Um seinen Chef und Schwiegervater Donald Trump zu verstehen, müsse man lediglich vier Texte beziehungsweise Bücher lesen, sagt Jared Kushner. Dass diese ein ziemlich verstörendes Bild des US-Präsidenten erzeugen, scheint dem Mann von Ivanka Trump entweder egal oder nicht bewusst zu sein.
In "Rage", dem neuen Buch des legendären Journalisten Bob Woodward, gibt
Woodward zitiert Kushner, verheiratet mit
Kushner sieht bei Trump "100 verschiedene 'Shades of Gray'"
Woodward beschreibt Kushner als "ewig treuen Cheerleader und wahren Anhänger" des Präsidenten, aber auch als jemanden, der bestens weiß, wie und warum Trump Entscheidungen trifft. Während frühere Spitzenbeamte des Kabinetts Trumps Stil als chaotisch und gefährlich beschreiben, sieht Kushner seine ständigen Kehrtwendungen als "eine Stärke".
So schreibt Woodward: "Wo andere Wankelmütigkeit oder sogar Lügen sahen, sah Kushner in Trumps ständiger, wandelnder Inkonsequenz eine Herausforderung, der man mit einer sich immer wieder anpassenden Form des 'Managing Up' (deutsch: Verwalten) begegnen muss."
"Beim Präsidenten gibt es 100 verschiedene 'Shades of Gray'", wird Kushner zitiert. "Und wenn die Leute versuchen, eine schnelle Antwort aus ihm herauszubekommen, ist es ganz einfach. Sie können ihn dazu bringen, zu Ihren Gunsten zu entscheiden, indem Sie seinen Informationsstand einschränken. Aber Sie sollten verdammt sicher sein, dass keine Leute mit konkurrierenden Ansichten den Weg zu ihm finden. Denn wenn das passiert, wird er seine Entscheidung wieder rückgängig machen."
Trump-Ja ist manchmal nur ein "weiches Ja"
In einem Fall wird Senator Mike Lee nach einem Treffen mit Trump über eine Strafrechtsreform zitiert. Lee sagte, er sei "überrascht und erfreut" gewesen, dass der Präsident den Vorschlägen einer Gruppe republikanischer Senatoren zur Strafrechtsreform zugestimmt hat.
"Also sagte er ja!”, so Lee.
"Nein, nein, nein, nein," erwiderte Kushner. "Das ist ein weiches Ja."
Woodward schreibt, Kushner habe Lee erklärt, dass jetzt jemand mit einer gegensätzlichen Meinung kommen und Trump überzeugen würde, seine Meinung zu ändern, und dann müssten die beiden Seiten debattieren.
Kushner: Vier Texte, um Trump zu verstehen
Im Buch beschreibt Kushner vier Texte, die jeder "verinnerlichen" sollte, wenn er den Präsidenten wirklich verstehen möchte. Woodward schreibt, dass die Texte kein schmeichelhaftes Bild von jemandem zeichnen, der sowohl Kushners Chef als auch sein Schwiegervater ist.
Der erste Text, den Kushner empfiehlt, ist ein Meinungsbeitrag von der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Kolumnistin Peggy Noonan im "Wall Street Journal" aus dem Jahr 2018. Noonans Einschätzung von Trump: "Er ist verrückt ... und es funktioniert irgendwie." Noonan nennt Trump auch eine "Zirkusnummer" und "eine lebende Beleidigung".
Woodward schreibt, dass Kushner wissen musste, dass die Kolumne "ziemlich vernichtend" war.
Woodward: "Hat Kushner überhaupt begriffen, wie negativ das war?"
Der zweite von Kushner angeführte Text ist "Alice im Wunderland". Kushner wird zitiert, indem er die Worte der Grinsekatze umformuliert als eine Möglichkeit, Trump zu verstehen: "Wenn du nicht weißt, wohin du gehst, führt dich jeder Weg ans Ziel."
Woodward schreibt: "Hat Kushner überhaupt begriffen, wie negativ das war? Ist es wirklich möglich, dass der beste Leitfaden für diese Regierung ein Roman über ein junges Mädchen ist, das durch einen Kaninchenbau fällt, und Kushner bereit war, einzugestehen, dass Trumps Präsidentschaft auf wackligem, orientierungslosem Boden steht?"
"The Gatekeepers" von Chris Whipple
Der dritte Text, den Kushner empfiehlt, stammt aus dem Buch "The Gatekeepers" des Autors Chris Whipple, mit dem Untertitel: "Wie die Stabschefs des Weißen Hauses jede Präsidentschaft definieren".
Whipple schreibt: "Was zum Zeitpunkt dieses Schreibens und fast ein Jahr nach Beginn seiner Präsidentschaft klar erscheint, ist, dass Trump Trump sein wird, unabhängig von seinem Stabschef."
Trump und die gezielte Falschüberredung
Und der vierte von Kushner angebotene Text schließlich lautet "Win Bigly" von Scott Adams, dem Schöpfer der "Dilbert"-Comics. In dem Buch mit dem Untertitel "Überzeugungskraft in einer Welt, in der Fakten keine Rolle spielen" schreibt Adams, dass Trump eine Technik anwendet, die der Autor als "gezielte Falschüberredung" bezeichnet, und "jede beliebige Realität erfinden kann", denn "man wird sich nur daran erinnern, dass er seine Gründe nannte, dass er sich nicht entschuldigte, und dass seine Gegner ihn wie immer als Lügner bezeichneten."
Woodward war schon klar, dass nichts davon dazu dienen sollte, Trump zu kritisieren, sondern nur dazu, ihn besser zu verstehen. Dennoch war Woodward überrascht und schreibt: "In Kombination stellen die vier Texte von Kushner Präsident Trump als verrückt, orientierungslos, störrisch und manipulativ dar. Ich konnte kaum glauben, dass irgendjemand sie als eine Möglichkeit empfehlen würde, seinen Schwiegervater zu verstehen, geschweige denn den Präsidenten, an den er glaubt und dem er dient."
© CNN International
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