Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will Geflüchtete ohne Bleiberecht nun "im großen Stil" abschieben. Das Bundeskabinett soll dazu am Mittwoch ein Gesetz von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) beschließen, das auf mehr und schnellere Rückführungen abgelehnter Asylbewerber zielt. Warum dies bisher so schwierig ist und was Faesers Pläne vorsehen:

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Wie viele Menschen waren zuletzt ausreisepflichtig?

Ende des ersten Halbjahrs gab es laut Bundesregierung formal 279.098 Ausreisepflichtige. 224.768 von ihnen hatten aber eine Duldung zum Verbleib in Deutschland. Damit war die Abschiebung in vier von fünf Fällen vorerst ausgesetzt. Gründe können die Sicherheitslage im Herkunftsland, Kinder mit Aufenthaltserlaubnis, eine begonnene qualifizierte Berufsausbildung, Krankheit oder das Fehlen von Pass- und Reisedokumenten sein.


Wie viele Abschiebungen gab es zuletzt?

Im ersten Halbjahr wurden laut Bundesregierung 7861 Menschen abgeschoben. Dies waren 27 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. 2022 gab es insgesamt 12.945 Abschiebungen - acht Prozent mehr als im Jahr zuvor.


Warum scheitern viele Abschiebungen?

Im Jahr 2022 sind laut Bundesregierung 23.377 geplante Abschiebungen abgebrochen worden. Damit wären zwei Drittel der vorgesehenen Rückführungen gescheitert. In gut 15.000 Fällen gibt die Bundesregierung als Grund "Stornierung des Ersuchens" an - dies passiert häufig, wenn Abschiebeflüge kurzfristig gestrichen werden.

In knapp 7000 Fällen wurde "nicht erfolgte Zuführung" als Grund angegeben. In diesem Fall sind abschiebepflichtige Ausländer in der Regel nicht auffindbar. Weitere Gründe für gescheiterte Abschiebungen waren unter anderem aktiver (32 Fälle) oder passiver Widerstand der Betroffenen (224 Fälle) sowie die Beförderungsverweigerung durch die Airline oder Reederei (206 Fälle) und medizinische Gründe (90 Fälle).


Welche zusätzlichen Befugnisse erhält die Polizei durch Faesers Gesetz?

Durchsuchungsmöglichkeiten für die Polizei werden erweitert. Das gilt einerseits für die Suche nach Dokumenten zur Identität des Betroffenen, um etwa seinen Heimatstaat festzustellen. Andererseits sollen Beamte in Gemeinschaftsunterkünften künftig auch andere Räume als das Zimmer des Abschiebepflichtigen durchsuchen dürfen.

Auch die Abholung von Betroffenen zur Nachtzeit soll fortan möglich sein, wenn dies aus organisatorischen Gründen erforderlich ist und nicht durch die deutsche Behörde beeinflusst werden kann - etwa wenn ein durch einen anderen Staat organisierter Abschiebeflug am frühen Morgen startet.


Welche Haftmöglichkeiten werden erweitert?

Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden. Dies gibt Behörden mehr Zeit, eine Abschiebung vorzubereiten und soll das "Untertauchen des Abzuschiebenden" verhindern. Darüber hinaus wird ein eigenständiger Haftgrund bei Verstößen gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote geschaffen. Dies betrifft Ausländer, die zunächst erlaubt nach Deutschland eingereist sind und später ausreisepflichtig geworden sind. Zudem wird die Möglichkeit der sogenannten Mitwirkungshaft auf Fälle ausgeweitet, bei denen ein Ausländer Angaben zur Klärung seiner Staatsangehörigkeit unterlässt.


Wie soll die Abschiebung von Schleusern beschleunigt werden?

Im Aufenthaltsgesetz sollen Regelungen geschaffen werden, die ihre Ausweisung erleichtern. Ein "besonders schweres Ausweisungsinteresse" soll dabei künftig vorliegen, wenn es zu einer Verurteilung wegen Schleusung von mindestens einem Jahr kam. Ein "schweres Ausweisungsinteresse" soll auch bei weniger bestraften Delikten vorliegen, etwa Hilfeleistungen zur Schleusung.


Wie soll die Abschiebung von Clanmitgliedern erleichtert werden?

In Paragraf 54 des Aufenthaltsgesetzes wird ein neuer Ausweisungstatbestand für organisierte Kriminalität geschaffen. Er soll für ausländische Angehörige von Banden oder kriminellen Clans auch "unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung" gelten. Generell soll die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern erleichtert werden.


Wird das Paket Abschiebungen tatsächlich beschleunigen?

Faesers Paket gibt Polizei und Behörden mehr Befugnisse bei der Durchsetzung von Abschiebungen. Aber auch der Bundesregierung ist bewusst, dass dies nur eine Seite der Medaille ist: Denn ohne aufnahmebereite Herkunftsländer sind Abschiebungen nicht möglich. Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann räumte am Montag ein, dass Verhandlungen über Rückführungs- und Migrationsabkommen "keine einfachen Vorgänge" seien. Die Aushandlung brauche Zeit. Die Bundesregierung arbeite aber intensiv daran.  © AFP

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