• Jede Partei hat eine Stiftung, die in enger Verbindung zu ihr steht. Bei der AfD ist das die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES).
  • Da die AfD im September zum zweiten Mal in den Bundestag eingezogen ist, steht ihrer Stiftung - wie den anderen parteinahen Stiftungen - ein Förderbetrag in Millionenhöhe zu.
  • Die Förderung der parteinahen Stiftungen ist derzeit recht intransparent, es gibt kein Gesetz, das sie regelt.

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Die Debatte begann schon vor der Bundestagswahl 2021, als klar wurde, dass die AfD zum zweiten Mal nach 2017 in den Deutschen Bundestag einziehen würde. Das zweite Mal im Bundestag bedeutet für die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES), dass sie ein Anrecht hat, Geld aus einem Topf für die parteinahen Stiftungen zu bekommen. 2020 waren darin laut Bund der Steuerzahler (BdSt) 542 Millionen Euro.

Obwohl es sich dabei um Steuergeld handelt, gibt es kein Gesetz, das "Anspruch, Umfang, Obergrenzen, Verwendung und Kontrolle der Steuermittel regelt", kritisiert der BdSt schon länger. Stattdessen gibt es nur eine gemeinsame Erklärung der parteinahen Stiftungen, namentlich der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES; SPD-nah), der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS; CDU-nah), der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS; CSU-nah), der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS; FDP-nah) und der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS; Grünen-nah). Sie stammt aus dem Jahr 1999, etwas später trat ihr auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS; Linken-nah) bei.

In ihrer gemeinsamen Erklärung schreiben die Stiftungen zwar von einer "selbstgesetzten Verpflichtung", die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit und die Verwendung ihrer Mittel zu informieren. Welche Stiftung jedoch Geld bekommt und wie viel, obliege "der parlamentarischen Entscheidung", konkret: dem Haushaltsausschuss des Bundestages. Gerechtfertigt sei eine Förderung, wenn die der Stiftung nahestehende Partei "wiederholt" in den Bundestag einzieht.

Das ist der AfD bei dieser Bundestagswahl gelungen und damit hat sie nach dem Gewohnheitsrecht Anspruch auf einen zweistelligen Millionenbetrag - wenn man von den bisherigen Gesamtfördersummen ausgeht und davon, dass die Stiftungen nach dem Durchschnitt der letzten gefördert werden.

Dass die Erasmus-Stiftung die Förderung will, bestätigte Erika Steinbach, seit 2018 Vorsitzende der Stiftung, vor einigen Wochen NDR und WDR. So klar war das nicht immer: Teile der AfD hätten immer wieder gegen das Wesen staatlich finanzierter, parteinaher Stiftungen gewettert, heißt es.

Was macht eine parteinahe Stiftung wie die Erasmus-Stiftung?

Auf ihrer Website schreibt die Erasmus-Stiftung, dass sie "ideell der Alternative für Deutschland (AfD)" nahestehe, aber "rechtlich und tatsächlich unabhängig sei". Sie setze sich "für die Förderung des demokratischen Staatswesens und die Vermittlung staatsbürgerlicher Bildung" ein.

Ihre Aufgabe bestehe darin, "durch die Vermittlung staatsbürgerlicher Bildung mitzuhelfen, Klarheit und Transparenz zu schaffen". Zu ihren Mitteln gehören - wie bei anderen parteinahen Stiftungen - Seminare, Vorträge, Publikationen, Tagungen der sogenannten Politischen Akademie als Forum, die Vergabe von Forschungsaufträgen und Stipendien und das Pflegen von Auslandskontakten.

"Parteinah heißt wirklich nah an der Partei"

Obwohl formal unabhängig, gibt es immer Verbindungen zwischen einer Stiftung und ihrer Partei. "Parteinahe Stiftungen sind nicht nur dem Namen nach nah an der Partei - manchmal sind sie es sogar räumlich", sagt der Politikwissenschaftler Florian Hartleb unserer Redaktion. Tatsächlich seien sie so etwas wie ein verlängerter Arm der politischen Parteien und der Fraktionen.

Die Nähe zeigt sich auch personell: Der heutige Vorsitzende der Ebert-Stiftung ist Martin Schulz, der ehemalige Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat der SPD, der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung ist der Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert. Das sind aber nur zwei Beispiele von vielen. "Stiftungen sind in der Praxis oft eine Art Versorgungsstation für ehemalige Politiker", erläutert Hartleb.

Veranstaltungen mit AfD-Inhalten, aber ohne AfD-Label

Auch der Politikwissenschaftler Carsten Koschmieder von der FU Berlin erklärt, es sei nicht ausgeschlossen, dass in Stiftungen "Parteiarbeit auf andere Art fortgeführt wird". So sei es zum Beispiel nicht unüblich, dass jemand ein von einer Stiftung vergebenes Promotionsstipendium dazu nutzt, auch für die Partei ehrenamtlich zu arbeiten, sagte Koschmieder im Gespräch mit unserer Redaktion. "Außerdem veröffentlichen die Stiftungen wissenschaftliche Studien, die der Partei in der politischen Auseinandersetzung Argumente an die Hand geben können."

Auf die AfD bezogen bedeutet das: "Sie wird über ihre Stiftung Themen setzen, die problematischen Charakter haben - von Klimawandel-Leugnung bis zu Corona-Skepsis, mit Manipulation durch Meinungsbildung", sagt Florian Hartleb. Wobei die Mittel, wie gesagt, sind: Tagungen, Diskussionsforen, Veranstaltungen, Studien, zum Teil auch Unterrichtsmaterial oder Material für die Lehrerweiterbildung. Auf all dem steht dann aber nicht "AfD" als Label, sondern die Desiderius-Erasmus-Stiftung, von der vielleicht einige, die das Material verwenden, gar nicht wissen, wofür sie steht.

Warum gibt es kein Stiftungsgesetz?

Ein Hinweis darauf, wie eng Partei und Stiftungsarbeit zusammenhängen, zeigt sich schon an diesem kleinen Beispiel: Für Mitte Dezember hat die Erasmus-Stiftung einen Vortrag angekündigt, deren Titel lautet "Bundesamt für Verdächtigungen? Der Verfassungsschutz als Instrument der Politik“.

Der Bezug zur Partei ist hier überdeutlich: Die Jugendorganisation der AfD wird vom Verfassungsschutz beobachtet, die Gruppierung "Der Flügel" um Björn Höcke wurde vom Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft, bis sie sich - zumindest formal - selbst auflöste. Seit einigen Monaten wird Höckes AfD-Landesverband in Thüringen beobachtet, über die Einstufung der Gesamt-AfD als Verdachtsfall wird derzeit vor Gericht gestritten.

Der Titel der Veranstaltung auf der Erasmus-Website scheint damit zu sagen: Alles reine Schikane des politischen Gegners.

Dass Teile der AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden, ist zumindest aktuell offenbar kein Grund, der Erasmus-Stiftung die Förderung aus dem Bundeshaushalt zu verwehren. "Es war ein Versäumnis der letzten Bundesregierung oder des letzten Bundestages, kein Gesetz auf den Weg gebracht zu haben, das Bedingungen für die Vergabe des Geldes an die parteinahen Stiftungen festlegt", sagt Carsten Koschmieder.

Es gebe zwar auch Stimmen, die sagen, das Geld sollte auch ohne Gesetz verwehrt werden können, wenn die Stiftung nicht im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung arbeitet. "Andere halten aber dagegen, dass dies ohne Gesetz vor Gericht keinen Bestand haben dürfte."

"Akteure der Stiftung in der Neuen Rechten gut vernetzt"

Für ein solches Stiftungsgesetz setzen sich unter den Parteien vor allem die Grünen ein. Zudem hat die Otto-Brenner-Stiftung, die Wissenschaftsstiftung der IG Metall vor kurzem eine umfassende Studie zur DES und dem Einfluss der Neuen Rechten in dieser Stiftung veröffentlicht. "Unsere Studie zeigt, dass die DES ein zentraler Baustein für Versuche der Neuen Rechten ist, in Deutschland Hegemonie im vorpolitischen Raum zu erlangen", heißt es dort.

Entscheidende Akteure seien "teilweise seit Jahrzehnten äußerst gut vernetzt und organisiert in der Neuen Rechten". Zudem seien handelnde Akteure "immer wieder mit völkisch-nationalistischen, geschichtsrevisionistischen, rassistischen und antisemitischen Positionen aufgefallen". Mit einer staatlichen Förderung in Millionenhöhe könnte die DES dauerhafte Strukturen schaffen, um derart menschenfeindliche Positionen der Neuen Rechten in der Gesellschaft stärker zu verankern, warnen die Autoren.

Warum nicht die Stiftungsmittel insgesamt kürzen?

Das sieht nicht nur die Otto-Brenner-Stiftung so. Dennoch findet etwa Florian Hartleb die Debatte um die Finanzierung der Stiftung bis zu einem gewissen Grad scheinheilig. Eine Möglichkeit, die finanziellen Mittel der Erasmus-Stiftung herunterzufahren, wäre aus seiner Sicht, die Finanzierung für alle parteinahen Stiftungen herunterzufahren. "Wenn es zum Beispiel um Demokratiebildung geht - das können auch Stiftungen übernehmen, die wirklich unabhängig sind. Offenbar ist das Interesse für diesen Vorschlag aber sehr gering."

Carsten Koschmieder sieht das ähnlich: "Wenn es ein Gesetz gäbe, müssten die Stiftungen unter Umständen offenlegen, was sie mit dem Geld genau machen und wie sie damit wirtschaften. Keine Frage: Stiftungen leisten eine wichtige Arbeit für die Demokratie, allerdings sind ihre Finanzierungsmodelle mitunter fragwürdig." Das hat im Übrigen auch der Bundesrechnungshof bemängelt.

Es sei natürlich einfacher für die Stiftungen, wenn sie keine vollständige Transparenz herstellen müssen, sagt Koschmieder. Die Folge scheint zu sein, dass nun alle damit leben müssen, dass die Erasmus-Stiftung sich ein Stück vom Millionenkuchen einverleibt.

Quelle:

  • Interviews mit den Politikwissenschaftlern Dr. Carsten Koschmieder von der Freien Universität Berlin und Dr. Florian Hartleb
  • Bund der Steuerzahler (BdSt)
  • Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)
  • Gemeinsame Erklärung der parteinahen Stiftungen
  • tagesschau.de exklusiv: Geldsegen für Afd-nahe Stiftung
  • Website der Desiderius-Erasmus-Stiftung
  • Studie der Otto-Brenner-Stiftung: Desiderius-Erasmus-Stiftung - Politische Bildung von Rechtsaußen
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