• Die AfD hat sich von Freitag (17.) bis Sonntag im sächsischen Riesa zu ihrem Bundesparteitag getroffen.
  • Ab sofort wird die Partei von der Doppelspitze aus Tino Chrupalla und Alice Weidel geführt.
  • Ein Experte erklärt, was das für den Kurs der AfD bedeutet und warum er sich sicher ist, dass Björn Höckes Einfluss nicht unterschätzt werden sollte.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen der Autorin bzw. des zu Wort kommenden Experten einfließen. Hier finden Sie Informationen über die verschiedenen journalistischen Textarten.

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Es kam so, wie die meisten Beobachter bereits im Vorfeld erwartet hatten: Die neue Doppelspitze der AfD heißt Tino Chrupalla und Alice Weidel. Das haben die Delegierten auf dem Bundesparteitag im sächsischen Riesa beschlossen. Chrupalla, der seit dem Weggang von Jörg Meuthen die Partei alleine geführt hatte, wurde dabei mit 53 Prozent im Amt bestätigt und setzte sich gegenüber dem Gegenkandidaten Norbert Kleinwächter durch.

Alice Weidel kam bei der Wahl für den zweiten Vorsitz auf deutlichere 67 Prozent, ihr unterlag der Europaabgeordnete Nicolaus Fest. In ihrer Bewerbungsrede hatte Weidel mehr Geschlossenheit gefordert und gesagt: "Hören wir doch auf mit den haltlosen Anwürfen in der Öffentlichkeit." Die AfD sei kein Auslaufmodell, sie sei die Partei der Zukunft.

Experte: "Höckisierung der AfD"

Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder hat den Parteitag vor Ort verfolgt. Er sagt: "Der ungekrönte König heißt Björn Höcke. Er hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Neuaufstellung, die wir aktuell erleben." Es sei eine "Höckisierung" der AfD zu beobachten. "In der gesamten Führungsebene – vom Schiedsgericht über Beisitzer bis hin zu den stellvertretenden Bundessprechern – ist das engere und weitere Höcke-Umfeld stark verankert", analysiert Schroeder.

Solche, die Kritik am offiziell aufgelösten Flügel geübt hätten oder üben würden, seien nicht mehr zum Zug gekommen. Als stellvertretende Bundessprecher wurden der bisherige Parteivize Stephan Brandner, der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer und seine Fraktionskollegin Mariana Harder-Kühnel gewählt. Erika Steinbach scheiterte an der Wahl zur Vize-Chefin.

Schroeder beobachtet: "Die Partei sortiert sich neu, indem sie sich verengt. Die inneren Konflikte sollen dadurch minimiert werden, um handlungsfähiger zu sein." Die Flügel-Vertreter stellten es so dar, als hätten die Meuthen-Vertreter in der Vergangenheit unnötige Debatten organisiert, die die AfD in Misskredit gebracht hätten. "So etwas gilt es nun aus ihrer Sicht zu verhindern", kommentiert der Experte.

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Chrupalla: "Ära Meuthen beendet"

Passend dazu hatte Chrupalla in seiner Bewerbungsrede innerparteiliche Gegner kritisiert: "Ich bin der Bundessprecher der Basis, und wenn ich angegriffen werde, dann nur deshalb, weil die Basis zum Schweigen gebracht werden soll", sagte er. Er sprach von "hinterhältigen" Angriffen gegen ihn selber und "Flügelkämpfe" im bisherigen Bundesvorstand. In der AfD müsse künftig mehr Disziplin herrschen.

"Die Ära Meuthen ist mit dem heutigen Tag auch beendet", hatte Chrupalla auch gesagt. Meuthen hatte der AfD zunehmend "totalitäre Anklänge" bescheinigt und die offene Auseinandersetzung mit den radikalen Kräften in der AfD gesucht. Vor Kurzem trat der Ex-AfD-Politiker der Zentrums-Partei bei.

Nun scheinen die Nationalisten in der AfD ein freieres Spiel zu haben, auch, wenn sie die gemäßigteren Teile weiterhin mitnehmen müssen. "Chrupalla ist kein Stratege, er ist in hohem Maße abhängig von der Unterstützung des Flügels, der inoffiziell weiter auf allen Ebenen existiert", analysiert Schroeder. Aus eigener Kraft habe Chrupalla den Parteivorsitz nicht halten können, ist er sich sicher. Die Unterstützung von Höcke bestehe vor allem darin, dass er Chrupalla gewähren lasse. "Er greift ihn nicht an, sondern sieht in ihm einen vertrauenswürdigen Kooperationspartner", so der Politikwissenschaftler.

Gleichzeitig beobachtet er auch: "Höcke sucht selbst verstärkt die Bühne. Er ist kein Outlaw, der nur als Radikaler identifiziert wird, sondern er findet ebenso viel Zuspruch von den sogenannten gemäßigteren Delegierten, weil er auch ihre Sehnsucht nach Orientierung wie niemand anders anspricht." Rückenwind gab dem Fraktionsvorsitzendem im Thüringer Landtag auch eine wichtige Satzungsänderung, die er unterstützt hatte.

Bruch mit eigenen Zielen

Für zwei weitere Jahre stellt sich die AfD noch mit einer Doppelspitze auf, danach ist aber theoretisch eine Einzelspitze möglich. Höcke hatte selbst gesagt es sei für eine Einer-Spitze jetzt noch "zu früh". Schroeder sieht in der Satzungsänderung eine Art "Vorratsbeschluss" für Höcke. "Gut möglich also, dass der Parteichef dann 2024 Höcke heißt", sagt er.

Bei der jetzigen Abstimmung hatte sich Höcke nicht zur Wahl gestellt. Die nun gewählten Chrupalla und Weidel sind bereits gleichberechtigte Vorsitzende der Bundestagsfraktion. Schroeder hält das für einen Bruch mit den einst angekündigten Zielen. "Als die AfD gestartet ist, wollte sie eigentlich eine Partei neuen Typs sein, ohne Hinterzimmer-Politik, Doppel-Mandatierung und Mehrfachfunktionen", erinnert er. Jetzt habe die AfD aber noch viel stärker als in allen anderen Parteien eine Doppelspitze, die in beiden Zentren der Partei – Vorstand und Fraktion – das Sagen hat.

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Über den Experten:
Prof. Dr. Wolfgang Schroeder ist Politikwissenschaftler an der Universität Kassel. Er lehrt als Professor für das politische System der Bundesrepublik Deutschlands.
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