• Die Rente und ihre künftige Ausgestaltung spielt im diesjährigen Bundestagswahlkampf eine große Rolle.
  • Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat im Interview mit der "Bild" gefordert, auch Beamte in die Rentenkasse einzahlen zu lassen.
  • Ist das sinnvoll? Experten streiten über den Vorstoß.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Horror-Prognosen in den vergangenen Wochen haben dem Thema Rente wieder jede Menge Aufmerksamkeit verschafft: Ökonomen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hatten die Anhebung des Rentenalters auf 70 Jahre ab 2052 gefordert, Vorschläge für die Rente mit 68 seien nicht ausreichend, um den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung zu stabilisieren.

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Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) heizte mit einem anderen Vorschlag die Debatte weiter an: Auch Beamte sollen in die Rentenkasse einzahlen. Im "Bild"-Interview sagte er: "Eine gemeinsame Rentenkasse für Angestellte, Selbstständige und auch Beamte halte ich langfristig für den richtigen Weg."

Beamten-Pension kurz erklärt

Im aktuellen System bekommen verbeamtete Berufsgruppen wie beispielsweise Richter, Pfarrer, Berufssoldaten oder Lehrer im Alter in der Regel eine Pension gezahlt. Bei der gesetzlichen Rente gilt ein Äquivalenzsystem – je mehr und länger Beiträge gezahlt werden, desto höher fallen am Ende die Bezüge aus. Für ihre Pension müssen Beamte aber vorher keine Beiträge zahlen, die Höhe hängt von den Dienstjahren ab.

Insgesamt sind die Bezüge von Beamten im Alter deutlich höher – Bundesbeamte bekamen 2019 im Durchschnitt 3160 Euro Pension im Monat, während Arbeitnehmer nach 35 Jahren Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung auf durchschnittlich 1413 Euro Rente kamen. Beamte müssen allerdings ihre Pension voll versteuern. Maximal erhalten Beamte 71,75 Prozent ihres Bruttogehalts als Pension. Dieses Privileg ist im Grundgesetz in Art. 33 Abs.5 verankert und verpflichtetet den Dienstherren, lebenslang für einen angemessenen Unterhalt von Beamten und ihren Familien aufzukommen.

"Konkretes Konzept fehlt"

"Die Einzahlung von Beamten in die gesetzliche Rentenkasse ist vollkommen abwegig", findet Reinhold Schnabel. Als verbeamteter Hochschullehrer wird er häufig angegriffen, wenn er sich zu dem Thema äußert, sagt aber: "Der Vorschlag ist ein Schuss in den Ofen und würde die gesetzliche Rente nicht stabilisieren".

Denn auch, wenn durch die Beamten mehrere Milliarden in die gesetzliche Rentenversicherung fließen würden – die Beamten würden die Kasse gleichzeitig mit Rentenansprüchen belasten. "Die Beamten könnten ja nicht Beiträge an ein Versicherungssystem leisten, ohne auch Renten ausbezahlt zu bekommen", erinnert er.

Schnabel fehlt außerdem ein konkretes Konzept. "Es gibt kein Modell, welches erklärt, wer ab wann einzahlen soll, wie der Übergang gestaltet wird und wie viel ausgezahlt wird", sagt der Wirtschaftswissenschaftler.

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Mehr Gerechtigkeit bei Finanzierung?

Verena Bentele ist Präsidentin des Sozialverbandes VDK. Sie befürwortet den Vorstoß von Heil. "Wenn Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen, sorgt das für mehr Gerechtigkeit innerhalb der Rentnergeneration", findet sie. Derzeit gebe es nur eine Diskussion über die Generationengerechtigkeit in der Rente, dass die Pensionen der Beamten aber auch aus den laufenden Steuereinnahmen gezahlt werde, blende man aus.

Schnabel glaubt hingegen, dass der Vorstoß Ausdruck einer Neiddebatte ist. "Ich glaube, da steckt der Versuch hinter, zu sagen: Beamte bekommen eigentlich zu viel Geld. Dann sollte man das aber auch klar formulieren", fordert der Experte. Neben der SPD befürworten auch die Linkspartei und die Grünen die Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung. FDP, CDU und AfD sprechen sich dagegen aus.

Mehr Beitragseinnahmen

"Wenn die Rentenversicherung mit den Pensionen belastet würde, wäre das ein sehr schlechtes Geschäft", sagt Schnabel. Der Übergang, so schätzt er, dürfte 40 bis 50 Jahre dauern. "In dieser Zeit nur Rentenbeiträge einzuzahlen ohne gleichzeitige Gegenleistung, führt zu einer Doppelbelastung von Bund, Ländern und Kommunen, die ja die Pensionen auf Jahrzehnte weiterzahlen müssen."

Bentele aber sagt: "Es würden nicht von heute auf morgen alle Bestandsbeamten in die Rentenkasse kommen, sondern nur die neuen Beamten. Dadurch gäbe es erstmal nur Einnahmen, keine Ausgaben". Gleichzeitig gibt sie aber zu: "Die Einnahmen sind anfangs niedrig, weil es wenige neue Beamte sind." Dennoch erhöhten sich die Beitragseinnahmen, wenn auch Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen müssten.

Versorgungswerk für Beamte

Zwar gingen auch Beamten irgendwann in Rente und die Ausgaben der Rentenkasse würden dann wieder steigen, der richtige Zeitpunkt sei aber jetzt gekommen: "Denn jetzt gehen die Baby-Boomer in Rente. Zahlen jetzt Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung ein, hilft das, dies aufzufangen", sagt Bentele. Wenn die Beamten dann auch Rente bekämen, sei das Verhältnis Junge zu Alte wieder besser.

Schnabel hält die Reform nur für umsetzbar, wenn nur neue Verbeamtete betroffen wären und dann einen Teil ihrer Pension im Alter von der Rentenversicherung erhielten. "Diese müsste dann vom Dienstherren – dem Staat – über eine Art Versorgungswerk auf den beamtenrechtlichen Stand aufgestockt werden", fordert er.

Renten aus dem Steuertopf

Was seiner Meinung nach in der öffentlichen Debatte vergessen wird: Schon heute wird etwa ein Drittel der gesetzlichen Renten aus dem Steuertopf bezahlt – in den auch Beamte einzahlen. "Beamte sind über den Bundeszuschuss also beteiligt und tragen mit ihren Steuern die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung mit", sagt er.

Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen schließt sich an: "Ich halte eine solche gemeinsame Rentenkasse nicht für sinnvoll. Man muss sich daran erinnern, warum Beamte dieses Privileg haben", sagt er. So hätten Beamte kein Streikrecht, könnten auf Anweisung versetzt werden und würden ihre Pensionsansprüche verlieren, wenn sie einfach kündigten.

Forderung: Weniger Beamte

Er rät deshalb, an anderer Stelle anzusetzen: "Wir brauchen weniger Beamte", glaubt er und sagt selbst: "Lehrer und Hochschullehrer müssen nicht verbeamtet werden, das geht auch im Angestelltenverhältnis". Auf diesem Wege könne man mehr Beitragszahler für die gesetzliche Rentenversicherung schaffen.

Warum das für Dienstherren nicht attraktiv ist, erklärt Bentele: "Im Moment ist es doch so: Landesfinanzminister sparen Geld, wenn sie Lehrer verbeamten, denn für deren Renten müssen ihre Nachfolger in 30 Jahren aufkommen", sagt sie. Dadurch, dass Beamte heute keine Rentenbeiträge zahlen würden, seien sie für Arbeitgeber – bei gleichem Gehalt – billiger. "Das ist nicht nachhaltig", betont die Expertin. "Beamte müssen, genau wie Angestellte, gut bezahlt werden. Aber das lässt sich zum Beispiel über eine betriebliche Altersvorsorge lösen", findet sie.

Ein Vorbild sieht sie bei Deutschlands Nachbarn: "Österreich hat 2005 mit der Einbeziehung der Beamten angefangen. Es geht also. Dort ist das Rentenniveau viel höher als in Deutschland".

Über die Experten:
Prof. Dr. Reinhold Schnabel ist Lehrstuhlinhaber für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen. Als Hochschullehrer ist er selbst verbeamtet.
Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen ist Professor für Finanzwissenschaft und Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Als Hochschullehrer ist er selbst verbeamtet.
Verena Bentele ist Präsidentin des Sozialverbandes VDK, dem größten Sozialverband Deutschlands. Sie ist ehemalige Biathletin und Skilangläuferin und war Behindertenbeauftragte der Bundesregierung. Bentele ist Mitglied der SPD.

Verwendete Quellen:

  • Bmi.bund.de: Sechster Versorgungsbericht der Bundesregierung:
  • "Bild": "2022 gibt’s bis zu 5,6 Prozent mehr! … und Beamte sollen in die Rentenkasse einzahlen".
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