Mit einer historischen Schraubpresse aus dem 19. Jahrhundert hat Frankreich am Internationalen Tag der Frauenrechte die Aufnahme der "Freiheit zur Abtreibung" in die Verfassung feierlich besiegelt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekräftigte seinen Wunsch, diese Freiheit auch in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufzunehmen. "In Europa ist heute nichts mehr selbstverständlich und alles zu verteidigen", sagte Macron am Freitag bei einer öffentlichen Zeremonie auf der Place Vendôme vor dem Justizministerium.
"Es ist nur der Beginn des Kampfes", sagte Macron. "Wir werden erst Ruhe geben, wenn das Versprechen (der Gleichberechtigung) überall in der Welt gehalten wird", sagte er. Macron gedachte der 343 Frauen, die sich 1971 in Frankreich öffentlich dazu bekannt hatten, abgetrieben zu haben, und der zahlreichen Frauen, die sich für die Gleichberechtigung eingesetzt haben.
Zuvor hatte Macron die Gräber der bedeutendsten Feministinnen Frankreichs schmücken lassen, unter ihnen die Schriftstellerin Simone de Beauvoir und die Politikerin Simone Veil, die vor knapp 50 Jahren die Entkriminalisierung der Abtreibung durchgesetzt hatte.
Die Siegelpresse von 1810, die üblicherweise im Justizministerium aufbewahrt wird, wurde seit Gründung der aktuellen Republik bislang für 14 Gesetzestexte benutzt, unter anderem für die Abschaffung der Todesstrafe. Sie steht auf einem wuchtigen Holzblock. Das Siegel wird mit einer Spindelschraube in das Wachs gedrückt, das zuvor im Wasserbad erhitzt wurde.
"Ich bin stolz, dass Frankreich seine universelle Tradition pflegt und bei der Verteidigung der Frauenrechte vorangeht", sagte Justizminister Eric Dupond-Moretti in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der Zeitschrift "Vogue". Die französische Entscheidung zur Verankerung der Freiheit zur Abtreibung in der Verfassung sei eine "Botschaft an die ganze Welt".
"Wir versichern den Frauen in Brasilien, Ungarn und Polen, dass ein Schwangerschaftsabbruch keine Freiheit wie jede andere ist, sondern eine, die ihnen erlaubt, über ihre Zukunft zu entscheiden", sagte er. "Die Scham muss beendet werden", sagte er mit Blick auf Frauen, die sich nicht trauen, über eine Abtreibung zu reden.
Dupond-Moretti verwies auf das Beispiel Ungarns, wo abtreibungswillige Frauen die Herztöne des Fötus anhören müssen. "Das kommt in meinen Augen einer Folter gleich", sagte er.
Eine Frage nach seinen persönlichen Erfahrungen mit Abtreibungen beantwortete der Minister ausweichend. "Ich weiß, dass die Entscheidung, abzutreiben, ein Paar zerreißen kann", sagte er.
Mehrere Frauenorganisationen hatten für den 8. März zu einem Streik am Arbeitsplatz, aber auch bei der nicht entlohnten Hausarbeit aufgerufen. Sie wollten damit gegen die anhaltenden Lohnunterschiede protestieren.
In Frankreich betrug der Unterschied 2022 etwa 23 Prozent, was vor allem auf die häufigere Teilzeitarbeit der Frauen zurückgeht. Bei gleicher Arbeitszeit lag der Unterschied bei etwa 15 Prozent. Dies erklärt sich unter anderem dadurch, dass Frauen überdurchschnittlich viel in schlechter bezahlten Jobs arbeiten. Die Regierung will bis 2030 zusätzlich 200.000 Kita-Plätze schaffen.
Frankreichs Abgeordnete beider Parlamentskammern hatten am Montag mit großer Mehrheit für die Verfassungsänderung gestimmt, die die "Freiheit zur Abtreibung" erwähnte. Damit wurde Frankreich weltweit das erste Land, das diese Freiheit ausdrücklich in der Verfassung verankerte. Macron hatte mit dem Vorschlag 2022 auf Einschnitte in das Abtreibungsrecht in den USA reagiert.
Die Verfassungsänderung hat in erster Linie symbolischen Charakter. Der Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein ist in Frankreich bis zur 14. Woche gesetzlich möglich. Mehr als 80 Prozent der Franzosen befürworteten die Verfassungsänderung.
Die frühere Gesundheitsministerin Simone Veil hatte vor einem halben Jahrhundert den Weg zum legalen Schwangerschaftsabbruch in Frankreich freigemacht. Im vergangenen Jahr wurden in Frankreich gut 234.000 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. © AFP
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