- Anzahl der Behandlungen im Krankenhaus mit Übernachtung soll sinken.
- Pflegepersonalschlüssel soll verbessert werden.
- Fallpauschalensystem trifft auf Kritik der Ärztinnen und Ärzte.
Die Krankenhäuser in Deutschland leiden nicht erst seit der Corona-Krise besonders im Pflegebereich unter Personalmangel. Ärzte klagen seit Langem über zu viele Überstunden. Gesundheitsminister
Anzahl der stationären Krankenhausaufenthalte soll verringert werden
Viele medizinische Behandlungen, die bisher mehrere Tage beanspruchen, sollen zukünftig innerhalb eines Tages im Krankenhaus umgesetzt werden. Gesundheitsminister Lauterbach wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass Deutschland im Vergleich zu seinen Nachbarländern 50 Prozent mehr Bettenkapazitäten und ebenso viel mehr stationäre Krankenhausaufenthalte hat. Mit einer Verringerung dieser Behandlungsvariante soll unter anderem das Pflegepersonal, das nachts eingesetzt ist, entlastet werden.
Doch die Bundesärztekammer blickt kritisch auf diese Reform. Es sollte Ärzten ein Entscheidungsspielraum bleiben, Patientinnen und Patienten aufgrund ihres Zustandes stationär behandeln zu können. "Zudem gilt es zu verhindern, dass die Tagesbehandlung von den Klinikbetreibern dazu genutzt wird, Personalengpässe auszugleichen oder den Profit zu steigern", sagt Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer.
"Aus Sicht des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe mag die Regelung der Tagesbehandlungen zwar sinnvoll sein, aber wird nicht zu großer Entlastung führen", so ein Sprecher des Verbandes. Wenn viele derjenigen Patienten, die bei einer Übernachtung im Krankenhaus ohnehin wenig pflegeintensiv seien, nicht die Nacht im Krankenhaus verbringen würden, sei damit für die Pflegekräfte kaum etwas gewonnen. Außerdem müssten dann pflegerische Strukturen im häuslichen Bereich gestärkt werden.
Und auch aus Patientenperspektive sei eine solche Reform zu bemängeln, sagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Besonders für "betagte, pflegebedürftige und an Demenz leidende Menschen" sei eine solche Reform nicht hilfreich. Ein solches System sei jenen Menschen gegenüber "lebensfremd", so Brysch.
Stärkung von Kinderstationen und Geburtshilfen
Besonderen Handlungsbedarf sieht das Gesundheitsministerium bei Kinderstationen und in der Geburtshilfe. So forderte eine von Karl Lauterbach eingesetzte Kommission, dass die Vergütung für Geburtshilfeabteilungen (PDF) steigen soll. Dies gelte besonders für solche Einrichtungen, die in Gegenden mit wenig Bedarf arbeiteten, bei deren Wegfall jedoch in der jeweiligen Region keine Versorgungssicherheit mehr gegeben sei.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat sich im Rahmen einer Expertenanhörung zu diesem Gesetz kritisch geäußert. Sie bemängelt, dass die Regierung mit den von ihr angestrebten jährlichen 120 Millionen Euro für die Geburtshilfe hinter den Empfehlungen der eigenen Kommission zurückbleibe. Zudem sei dies Teil einer Summe, welche die Regierung den Krankenhäusern vor einiger Zeit erst gekürzt habe.
Mehr Pflegepersonal in Krankenhäusern
Gesundheitsminister Lauterbach plant zudem, für die Krankenhäuser eine Methode zur Personalzumessung zu entwickeln. Hiermit soll errechnet werden, wie viel Personal künftig auf Stationen angestellt sein muss. Dieses Modell soll ab 2023 in eine Probephase gehen und ab 2025 verpflichtend gelten. Bisher existieren nur Untergrenzen für Personal. Wenn diese unterschritten werden, müssen Stationen geschlossen werden.
An diesen Plänen entzündete sich aber bereits Kritik von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Gewerkschaft ver.di und vom Pflegerat, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete. Die drei Verbände hatten zunächst das Konzept "Pflegepersonalregelung 2.0" für Lauterbach entwickelt und kritisieren nun, wie der Gesundheitsminister diesen Vorschlag aufgenommen hat.
Die drei Verbände sind unter anderem nicht mit dem Mitspracherecht von Bundesfinanzminister Lindner einverstanden und fordern, dass diese Form der Personalzumessung auch für die Intensivmedizin und die Kinderheilkunde gelten solle.
Interessengegensätze prallen aufeinander
Doch wie sehr diese ganzen Gesetzesvorhaben teils auf massive Kritik stoßen, wird gleich an mehreren Stellen deutlich. Etwa bei der Bezahlung von Hebammen. Die schlechte Vergütung von Hebammen ist Längerem ein Gegenstand gesundheitspolitischer Debatten. Zunächst plante Lauterbach, dass die Hebammenleistungen aus dem Pflegebudget herausfallen sollten.
Damit würden Hebammen nicht mehr von den Krankenkassen, sondern von den Krankenhäusern bezahlt werden. Die Hebammen befürchteten Jobverluste. Nun ist Lauterbach umgeschwenkt. Die Hebammen sollen jetzt doch im Pflegebudget bleiben, sagte der Gesundheitsminister diese Woche der Rheinischen Post.
Die Ärztevertretung "Marburger Bund" setzt mit ihrer Kritik an den aktuell geplanten Reformen am System der Fallpauschalen an und will dieses ganz abzuschaffen. Bei den Fallpauschalen handelt es sich um eine Vergütungssumme, die je nach Erkrankung bereits im Vorhinein festgelegt ist. So können die Krankenhäuser mit diesem Instrument pro Patient und Behandlung abrechnen.
Stattdessen ist von der Regierungskommission, die das Gesundheitsministerium berät, das Modell der Vorhaltepauschalen ins Gespräch gebracht worden. Krankenhäuser sollen dabei für das Bereithalten von bestimmten Kapazitäten bezahlt werden. Dies soll dabei helfen zu verhindern, dass Kliniken auf gewinnbringende Operationen setzen, und gleichzeitig weniger lukrative Abteilungen geschlossen werden.
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Bei all diesen Vorhaben warnt der Präsident des Verbands leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte, Michael Weber, vor zu hohem Tempo und einem Agieren "mit heißer Nadel" im Gesetzgebungsverfahren. Dies gelte besonders etwa für ein weniger als 24 Stunden vor der Expertenanhörung seitens der Politik kurzfristig in den Gesetzgebungsprozess eingebrachtes Konzept zur Reform der ärztlichen Vergütung.
Sollten alle diese unterschiedlichen Vorhaben auf jetzigem Stand eingeführt werden, drohten den Krankenhäusern laut Weber statt einer Verbesserung in ihrem Alltag eher "massive Probleme und Streit".
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Ingo Böing, Referent beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe
- Gespräch mit PD. Dr. Michael A. Weber, Präsident des Verbands leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte
- Gespräch mit Eugen Brysch, Vorstand Deutsche Stiftung Patientenschutz
- Bundesgesundheitsministerium: Stellungnahme Lauterbach Schwerpunkt Krankenhausreform
- Bundesärztekammer: Reinhardt: "Bei Tagesbehandlung muss Patientenwohl im Mittelpunkt stehen"
- rnd.de: Personalschlüssel in der Pflege: Kliniken, Verdi und Pflegerat kritisierten Lauterbachs Pläne scharf
- Regierungskommission: Empfehlungen der AG Pädiatrie und Geburtshilfe für eine kurzfristige Reform der stationären Vergütung für Pädiatrie, Kinderchirurgie und Geburtshilfe
- Deutsche Krankenhausgesellschaft: DKG zur Anhörung zum Krankenhauspflegeentlastungsgesetz
- Rheinische Post: Gesundheitsminister Karl Lauterbach geht auf Hebammen zu
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