Der Staat bin ICH: Mit Macho-Männern wie Donald Trump , Wladimir Putin oder Matteo Salvini ist ein neuer, alter Typus auf die politische Bühne zurückgekehrt. Ein Kommunikationsexperte erklärt, was hinter dem Verhalten der Alpha-Männer steckt, warum sie bei ihren Anhängern so gut ankommen und wie die Alpha-Männer entzaubert werden können.

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Der Macho schien ein Relikt aus vergangenen Zeiten zu sein. Ungefähr so altmodisch wie der Song "Macho Macho". Und selbst zu dessen Veröffentlichung 1988 machte sich Rainhard Fendrich über diesen Typ Mann lustig, der mit seiner behaarten Brust immer im Mittelpunkt stehen will. 30 Jahre später geben Machos wie Donald Trump oder Matteo Salvini in der Politik wieder den Ton an.

Der Mannheimer Kommunikationswissenschaftler Eike Mark Rinke sieht den Beginn dieser Entwicklung schon in der Mitte der 1990er Jahre. Damals wurde Silvio Berlusconi zum ersten Mal Ministerpräsident von Italien. "Berlusconi ist der Inbegriff des Alpha-Manns als moderner politischer Figur", sagt Rinke.

Der zum Rechtspopulismus neigende Berlusconi hatte es geschafft, sich als "Speerspitze einer umwälzenden Bewegung zu inszenieren". Dabei attackierte er seine Gegner heftig und versprach seinen Anhängern "quasi paradiesische Verhältnisse", beschreibt es der Kommunikationsexperte.

So gesehen tritt US-Präsident Donald Trump in die Fußstapfen seines italienischen Wegbereiters. Er und Berlusconi sind sich in vieler Hinsicht ähnlich: Auch Trump habe sich als Heilbringer inszeniert, so Rinke. Das zeige auch sein Wahl-Slogan "Make America Great Again". Zu den Markenzeichen von Donald Trump gehöre auch seine Spontanität und Unberechenbarkeit.

Personenkult statt Diener der Demokratie

Trump wie auch andere moderne Rechtspopulisten zeichneten sich zudem durch eine Verachtung gegenüber demokratischen Institutionen aus. "Stattdessen wird die eigene Person ins Zentrum gerückt", erklärt Kommunikationswissenschaftler Rinke.

Ein Beispiel hierfür sind Tweets von Italiens neuem Innenminister Matteo Salvini, in denen er sich gegen "intellektuelle Eliten" abgrenzt. Die Botschaft: Die Anderen reden nur - er, Salvini, ist dagegen ein Macher.

Dies gehört zu den wichtigsten Unterschieden zu den gemäßigter auftretenden Politikern wie Angela Merkel, die weniger ihre eigene Person in den Mittelpunkt ihrer Politik rücken, sondern demokratische Prozesse und Institutionen.

Doch diese Prozesse sind oft langatmig und mühsam. Nach Meinung von Rinke stellt es eine große Gefahr dar, dass zunehmend auch viele Menschen aus der politischen Mitte mit diesen Prozessen hadern und die kurzen Entscheidungswege in autoritären Staaten bewundern.

Die Rückkehr der "Alpha-Männer" zeige die Spaltung der westlichen Gesellschaften: Auf der einen Seite stünden Menschen, die eine Sehnsucht nach Autorität und Abschottung haben. Auf der anderen Seite gibt es noch immer viele Menschen, denen Freiheit und Offenheit wichtig ist. "Die jeweiligen Vertreter sind dabei immer stärker abgestoßen von den jeweils anderen", sagt Rinke.

Was fasziniert Wähler an Trump?

Der Experte verweist auf eine Studie der University of British Columbia, die Donald Trump mit seinen republikanischen Mitbewerbern im Wahlkampf verglichen habe. Es zeigte sich, dass Trump in vielen Punkten herausstach. So sprach er besonders oft von sich selbst. Außerdem war seine Sprache im Vergleich zu den anderen Politikern am informellsten, also "volksnah", wenig akademisch-analytisch. Charakteristisch sei auch seine hohe Variabilität in der Stimme, er wechselt oft die Tonhöhe. Das steigere die Wahrnehmung beim Zuhörer und schafft eine Bindung.

"Diese Form der Kommunikation verfängt in einem bestimmten Teil der Wählerschaft", erklärt Rinke. Vor allem bei denen, die wenig über politische Prozesse informiert seien, komme Trump gut an. Wer der Politik zynisch gegenübersteht und ein Gefühl der Ohnmacht hat, gefällt es besonders gut, dass "die da oben" von einem Außenseiter wie Trump in die Schranken gewiesen werden.

Dabei empfinden Trumps Anhänger die zahlreichen Entgleisungen und Beleidigungen als legitim – "besonders jene, die glauben, dass die Sprache durch 'political correctness' zensiert würde", so Rinke. Er selbst denkt, dass zwar ein Teil von Trumps Wählerschaft dessen persönliche Angriffe tatsächlich als unangenehm empfindet, diese aber toleriert. Im radikalisierten Teil werden die Attacken dagegen sogar gefeiert.

Allerdings hat Trumps Impulsivität den Nachteil, dass sie schnell zu Widersprüchen und falschen Behauptungen führen kann. Russlands Präsident Wladimir Putin präsentiert sich als das genaue Gegenteil: "Putin wirkt sehr kontrolliert und ruhig. Dadurch strahlt er Souveränität aus", erklärt Rinke. "Es ist eine ganz andere Form der Autorität als Trump."

Als Beispiel nennt Rinke Putins jährliche Fernsehshow "Der direkte Draht". Darin beantwortet er Bürgerfragen. "Er gibt vor, sich persönlich und direkt um alle Anliegen zu kümmern", meint der Kommunikationsexperte. Putin erscheint als Kümmerer und Vaterfigur. Eine perfekte Inszenierung in einem Land, in dem ohnehin die Medien sehr stark auf Putin zugeschnitten seien.

Im Vergleich mit Putin zeigte sich Trump unterlegen

Interessant wurde es deswegen vor wenigen Tagen in Helsinki, als mit Trump und Putin zwei sehr unterschiedliche Alpha-Männer direkt aufeinandertrafen. "Im direkten Vergleich kam Trump jedoch nicht gut weg, er wirkte deutlich weniger souverän als Putin", urteilt Rinke. Auch in den USA sei die Wahrnehmung, dass der amerikanische Präsident dem russischen unterlegen war, weit verbreitet.

Dieses Zeichen von Schwäche könnte zu einem echten Problem für Trump werden, der sich so gern als stark und rücksichtslos präsentiert. Wie massiv der Druck auf ihn nach dem Treffen mit Putin war, zeigt sein für ihn ungewöhnlicher Rückzieher. Die "ungelenken rhetorischen Windungen", die Trump dabei vollziehen musste, machten es dabei noch schlimmer, findet der Kommunikationsexperte. Selbst Teile der Republikaner, die sich bisher zurückhaltend zeigten, übten an dem Auftritt Kritik.

Rinke hält es auch nicht für unwahrscheinlich, dass sich der "Trump-Effekt" irgendwann abnutzt. Sein Auftreten ist inzwischen nicht mehr "neu" und "anders" auf der politischen Bühne, sondern alltäglich.

Dr. Eike Mark Rinke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) an der Universität Mannheim. Politische Kommunikation gehört zu seinen Schwerpunkten. Rinke hat in Erfurt und Washington, D.C. studiert und in Mannheim promoviert.
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