China rüstet auf und fordert die USA als führende Weltmacht heraus. Doch könnte China die USA auch auf den Weltmeeren besiegen?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Clemens Sarholz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die chinesische Führung verfolgt das Ziel, bis zum Jahr 2049 den Rang einer Weltmacht zu erreichen. Nachdem das Land die industrielle Revolution verschlafen hat und wirtschaftlich - global gesehen - über 150 Jahre lang keine Rolle gespielt hat, strebt es nun nach neuer Stärke.

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China will eine globale Führungsrolle in der internationalen Gemeinschaft einnehmen, als führende Kulturnation angesehen werden und wirtschaftlich ganz vorne mitspielen.

Präsident Xi Jinping spricht von einer "Wiedergeburt Chinas". Dafür rüstete die Volksrepublik in den vergangenen Jahrzehnten auch militärisch und vor allem ihre Marine massiv auf. Denn das Wettrennen um die Pole Position wird sich auf den Weltmeeren entscheiden.

Der Grund dafür ist einfach. 90 Prozent der internationalen Handelsgüter laufen über den Seeweg, 99 Prozent des internationalen Datenverkehrs laufen über rund 300 Seekabel, die unsere Kontinente miteinander verbinden. 80 Prozent der weltweiten Bevölkerung legen maximal eine Tagesreise zurück, um das Meer zu erreichen. Hinzukommen Windparks und Pipelines, die unsere Energiesicherheit gewährleisten.

Ein Großteil der kritischen Infrastruktur läuft durch die Weltmeere. Wie sensibel die Weltwirtschaft gestört werden kann, wenn Handelswege nicht reibungslos funktionieren, hat sich im Jahr 2021 gezeigt, als das Containerschiff "Ever Given" den Suezkanal versperrte. Aus diesem Grund gilt: Wer das Meer kontrolliert, der hat die Macht.

Die USA sind China nicht unterlegen

Eine traditionelle Methode, Seemächte miteinander zu vergleichen, ist relativ simpel: die Schiffe zählen und gegenüberstellen. Gemessen an der Anzahl der Schiffe hat sich China – beinah unbemerkt von der westlichen Öffentlichkeit – die umfassendste Seestreitkraft der Welt aufgebaut. Laut dem amerikanischen Marineminister Carlos Del Toro könnte die chinesische Marine der Volksbefreiungsarmee in den kommenden Jahren bis zu 400 Schiffe in Dienst stellen. Derzeit nutzt China etwa 340. Dagegen verfügt die US-Kriegsflotte über weniger als 300 Schiffe.

Doch selbst nach diesen Maßstäben sind die USA China nicht unterlegen. Denn die USA verfügt beispielsweise über elf Flugzeugträger, während China drei besitzt. Lediglich bei den leichteren und weniger schwer bewaffneten Schiffen wie Fregatten und Küstenpatrouillenschiffen liegt China vorne.

Was allerdings auch zum Vorteil werden könnte. Dann nämlich, wenn es militärische Auseinandersetzungen in Küstengebieten oder in den Straßen von Taiwan beziehungsweise Malakka kommt. An solchen Engstellen bilden sich maritime Flaschenhälse. Wer die kontrolliert, legt seine Finger auf die Nadelöhre des Welthandels.

Auch der Suezkanal könnte in den kommenden Jahrzehnten zu einem Zankapfel der Weltmächte werden. Schon jetzt kommt es immer wieder zu Zwischenfällen zwischen chinesischen und amerikanischen Kriegsschiffen, beispielsweise in der Straße von Taiwan.

China könnte bis zum Jahr 2050 10 Flugzeugträger besitzen

Ein Blick auf die Weltkarte zeigt: Während die USA etwa 750 Militärbasen auf der ganzen Welt verteilt hat, besitzt China außerhalb des eigenen Staatsgebiets nur eine in Dschibuti. Durch die weltweite Präsenz versuchen die USA als dominierende Weltmacht, Einfluss - und im Notfall auch Druck - auszuüben und die eigenen Werte in der Welt zu vertreten. China hat solche Ansprüche nicht. Allerdings zeigt die Militärbasis in Dschibuti, wie wichtig es dem Land ist, seine Handelsrouten zu überwachen – denn genau dort befindet sich die wichtigste Wasserstraße der Welt, der Suezkanal.

Auch wenn China eher darauf aus ist, als Nabel der Welt zu gelten, schließt das Land neue Bündnisse mit anderen Ländern, die mit den Werten des Westens nicht viel anfangen können, beispielsweise mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der australische Verteidigungsminister und Vize-Premierminister Richard Marles sagte laut "Guardian", Chinas militärische Aufrüstung sei ehrgeiziger und größer als alles, was die Welt seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gesehen habe. Laut Del Toro hat China 13 Werften. Eine einzige chinesische Werft habe eine größere Kapazität als alle amerikanischen Werften zusammen. "Das ist eine echte Bedrohung."

Schaut man sich an, wie schnell China drei Flugzeugträger ins Wasser gesetzt hat, dann scheint es realistisch, dass China bis zum Jahr 2050 etwa zehn Flugzeugträger besitzt. Außerdem laufen laut "Washington Post" derzeit Verhandlungen über die Errichtung von chinesischen Militärbasen, etwa in Sri Lanka und in Kambodscha.

Militärstrategen sind sich sicher, dass China sukzessive seinen Einfluss auf den Weltmeeren ausbaut. Das fängt damit an, dass sie sich als Platzhirsche vor ihren eigenen Gewässern durchsetzen und dass sie, so wie die USA es jetzt auch schon tun, ihre Flottenverbände dann weltweit einsetzen werden – zum einen, um die freie Schifffahrt zu demonstrieren, zum anderen, um zu zeigen, dass sie die gleichen Rechte haben wie die USA.

Welches Land würde eine direkte Konfrontation für sich entscheiden?

Chinas Politik wird im Westen häufig als Bedrohung wahrgenommen: Todesstrafe, der Umgang mit den Uiguren, die Pressefreiheit. Die Ansichten, ob daraus militärische Konflikte entstehen werden, gehen dabei auseinander. Die einen sagen, dass niemand ein Interesse an solchen Konflikten habe, andere sagen wiederum, dass es auf kriegerische Auseinandersetzungen hinausläuft, wie beispielsweise mit dem Inselstaat Taiwan, der von den USA auch militärisch unterstützt wird.

Die Frage, die sich also stellt: Wer würde eine direkte Konfrontation vermutlich für sich entscheiden? Viel spricht dafür, dass die USA China schnell besiegt haben würden. Wichtiger als die Anzahl der Schiffe sind etwa die Anzahl an Raketen, die abgeschossen werden könnten. Da liegen die USA weit vorne, sie haben etwa die neunfache Kapazität.

Auch im Cyberbereich gelten die USA als überlegen. Die Cyber-Ressourcen konzentrieren sich im "U.S. Fleet Cyber Command" mit mehr als 19.000 Soldaten und Reservisten, 26 aktiven Kommandos und 40 Cyber-Mission-Force-Einheiten sowie 29 Reservekommandos auf der ganzen Welt, die im Falle eines Krieges zur Verfügung stünden. Ob China über solche Truppen verfügt, ist nicht bekannt. Das Internationale Institut für Strategie Studien (IISS) hat erklärt, dass im Cyberbereich mindestens zehn Jahre zwischen China und den USA liegen.

Chinas Innovationskraft darf nicht vergessen werden

Was allerdings nicht vergessen werden darf in solchen sicherheitspolitischen Überlegungen: die enorme Innovationskraft der Chinesen. Innerhalb von nicht einmal 50 Jahren hat China es geschafft, seine Wirtschaftsleistung um mehr als das vierzigfache zu erhöhen sowie das Militär, die Handelsflotten, die Infrastruktur und die Abhängigkeiten seiner Partner extrem auszubauen.

China ist in der Lage, riesige Projekte in kurzer Zeit umzusetzen, beispielsweise den Bau der "Neuen Seidenstraße" oder den Bau mehrerer Flugzeugträger innerhalb von zehn Jahren.

Ein womöglich unterschätzter Faktor für die Zukunft der Supermacht könnte jedoch die demographische Entwicklung sein. Nach Prognosen verschiedener Institute wird Chinas Bevölkerung bis zum Jahr 2100 um etwa die Hälfte geschrumpft sein, während die Bevölkerung in den USA weiter ansteigt.

Verwendete Quellen:

  • nytimes.com: Liu Huaqing Dies at 94
  • t-online.de: : "Was passiert, wenn der erste Schuss fällt?"
  • faz.net: China gegen die USA – der Kampf der Systeme
  • theconversation.com: The US navy is still more powerful than China´s
  • merkur.de: "Ernsthafte Bedrohung" – USA können mit Chinas Kriegsschiffproduktion nicht mithalten
  • tagesschau.de: "Sie sind hier, um zu provozieren"
  • washingtonpost.com: China secretly building navals facility in Cambodia, Western offials say
  • theguardian.com: China may be planning overseas naval bases in Asia and Africa, say analysts
  • theguardian.com: Australian defence minister warns China risks sparking arms race
  • fcc.navy.mil: U.S. Fleet Cyber Command: Command Description
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