Seit der Eskalation des Nahostkonflikts fühlen sich viele Jüdinnen und Juden in Deutschland nicht mehr sicher und geben sich deshalb in der Öffentlichkeit nicht mehr zu erkennen. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung zeigt sich erschüttert.
Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein hat die hohe Zahl judenfeindlicher Straftaten seit dem Hamas-Angriff auf Israel kritisiert. Seit dem 7. Oktober habe das Bundeskriminalamt 2249 antisemitische Straftaten erfasst, sagte Klein am Donnerstag in Berlin. "Ein erheblicher Teil" sei nicht direkt nach dem 7. Oktober begangen worden, "sondern Wochen und Monate später".
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte, viele Jüdinnen und Juden würden sich aus Angst nicht mehr als solche in der Öffentlichkeit zu erkennen geben. "Auch der Gottesdienstbesuch hat seit dem 7. Oktober abgenommen", fügte er hinzu.
"Judenhass nicht unwidersprochen lassen"
Mehr als 2000 Mal seien seit dem 7. Oktober innerhalb Deutschlands Jüdinnen und Juden "angegriffen, bedroht, beleidigt, in Angst versetzt" oder "öffentlich antisemitische Hetze verbreitet" worden, sagte Klein. Er sei "erschüttert", dass "das beschämend hohe Niveau" judenfeindlicher Taten dennoch weitgehend aus der öffentlichen Debatte und der Medienberichterstattung verschwunden sei.
Der Beauftragte der Bundesregierung verwies auf die Auswirkungen von Antisemitismus auf die in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden. Sie vermieden es, in der Öffentlichkeit Hebräisch zu sprechen, änderten bei Online-Bestellungen jüdisch klingende Namen und überlegten es sich zweimal, ob sie in eine Synagoge gingen.
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Staat und Gesellschaft dürften "keine Räume zulassen, in denen Judenhass unwidersprochen bleibt", verlangte Klein. Dies gelte etwa auch für Antisemitismus "unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit". Er plädiere auch dafür, Paragraf 130 im Strafgesetzbuch gegen Volksverhetzung zu reformieren, "damit wir Antisemitismus auch mit strafrechtlichen Mitteln noch besser bekämpfen können."
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Angst vor Übergriffen
Zentralratspräsident Schuster hob die "mentale Belastung für Jüdinnen und Juden" in Deutschland hervor, die durch "verletzendes Verhalten, Angriffe und Bedrohungen bis hin zu extremer Gewalt" entstehe. Viele trügen aus Angst vor Übergriffen keine jüdischen Symbole, besuchten keine jüdischen Veranstaltungen oder Gottesdienstbesuche mehr. "Die Folge ist: Jüdisches Leben ist weniger sichtbar geworden."
Sorge bereitet Schuster auch Judenfeindlichkeit von Rechts. "Ich halte rechtsextremen Antisemitismus für die größte Bedrohung, da er am besten organisiert ist", sagte er. Umso wichtiger seien die Großdemonstrationen am vergangenen Wochenende gegen Rechtsextremismus gewesen.
Die Chefin der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, Andrea Despot, beklagte mit Blick auf die NS-Zeit, dass Jüdinnen und Juden bedroht würden "wie vor 90 Jahren".
Kämpfer der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas hatten am 7. Oktober 2023 bei einem beispiellosen und brutalen Angriff auf Israel etwa 1200 Menschen getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion begann Israel mit massiven Angriffen auf Ziele im Gazastreifen. Nach jüngsten Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit dem Beginn der israelischen Offensive mindestens 25.700 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet. (afp/dpa/fab)
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