Am Ende des G20-Gipfels steht eine dünne Abschlusserklärung, die fast nebensächlich wirkt. Denn die wichtigsten Ergebnisse werden am Rande des Gipfels erzielt, ein anderes Format stellt die G20 in den Schatten: G1 plus 1.

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"Der G20-Gipfel war fantastisch", urteilt Donald Trump nach dem Wirtschaftsgipfel in Osaka. Am Ende einer solchen Zusammenkunft Zufriedenheit zu demonstrieren, das scheint normal. Doch ausgerechnet Donald Trump, der sich an solche Rituale eigentlich nicht hält und auch schon mal erzürnt einen Gipfel im Nachhinein platzen lässt, gibt sich euphorisch.

Bei seiner Abschluss-Pressekonferenz will Trump gar nicht mehr aufhören, Reporterfragen zu beantworten, umgarnt sogar Journalisten, die er in anderen Situationen schon verbal aus dem Saal zu prügeln pflegte. Mehrmals fragt er die weit mehr als 150 versammelten Reporter im Ballsaal des Hotels Imperial: "Sollen wir weitermachen?" Keiner sagt nein. Erst nach 80 Minuten fährt er zum Flughafen, wo die "Air Force One" etwas später als geplant zur nächsten Station in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul startet.

Trump gibt sich zufrieden

Es war ein Gipfel, der ganz nach dem Geschmack Trumps verlief. Seine Zufriedenheit dürfte vor allem mit China zu tun haben: Trump und seine Leute scheinen es geschafft zu haben, im Handelsstreit Peking wieder an den Verhandlungstisch zu bekommen. Das Druckmittel Huawei könnte gewirkt haben. Trump will bei seinem Bann über den Kommunikationsriesen etwas lockerer lassen - wie das aber genau aussieht, sagte er nicht.

In Sachen Nordkorea gelang dem Medienmenschen Trump ein medialer Coup. Über Twitter lud er Machthaber Kim Jong Un zu einem Handschlag an der innerkoreanischen Grenze ein. Ob das spontan war oder längst geplant, spielt am Ende gar keine Rolle. Trump zwingt Kim in eine Situation, die diesem nicht gefallen kann. Kommt er zum Fototermin, hat Trump seinen Willen samt der dazugehörigen erwünschten Bilder. Kommt er nicht, hat Kim den Schwarzen Peter.

Medienwirksame Effekte stehen im Vordergund

Das sind aber alles Dinge, die mit dem G20-Gipfel eigentlich nichts zu tun haben. Sie haben aber etwas mit dem Prinzip Trump zu tun, das die Gipfel langsam auszuhöhlen droht. Wichtig sind dem US-Präsidenten medienwirksamen Effekte und möglichst spektakuläre Einzeltreffen, bei denen man sich in die Augen schauen und Deals vereinbaren kann: G1 plus 1 statt G20 also.

Es ist der Wettbewerb zwischen zwei Weltpolitik-Konzepten, der in Osaka ausgetragen wird. Auf der einen Seite stehen Einzelgänger wie Trump oder der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, die ihre Politik ganz an nationalen Interessen ausrichten. Auf der anderen Seite sammeln sich die sogenannten Multilateralisten, zu denen Bundeskanzlerin Angela Merkel gehört. Sie halten internationale Institutionen und Regeln hoch und legten deswegen bislang auch großen Wert auf einvernehmliche Abschlusserklärungen bei G20-Gipfeln.

Die gibt es aber nicht mehr, seit Trump dabei ist. Der US-Präsident stieg kurz nach einem Amtsantritt 2017 aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Deswegen schrieb die G20 kurz danach auf ihrem Gipfel in Hamburg erstmals in ihrer Geschichte einen Dissens bei diesem Thema fest. 19 gegen 1.

19 Staaten bekennen sich zum Klimaabkommen

Damals galt die Spaltung als Desaster. In Osaka verkauft Merkel das 19 zu 1 für die Pariser Erklärung als Erfolg: "Es ist gelungen, nach nächtlichen und täglichen Verhandlungen jetzt doch wieder eine 19 zu 1 Erklärung zu haben", sagte sie. Der Grund für die Erleichterung: Es hätte viel schlimmer kommen können. Es gab vier weitere Kandidaten, die sich auf die Seite Trumps hätten schlagen können: Brasilien, die Türkei, Saudi-Arabien und Australien. Dann hätte es nur noch 15 zu 5 gestanden.

Trump wollte eigentlich überhaupt keine Passage zum Klimaschutz in dem Abschlusskommuniqué. Dann hätten die Europäer die Erklärung aber ganz gekippt. Noch nie waren die Verhandlungen so hart wie diesmal. Bis 5 Uhr morgens am Samstag tagen die Unterhändler und dann wieder ab 9.30 Uhr. Erst kurz vor Ende steht das Ergebnis fest. Das Bekenntnis der 19 zum Pariser Klimaabkommen bleib unverändert. Der Preis: Einzelgänger Trump durfte die USA in der Abschlusserklärung als "Führungsnation" beim Klimaschutz loben.

Nächster Gipfel in Biarritz

Zumindest für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war am Ende klar, dass es so nicht weitergehen kann. "Ich denke, wir müssen uns fragen, wozu diese Kommuniqués nützlich sind", sagte er nach Abschluss des Gipfels. Als Gastgeber des nächsten G7-Treffens Ende August in Biarritz will er nun ganz auf eine allgemeine Abschlusserklärung verzichten. Stattdessen soll es Verpflichtungserklärungen geben, wenn sich eine ausreichend großen Gruppe von Teilnehmerstaaten auf Ziele einigen kann.

Nach Vorstellung Macrons sollen dann auch Staaten teilnehmen können, die nicht Mitglied der Gruppe der führenden westlichen Industrienationen (G7) seien. Und auch die Beteiligung von Unternehmen hält er für möglich - zum Beispiel, wenn es um ein Projekt zum Kampf gegen die Umweltverschmutzung durch die Textilwirtschaft geht.

Gerade bei großen Themen wie dem Klimaschutz müsse man viel ambitionierter sein und akzeptieren, dass einige Wirtschaftsmächte guten Willens schneller vorankommen wollten als andere, erklärt Macron seinen Standpunkt. Die Suche nach Einstimmigkeit dürfe kein Bremsklotz für Ehrgeiz sein - auch nicht bei einem Forum wie den G20. Zum diesjährigen Spitzentreffen in Japan zog er eine bittere Bilanz: "Wir haben das Schlimmste verhindern können, aber das Schlimmste zu verhindern, ist nicht genug." (awa/dpa)

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