankenkassen scharfe kritisieren.

Außerdem sollen Vorräte für wichtige Medikamente für drei Monate angelegt werden, bei Antibiotika soll sogar eine Reserve für sechs Monate aufgebaut werden. Zudem sollen bei Antibiotika Hersteller, die Wirkstoffe in Europa produzieren, stärker zum Zug kommen.

Arzneimittel-Hersteller sehen strukturelles Problem

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller hält das Gesetz allerdings nur in Teilbereichen für hilfreich. "Damit könne man das Problem der Verfügbarkeit von Kinderarzneimitteln lösen. Generell werde das Gesetz aber "nicht helfen, die Situation in Deutschland zu verbessern", sagte Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz dem ZDF-"Morgenmagazin" am Dienstag.

Es handele sich auch um ein strukturelles Problem: ein über die Jahre hinweg kaputt gesparter Markt, der das Preisniveau bei patentfreien Arzneimitteln so gedrückt habe, dass eine Reihe von Herstellern den Markt verlassen habe. Der Verband forderte einen Inflationsausgleich im Arzneimittelbereich.

Kinderärzte in mehreren europäischen Ländern hatten zuletzt in einem Brandbrief an die Politik appelliert, etwas gegen die schlechte Versorgungslage zu unternehmen. Knapp waren nicht nur Fiebersäfte, sondern auch Antibiotika. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Patientenschutz gibt es nicht nur bei Kinderarzneimitteln Probleme, sondern generell auch bei Blutfettsenkern, Blutdruckmitteln und sogar Krebsmedikamenten.

Mehrere Bundesländer lockern deshalb nun die Einfuhr-Regeln bei Antibiotika-Säften für Kinder. In Bayern wird etwa vorübergehend die Einfuhr von eigentlich in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln erlaubt. Damit könnten "Pharmagroßhändler, Pharmafirmen und Apotheken unbürokratisch handeln", erklärte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Samstag. (afp/dpa/thp)

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