Bund und Länder haben sich auf eine Reform der deutschen Krankenhauslandschaft geeinigt. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von einer "Revolution". Ab 2024 sollen Krankenhäuser anders finanziert und in verschiedene Stufen eingeteilt werden. Was das für Patienten bedeutet.
Das war eine schwere Geburt: Nach langem Ringen haben sich Bund und Länder auf eine Krankenhausreform geeinigt. In Berlin beschlossen die Gesundheitsminister der Länder mit Bundesgesundheitsminister
Vorausgegangen war der Einigung ein langer Prozess des Ringens. Die Ampel hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag eine "moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung" auf die Fahne geschrieben. Jetzt sprach Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) von einer "Revolution".
Revolution bei der Abrechnung
Die Pläne sehen vor, das Abrechnungssystem im Krankenhaussystem grundlegend zu ändern. Aktuell finanzieren sich Krankenhäuser über sogenannte Fallpauschalen – für eine bestimmte Behandlung erhalten sie einen festgelegten Betrag. Eingeführt wurde das Finanzierungsmodell durch die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und löste damals die Abrechnung nach Liegezeit ab.
Man hatte Gutes im Sinn: Liegezeiten reduzieren und damit Kosten sparen. Doch die Abrechnung per Fallpauschale hat die Krankenhäuser ökonomischen Zwängen ausgesetzt. Denn in diesem Abrechnungssystem benötigen Krankenhäuser viele Patienten, um wirtschaftlich tragfähig arbeiten zu können. Das bringt besonders kleine Kliniken auf dem Land, die weniger Fälle haben, in Schwierigkeiten. "Nicht die Ökonomie, sondern die Patienten müssen wieder im Mittelpunkt stehen", hatte Lauterbach deshalb in der Vergangenheit mehrfach bekräftigt.
Ökonomisierung stoppen
Die Fallpauschalen sollen deshalb nun von einem System der Vorhaltepauschalen abgelöst werden. Diese werden allein für die Vorhaltung der Leistung gezahlt. Abgerechnet wird also nicht mehr nur pro Fall. Für Kliniken der Geburtshilfe und der Notfallversorgung soll es zudem Zuschläge geben.
"Die Kliniken bekommen das Geld, 60 Prozent der Vergütung, einfach nur dafür, dass sie die Leistung anbieten, selbst dann, wenn sie sie nicht immer erbringen müssen", erklärte Lauterbach auf einer Pressekonferenz im Anschluss der Bund-Länder-Runde.
Die Krankenhäuser seien nicht mehr gezwungen, so viele Leistungen wie möglich zu erbringen. "Es ist der Umbau des Systems in dem Sinne, dass die Anreize ganz andere sein werden", sagte Lauterbach weiter. Es wurden in der Vergangenheit immer wieder Eingriffe durchgeführt, die nicht unbedingt medizinisch notwendig sind, nur damit das Krankenhaus überleben kann. Ganze medizinische Fachbereiche sind in diesem System außerdem schwer finanzierbar, etwa die Kinderheilkunde.
Mehr Verlässlichkeit für Patienten
Für den Patienten heißt das also: Mehr Verlässlichkeit, dass nur Leistungen erbracht werden, die wirklich medizinisch notwendig sind – und nicht nur ökonomisch attraktiv. Vereinbarungen mit Ärzten, wie viele Leistungen erbracht werden müssen, gehören der Vergangenheit an.
Das System der Vorhaltepauschalen soll auch dazu beitragen, unnötige Klinikschließungen zu vermeiden. Denn zu oft lauteten die Schlagzeilen in der Vergangenheit: "Gynäkologie am SRH-Klinikum Zeitz kann nicht fortgeführt werden" (Mitteldeutsche Zeitung), "Der Klinikverbund Gesundheit Nord (GeNo) schließt das Bremer Klinikum Links der Weser" (Buten un Binnen) oder "KMG-Kliniken schließen die Kinderklinik am Krankenhaus Sömmerda endgültig" (Thüringer Allgemeine).
Rettung vor der Insolvenz
"Ohne Reform werden viele Krankenhäuser ungesteuert Insolvenz anmelden müssen", hatte Lauterbach im Vorfeld gewarnt. Besonders in ländlichen Regionen sind Krankenhäuser von Schließungen bedroht. Durch die Pauschalen für die Vorhaltung einer guten Versorgung können die Länder besser planen, wo Krankenhäuser gebraucht werden.
Laut Aussage von Lauterbach haben kleine Kliniken auf dem Land durch das neue Finanzierungsmodell eine Art Existenzgarantie. "Wenn sie für die Versorgung notwendig sind, dann können sie mit der Vorhaltepauschale von 60 Prozent auf dem Land überleben", erklärte er.
Krankenhäuser in Level einstufen
Für Patienten, gerade auch in ländlichen Regionen, soll die Reform eine qualitativ hochwertige Versorgung sichern. Vorhaltepauschalen erhalten Kliniken allerdings nur, wenn sie bestimmte Qualitätskriterien erfüllen, um die Leistungen auch erbringen zu können. Dafür plant Lauterbach bundeseinheitliche Krankenhaus-Levels.
Level eins steht für die Grundversorgung, dazu zählen zum Beispiel Blinddarmoperationen, die Versorgung von Platzwunden und gebrochenen Armen. Level zwei steht für die Schwerpunktversorgung mit bestimmten Spezialisierungen, etwa Notfall-Schlaganfall-Stationen und Level drei für die Spitzenversorgung etwa an Unikliniken.
Das bedeutet für Patienten aber unter Umständen auch weitere Fahrtwege. Manche Krankenhäuser werden nur noch eine Basisversorgung anbieten. Beispielsweise kleine Kliniken ohne Spezialisierung sollen in Zukunft komplexere Eingriffe nicht mehr abrechnen können, wenn sie dafür nicht die entsprechende personelle und technische Ausstattung haben. Für die Einstufung der Krankenhäuser soll ein Transparenzgesetz im Sommer folgen.
Behandlung in Spezialzentren
"Die kleinen Klinken können sich auf das konzentrieren, was sie besonders gut können, nämlich die einfachen Fälle versorgen", sagte Lauterbach vor Medienvertretern. Die Patienten könnten sich darauf verlassen, dass die Krankenhausbehandlung, die angeboten werde, auch immer wirklich nötig sei. "Es wird eine Zentralisierung geben, weil die besonders aufwendigen Leistungen in den Spezialzentren behandelt werden", erklärte der Gesundheitsminister.
Die Reform sieht außerdem vor, dass künftig mehr Behandlungen ambulant statt stationär durchgeführt werden. Das wäre für die Pflege entlastend: Es bräuchte zum Beispiel weniger Nachtschichten. Für Patienten führt die Reform zudem theoretisch zu mehr Transparenz: Daten dazu, welche Kliniken zum Beispiel Krebsbehandlungen besonders gut durchführen, sollen in Zukunft veröffentlicht werden. So viel zur Theorie – zum 1. Januar 2024 soll ein nun zu erarbeitendes Gesetz in Kraft treten. Die Praxis wird dann zeigen, was sich für Patienten wirklich ändert.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.