Er bezeichnet sich selbst als Friedensstifter, aber predigt in der umstrittenen Berliner Al-Nur-Moschee: Seit seinem Auftritt bei Günther Jauch fragen sich viele, welche Gefahr von Abdul Adhim Kamouss und Deutschlands Imamen ausgeht.

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Mit einem gewinnenden Lächeln grinst Abdul Adhim Kamouss in die Runde. Der Imam genießt sichtlich die Aufmerksamkeit, die er zur besten Sendezeit im deutschen Fernsehen bekommt. Günther Jauch hatte den 37-Jährigen zu seiner Gesprächsrunde am Sonntagabend eingeladen. Das Thema: "Gewalt im Namen Allahs – wie denken unsere Muslime?" Doch anstelle von Antworten standen am Ende für manchen Zuschauer plötzlich zwei neue Frage: Wie denkt Kamouss? Und sind Deutschlands Imame gefährlich?

Kein Unbekannter für den Verfassungsschutz

Als "freien islamischen Prediger" hatte Jauch den gebürtigen Marokkaner vorgestellt. Dabei ist Kamouss vor allem bekannt, weil er seit Jahren in der berüchtigten Al-Nur-Moschee in Berlin-Neukölln predigt. Auch für den Verfassungsschutz ist der Imam kein Unbekannter: Schon lange beobachten die Beamten die Moschee, immer wieder taucht sie in den Medien als Kontaktbörse für Salafisten auf. Verbindungen soll zum Beispiel der Ex-Rapper Denis Cuspert haben, der inzwischen für den Islamischen Staat kämpft.

Wie der bekannte Salafist Pierre Vogel gilt auch Kamouss als "Popstar" der Szene. Zu Denis Cuspert sagte er in der Talkrunde nur lakonisch: "Ich konnte den nicht erreichen. Viele sind aber ganz anders."

Kamouss taucht auch im Berliner Verfassungsschutzbericht 2008 auf – zwar nicht namentlich, doch die Beschreibung ist eindeutig. Darin heißt es: In Berlin werde "salafistisches Gedankengut vor allem durch einen aus Marokko stammenden Prediger" verbreitet. Gerade bei jungen Menschen sei der charismatische Mann beliebt, der auch Nicht-Muslime anspreche, indem er Glaubenskunde auf Deutsch vermittle.

Kamouss selbst begründete bei Jauch seine Auftritte in der umstrittenen Moschee so: Sein Ziel sei es, unter den Gläubigen dort den radikalen Frieden zu verkünden. Kamouss der Friedensstifter also?

Predigten von Kamouss genau analysieren

So einfach ist es nicht, glaubt Georges Tamer. Tamer ist Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg und hat die Talkrunde bei Günther Jauch aufmerksam verfolgt. Zwar möchte der Islamwissenschaftler sich nicht aufgrund einer einzelnen Sendung festlegen. Er glaubt aber: Wer so redegewandt wie Kamouss auftritt, könnte auch gefährliche Botschaften verbreiten – wenn er denn wollte. Tamer fordert deshalb: "Man muss seine Predigten genauer analysieren. Nur dann kann man wissen, ob er wirklich ein Friedensstifter ist, wie er sagt."

Rüdiger Seesemann hat genau das gemacht hat und sich Videos von Kamouss im Internet angesehen. Der Professor für Islamwissenschaft an der Universität Bayreuth stellt klar: "Natürlich gibt es Hassprediger, die Gefahr ist real" – aber Kamouss zähle nicht dazu. Seine Videos zeigten, dass er eher "einen gemäßigte Salafismus vertritt, wenn überhaupt", so Seesemann.

Durch Diskussionen wie bei Günther Jauch entstehe leicht ein falsches Feindbild von den Imamen in Deutschland. Dabei gehe die Gefahr vielmehr von Personen aus, die weniger in der Öffentlichkeit stehen. "Rekrutiert wird heute vor allem im Internet", erklärt Seesemann. Eine Radikalisierung in Moscheen sei schon deshalb schwer, weil viele vom Verfassungsschutz überwacht würden.

Der Prediger in der Opferrolle

2012 hat die Deutsche Islam Konferenz eine umfangreiche Studie zum "Islamischen Gemeindeleben in Deutschland" in Auftrag gegeben. Demnach gibt es hierzulande rund 2.350 islamische Gemeinden. Weniger klar ist die Zahl "islamischer Religionsbediensteter": Diese liegt zwischen 1.700 und 2.500, wie es in der Analyse heißt, an der sich auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beteiligte. Die meisten Imame in Deutschland arbeiten dabei hauptberuflich in ihren Gemeinden, erklären die Verbände, die Mitglied der Islam Konferenz sind.

Wie gefährlich ein Prediger im Einzelfall ist, bleibt oft Spekulation. Auftritte wie der von Abdul Adhim Kamouss tragen jedoch kaum zu einer sachlichen Diskussion bei, bestätigt auch Rüdiger Seesemann. Am Ende könnten solche Talkshows gar denen in die Hände spielen, die tatsächlich an einer Radikalisierung interessiert sind. Denn, so deren Logik: Wer wie Kamouss angegriffen und als Opfer in die Ecke gedrängt wird, müsse auch verteidigt werden.

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