Ein Aufschrei des Verbandes Deutscher Realschullehrer gegen "Denunziationsplattformen" und Kritik aus dem Bund und den Ländern: Die von der AfD derzeit in zwei Bundesländern eingerichteten Online-Melde-Plattformen für Lehrer, die aus ihrer Sicht ein "links-grünes Weltbild" propagieren, stoßen auf breite Kritik aus Verbänden und Politik. Ein AfD-Landtagsabgeordneter aus Baden-Württemberg will nun die vollen Namen betroffener Lehrer und Professoren veröffentlichen.

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Die Online-Plattformen der AfD zur Meldung politischer Äußerungen von Lehrern stoßen bei Bundesländern und Bundesregierung auf Kritik und Empörung. Die Länder seien entschieden gegen Internetportale, in denen Schüler ihre Lehrkräfte wegen vermeintlicher parteipolitischer Einflussnahme denunzieren sollen, sagte der Chef der Kultusministerkonferenz (KMK), Thüringens Ressortchef Helmut Holter (Linke), am Donnerstag nach einer KMK-Sitzung in Berlin. "Das führt im Ergebnis zu einer Vergiftung des Schulklimas." Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Organisierte Denunziation ist ein Mittel von Diktaturen." Die Rechtspopulisten wollen mit den Portalen dagegen vorgehen, wenn Lehrer gegen sie argumentieren. Nach der Hamburger AfD stellte auch die AfD in Baden-Württemberg eine Meldeplattform online.

Kritik aus Bund und Ländern

Barley sagte: "Wer so etwas als Partei einsetzt, um missliebige Lehrer zu enttarnen und an den Pranger zu stellen, gibt viel über sein eigenes Demokratieverständnis preis." Holter meinte, Lehrer sollten in ihrem Bemühen zur Demokratiebildung, der Erziehung zu Menschenrechten und im Eintreten für Toleranz unterstützt werden. Schule müssten Kenntnisse der freiheitlichen und demokratischen Grund- und Menschenrechte vermitteln. "Zur Demokratiebildung gehört auch zu vermitteln, dass es einen nicht verhandelbaren Kernbestand unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gibt."

Baden-Württembergs Ressortchefin Susanne Eisenmann (CDU) hatte die Plattform-Pläne als "völlig daneben" bezeichnet. Nordrhein-Westfalens Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) verurteilte das AfD-Vorgehen ebenfalls mit deutlichen Worten. Der Chef des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, bekräftigte im ZDF, die Lehrer wiesen den Vorwurf, sie würden einseitig zuungunsten der AfD informieren, aufs Schärfste zurück. Der Verband Deutscher Realschullehrer (VDR) forderte ein klares Bekenntnis der KMK gegen Denunziationsplattformen. Die Dienstherren müssten sich vor ihre Lehrkräfte stellen.

Aktionen der AfD

Der Vorwurf der AfD lautet, dass Lehrer, die sich kritisch über die AfD äußern, ihr Neutralitätsgebot verletzen. In parlamentarischen Anfragen sammelten sie Hinweise auf solche Fälle. Sie legte auch mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden ein. AfD-Vizechef Georg Pazderski wies die Kritik Barleys zurück. Er sagte, die Online-Portale in Berlin, Brandenburg, Hamburg und Niedersachsen seien "unbedingt notwendig, weil in vielen Schulen von Lehrern nur noch ein einseitiges links-grünes Weltbild verbreitet und geduldet wird". Lehrer, die im "Fuck AfD"-T-Shirt unterrichteten, hätten an den Schulen nichts zu suchen.

In Stuttgart schaltete der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple nun ein entsprechendes Portal frei. Schüler können dort Lehrer, Studenten Professoren melden. Ihm seien wiederholt "Belege für Hetze gegen die AfD im Unterricht" zugespielt worden, obwohl Lehrer neutral zu sein hätten, sagte Räpple der Deutschen Presse-Agentur. Anders als in Hamburg sollen im Südwesten die Namen von Lehrern oder Professoren veröffentlicht werden. "Das sind öffentliche Personen mit hoheitsrechtlichen Aufgaben", sagte Räpple. Es müssten Belege vorliegen, etwa Unterrichtsmaterial oder Klausuren, bei denen die Fragen darauf abzielten, die AfD negativ darzustellen. Laut den Zeitungen der Funke Mediengruppe gibt es in insgesamt zehn Ländern Pläne oder Überlegungen für solche AfD-Plattformen.

Die rechtliche Seite

Holter sagte im SWR, die Länder prüften juristische Schritte. Ein Verbot der Meldeportale sei rechtlich aber schwierig. Bei Lehrern wiederum ist die Grenze zwischen statthafter Positionierung und zuviel Beeinflussung der Schüler nicht einfach zu ziehen. Seit den 70er Jahren gibt es eine Übereinkunft im Bildungsbereich, nach der Lehrer den Schülern ihre Meinung nicht aufdrängen dürfen, sie Themen ausgewogen besprechen und die Schüler zu selbstständigen Entscheidungen anleiten müssen. Im Konfliktfall gilt dieser so genannte Beutelsbacher Konsens unter Juristen aber als schwer konkret anzuwenden. Juristen und Experten betonten in der bereits seit Wochen laufenden Debatte über das AfD-Vorgehen zudem in verschiedenen Medien, dass Lehrer Recht auf Meinungsfreiheit haben und den demokratischen Grundsätzen verpflichtet seien.

Lehrer bei der AfD

Die Partei hat selbst auch Lehrer in ihren Reihen. Wie viele es genau sind, ist nicht bekannt. Zu ihren prominenteren Pädagogen zählen der rechtsnationale Thüringer AfD-Fraktionschef, der ehemalige Geschichtslehrer Björn Höcke, und der bildungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Götz Frömming, ein Gymnasiallehrer aus Berlin. Die AfD-Fraktionen in Bund und Ländern fordern, spezielle Lehrpläne für das Fach "Heimatkunde" zu entwickeln und dieses Fach in den ersten vier Schuljahren zu unterrichten. (mc/dpa)

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