Mit seiner Aktion während der Pressekonferenz anlässlich des Erdogan-Staatsbesuchs im September hat der Journalist Ertugrul Adil Yigit für großen Wirbel gesorgt. Nach seinem lautstarken Protest für Pressefreiheit wurde er von Sicherheitskräften aus dem Saal gebracht und zog den Zorn des türkischen Staatspräsidenten auf sich. Nun soll der seit 36 Jahren in Deutschland lebende Berichterstatter ausgewiesen werden.
Deutschland weist zu Ende Januar den türkischen Regierungskritiker und Journalisten Ertugrul Adil Yigit aus, der durch eine Protestaktion im Kanzleramt für Aufsehen gesorgt hatte. Am Freitag habe er den Bescheid bekommen, sagte Yigit (60) der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. Er führt die Entscheidung auf seinen Protest während einer Pressekonferenz des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit
Damals trug der in Hamburg lebende Journalist ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift "Gazetecilere Özgürlük - Freiheit für Journalisten in der Türkei". Als es zu Unruhe kam, griffen deutsche Sicherheitskräfte ein und brachten Yigit aus dem Saal. Erdogan lächelte.
"Das hängt zusammen, anders kann es gar nicht sein", sagte Yigit, der nach eigenen Angaben seit 36 Jahren in Deutschland lebt. Am Montag habe er einen Anwaltstermin, "denn gegen diese Entscheidung werde ich Schritte einleiten". Schon im vergangenen Jahr habe er nach mehreren Verlängerungen seiner Aufenthaltsgenehmigung einen ähnlichen Bescheid bekommen. Damals habe der Chef der Hamburger Ausländerbehörde ihm versprochen, man werde schon eine Lösung finden, sagte Yigit. Nun werde nur einen Monat nach seiner Protestaktion im Kanzleramt die Verlängerung seines Aufenthaltstitels abgelehnt.
Regierungssprecher Steffen Seibert hatte das Vorgehen der Ordner während der Pressekonferenz im September verteidigt. "Wir halten es bei Pressekonferenzen im Kanzleramt wie der Deutsche Bundestag: keine Demonstrationen oder Kundgebungen politischer Anliegen", schrieb er damals auf Twitter. "Das gilt völlig unabhängig davon, ob es sich um ein berechtigtes Anliegen handelt oder nicht."
In dem Ausweisungsbescheid des Bezirksamts Hamburg-Mitte vom 22. Oktober, Fachbereich Ausländerangelegenheiten, der der dpa vorliegt, heißt es, Yigit müsse zum 22. Januar 2019 ausgereist sein oder er werde auf eigene Kosten abgeschoben. Als Gründe für die Ausweisung geben die Mitarbeiter der Behörde an, dass er nicht erwerbstätig sei und die "familiäre Lebensgemeinschaft" mit seinen deutschen Kindern nicht mehr bestehe.
Zuerst hatte die "taz" über die Ausweisung berichtet. Yigit schreibt für sie als Kolumnist. Außerdem gibt Yigit die regierungskritische Onlinezeitung "Avrupa Postasi" heraus. "Natürlich fürchte ich mich, wenn ich abgeschoben werde", sagte er. "In der Türkei werden Journalisten zum Schweigen gebracht."
Nach dem gescheiterten Putschversuch 2016 hat die türkische Regierung Zehntausende angebliche Staatsfeinde, darunter Journalisten, Akademiker und Menschenrechtler, festnehmen lassen und viele Medienhäuser geschlossen oder auf Regierungslinie gebracht. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sitzen Dutzende Journalisten in türkischen Gefängnissen.
Türkischer Präsident hat Yigit im Blick
Yagit sagt, Erdogan habe nach seinem Auftritt im Kanzleramt noch mehrmals öffentlich über ihn gesprochen. In einer Rede Erdogans vor Abgeordneten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara am 2. Oktober, nur wenige Tage nach dem Deutschlandbesuch, ist auch tatsächlich diese Passage zu finden: "Mitglieder von Fetö und PKK haben alles getan, um diesen Besuch zu sabotieren. Da gab es einen Flegel, einen Lump, der die Pressekonferenz der Kanzlerin und mir stören wollte. Die deutsche Polizei hat ihn gepackt und rausgeschmissen. Es liegt sowieso auf der Hand, wessen Gehilfe er ist, das muss man nicht noch sagen."
Fetö ist eine Bezeichnung für die Bewegung um den Prediger Fethullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch von 2016 verantwortlich macht. Die PKK ist eine kurdische Untergrundorganisation, deren Mitglieder und Sympathisanten vom türkischen Staat als Terroristen und Terrorunterstützer verfolgt werden.
In einem Interview mit der "Zeit" erzählte Yigit Ende September, dass er für seine Aktion aus der Türkei viele Glückwünsche bekommen habe - aber auch Drohungen: "Ich sei ein Agent der Deutschen, (...) schreiben mir Facebook-Nutzer", sagte Yigit in dem Interview. "Lauter wüste Beschimpfungen, es werden immer mehr." (mc/dpa)
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