• Frankreich hat einen neuen Stern am Politik-Himmel.
  • Der rechtspopulistische Éric Zemmour hetzt gegen Ausländer und bereitet sich darauf vor, die Präsidentschaftswahl im April aufzumischen.
  • Trotz seiner extremen Positionen scheint Zemmour gegen Marine Le Pen und Amtsinhaber Emmanuel Macron echte Chancen zu haben.

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Frankreich könnte bald seinen eigenen Donald Trump haben. Die Rede ist vom Journalisten und Publizisten Éric Zemmour, der derzeit den Vorwahlkampf im Nachbarland kräftig aufmischt. Noch ist Zemmour kein Politiker, er wird aber voraussichtlich im Dezember ankündigen, bei der französischen Präsidentschaftswahl im April 2022 zu kandidieren.

Diese Aussicht versetzt den Politikbetrieb über Frankreich hinaus in Aufruhr, denn Zemmour gilt als Rechtspopulist mit extremen Ansichten: Er ist dafür bekannt, gegen Ausländer und insbesondere Muslime zu polemisieren, sie für alle Missstände verantwortlich zu machen und so eine negative Stimmung im Land anzuheizen. Regelmäßig warnt er etwa davor, Frankreich stünde unmittelbar vor einem Bürgerkrieg.

Mit dieser Art der Meinungsmache verstößt Zemmour immer wieder gegen Gesetze: Zuletzt musste er sich am 17. November vor Gericht verantworten, weil er vor rund einem Jahr in einer TV-Sendung minderjährige Migranten als "Diebe, Mörder und Vergewaltiger" bezeichnet hatte, die "alle" ausgewiesen werden müssten.

Verurteilter Volksverhetzer mit politischen Ambitionen

Das Urteil steht noch aus, doch in der Vergangenheit ist Zemmour bereits zweimal wegen Volksverhetzung zu Geldstrafen verurteilt worden. Aber diese offensichtlichen Tendenzen zur Hetzerei und Ausländerfeindlichkeit scheinen seine Chancen auf das höchste politische Amt Frankreichs nicht zu schmälern – ganz im Gegenteil.

Umfragen zufolge liegt Zemmour derzeit auf dem zweiten Plaz gleichauf im Rennen um die Präsidentschaft mit der Rechtspopulistin Marine Le Pen, Vorsitzende des Rassemblement National. Bis Zemmour kürzlich die politische Bühne betrat, war Le Pen noch als alleinige stärkste Konkurrentin für die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron gehandelt worden.

Doch wenn sich die Umfragen weiter so entwickeln, könnte Zemmour ihr den Platz in der Stichwahl um die Präsidentschaft neben Marcon streitig machen. "Bei der ersten Wahlrunde reicht es, einen Prozentpunkt mehr zu haben, als der politische Gegner, um diesen auszustechen", bestätigt Ronja Kempin, Frankreich-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Dieses System ermöglicht es auch Politik-Neulingen, die Präsidentschaftswahl zu gewinnen, wie es zuletzt Macron vorgemacht hatte.

Zemmour ist auf Trumps Spuren unterwegs

Auch wenn es aus deutscher Perspektive überraschend erscheint: "Um in das Rennen um die Präsidentschaft eintreten zu können, müssen die Kandidatinnen und Kandidaten nur 500 Unterschriften von Mandatsträgern wie Abgeordneten, Bürgermeistern oder Regionalratsmitglieder einsammeln", erklärt Kempin. Mitglied einer Partei zu sein, ist nicht notwendig.

Diese Unterschriften zu erhalten, dürfte für Zemmour kein Problem sein, denn er ist seit Jahrzehnten in der konservativen Szene Frankreichs präsent und "hervorragend vernetzt", wie Kempin ihm attestiert. So schrieb der in Paris geborene Sohn algerischer Eltern ab 1996 für die wichtige konservative Zeitung "Le Figaro" und hatte eine TV-Show, in der er sich mit den Alltagsproblemen der Menschen beschäftigte.

Dort lernte er die Probleme der Wähler kennen und verstand, auf sie einzugehen. "Diese Fähigkeit unterscheidet ihn von vielen seiner politischen Mitbewerber, weil er damit die Wähler sehr gut ansprechen kann", erklärt Kempin. Wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump sammelte also auch Zemmour Erfahrung im Fernsehen und steigerte dort seinen Bekanntheitsgrad.

Zemmour selbst erklärte der Zeitung "Welt" seinen Erfolg kürzlich so: "Ich spreche aus, was keiner zu sagen wagt, worauf aber alle gewartet haben." Er sagte weiter, dass die Franzosen eben auf jemanden gewartet hätten, der ihnen sage, dass Frankreich in "Lebensgefahr schwebt, dass es von einer noch nie da gewesenen Migrationswelle überrollt wird, dass ganze Teile des Landes heute islamistische Enklaven sind".

Millionen für den Wahlkampf benötigt

Für seine rechte Konkurrentin Le Pen wird Zemmour mit diesen ausländerfeindlichen Parolen, für die sie zuvor bekannt gewesen war, zunehmend zum Problem: "Le Pen hat ihre Partei zuletzt mehrfach neu ausgerichtet und versucht, sie moderater und somit regierungsfähiger zu machen. Dabei hat sie an Glaubwürdigkeit verloren", sagt Kempin. Zemmour als Politik-Neuling hat dieses Problem nicht – er wird mit seinen extremen Ansichten als gradlinig und authentisch angesehen.

Gerade in den konservativen Milieus Frankreich, die globalisierungs- und migrationskritisch sind, könnte er mit seinem Kurs Stimmen einsammeln und damit auch Le Pen substanziell Unterstützung abnehmen. Ob es Zemmour allerdings wirklich gelingen wird, bei der ersten Wahlrunde im Frühjahr mehr Stimmen zu erhalten als seine Konkurrentin, ist unklar. Auch Kempin will sich nicht festlegen.

Schließlich fehlt außer den 500 Unterstützern auch noch eine Menge Geld: Macron soll bereits fünf Millionen Euro für seinen bevorstehenden Wahlkampf eingesammelt haben. Zemmour müsste auf eine ähnlich hohe Ziffer kommen, um ein ernstzunehmender Konkurrent zu sein. Von links droht indes keine Gefahr: Die französische Linke ist zerstritten und wird es wohl nicht schaffen, einen mehrheitsfähigen Kandidaten aufzustellen.

Über die Expertin: Dr. phil. Ronja Kempin ist Senior Fellow für die EU und Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Den Schwerpunkt ihrer Arbeit hat sie auf die deutsch-französischen Beziehungen und die Rolle des Front National sowie des Populismus in Frankreich gelegt. Zu dem Thema veröffentlichte sie etwa nach den vergangenen Wahlen den Artikel "Gespaltenes Land, Ende der etablierten Parteien? Frankreichs politisches System 'in Bewegung'".

Verwendete Quellen:

  • welt.de: Der Messias der französischen Rechten
  • swp-berlin.org: Ronja Kempin
  • swp-berlin.org: "Gespaltenes Land, Ende der etablierten Parteien? Frankreichs politisches System ‚in Bewegung‘"
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