Sollen Deutschlands Grenzen längerfristig kontrolliert werden? Die Innenminister mehrerer Bundesländer sagen: ja. Der für die Bundespolizei zuständige Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Andreas Roßkopf, warnt.

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Mehrere CDU-Innenminister haben sich für eine Beibehaltung der Kontrollen an den Grenzen zu Deutschlands Nachbarländern über die Olympischen Sommerspiele hinaus ausgesprochen. Dafür plädierten die Innenminister von Baden-Württemberg, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, Thomas Strobl, Michael Stübgen und Herbert Reul, im Gespräch mit der "Rheinischen Post" (Montagsausgabe).

Es sei "ein wichtiger Schritt, dass die derzeitigen Grenzkontrollen über die Olympischen Spiele hinaus verlängert werden und so lange bleiben, bis die EU-Außengrenzen nachhaltig gesichert sind", sagte der baden-württembergische Ressortchef Strobl.

Brandenburgs Innenminister Stübgen sprach sich für eine Verlängerung der stationären Grenzkontrollen aus, "solange, bis die Reformen des europäischen Asylsystems greifen, was frühestens 2026 der Fall sein kann". Andernfalls drohe ein "sofortige(r) Verlust an Sicherheit".

Dank der durch die Bundesregierung im vergangenen Jahr ermöglichten Kontrollen habe die Migration abgenommen, illegale Einreisen seien verhindert und "Schlepper und Kriminelle festgenommen" worden, sagte Stübgen weiter.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Reul sagte: "Wir wissen, wer ins Land kommt und wir ziehen Schleuser aus dem Verkehr. Ich bin dafür, dass wir weiter kontrollieren - punktuell und anlassbezogen."

Günther: Grenzkontrollen sind ein "wichtiges und probates Mittel"

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verteidigte kürzlich Kontrollen zur Begrenzung irregulärer Migration. "Ich halte Grenzkontrollen auch an europäischen Binnengrenzen für ein wichtiges und probates Mittel, insbesondere dort, wo es gehäuft zu illegalen Einreisen kommt", sagte Günther am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. "Aber die Bundespolizei kann die Intensität der Kontrollen wie während der Fußball-Europameisterschaft natürlich dauerhaft kaum gewährleisten."

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Die Kontrollen in Ost- und Süddeutschland seit dem vergangenen Herbst hätten erhebliche Auswirkungen auf die Bereiche Migration und Schleuserkriminalität gezeigt, sagte Günther. "Es gibt deshalb eine veränderte Einstellung zu Grenzkontrollen insgesamt."

Zwar hätten die Menschen in Schleswig-Holstein grundsätzlich eine positive Affinität zu Migration, aber auch im Norden gebe es Probleme mit Zuwanderung, sagte Günther. Die Norddeutschen artikulierten dies jedoch nicht so dramatisch wie Menschen in anderen Regionen.

Auch Scholz will die deutschen Grenzen weiterhin strikt kontrollieren

Bis 19. Juli liefen vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Grenzen. Diese waren für die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland eingeführt worden und liefen aus. An den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz waren die Kontrollen bereits bis Mitte Dezember verlängert worden, an der deutsch-österreichischen Grenze bis Mitte November. Dabei geht es vor allem um die Eindämmung der irregulären Migration. Die Kontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich sind noch bis zum 30. September geplant.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der "Saarbrücker Zeitung" angekündigt, die deutschen Grenzen auch in Zukunft "strikt" kontrollieren lassen zu wollen.

Polizei-Gewerkschafter warnt vor personellen Engpässen

Der für die Bundespolizei zuständige Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Andreas Roßkopf, warnte indes davor, dass verlängerte stationäre Grenzkontrollen aus personellen Gründen nicht machbar seien. "Hierzu fehlen sowohl Personal als auch die Sachausstattung", sagte Roßkopf der "Rheinischen Post".

So seien die Kontrollen an allen deutschen Grenzen während der Fußball-EM nur leistbar gewesen, da "die gesamte Bundespolizei eine Urlaubssperre hatte und hohe Überstunden in Kauf genommen wurden". Zudem seien "unzählige Hundertschaften der Bereitschaftspolizei" zur Unterstützung eingesetzt gewesen.

Die GdP fordere stattdessen "mobile, flexible und auch intelligente Grenzkontrollen", sagte Roßkopf weiter. Hierfür müssten mobile Kontrollstellen angeschafft werden, die "lageangepasst und flexibel" aufgestellt werden könnten. Für deren Beschaffung seien aber zusätzlich rund 35 Millionen Euro nötig.

Weniger unerlaubte Einreisen im ersten Halbjahr 2024

Unterdessen registrierte die Bundespolizei einem Bericht zufolge im ersten Halbjahr 2024 weniger unerlaubte Einreisen nach Deutschland als im Vorjahreszeitraum. Wie die "Welt am Sonntag" am Samstag (27. Juli) berichtete, sank die Zahl um 6,6 Prozent auf rund 42.000. In der ersten Hälfte des Jahres 2023 wies die Statistik der Bundespolizei demnach noch rund 45.000 unerlaubte Einreisen aus.

Zudem sank den Angaben zufolge die Zahl der polizeilich erfassten Schleuser - auf rund 770 Fälle im ersten Halbjahr 2024. Im Vorjahreszeitraum waren es noch knapp 1.100 Fälle.

Seit Einführung temporärer Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien und der Schweiz Mitte Oktober vergangenen Jahres registriert die Bundespolizei erheblich weniger unerlaubte Einreisen. Während der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland wurde bis zum 19. Juli zudem an allen deutschen Grenzen kontrolliert. Die Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze sollen auch während der Olympischen Spiele in Paris aufrechterhalten werden, die am Freitag begonnen haben und bis zum 11. August laufen.

Die Kontrollen zu Polen, Tschechien, und der Schweiz gehen noch bis Dezember, die zu Österreich bis November. Die Union forderte bereits längerfristige Grenzkontrollen, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erteilte dem aber eine Absage. (AFP/ank)

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