Der Attentäter von Halle fertigte Teile seiner Pistolen, einer Schrotflinte und einer Maschinenpistole mit einem 3D-Drucker an. Es war das erste Mal, dass ein Terrorist in Deutschland solche selbst gebauten Waffen nutzte. Kann das einfach jeder machen, und wie hoch ist die Gefahr, dass es funktioniert?

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Mit einem 3D-Drucker können nicht nur harmlose Alltagsgegenstände angefertigt werden, etwa Seifenschalen, Spielzeug oder Teile für den Modellbau. Die Spezialgeräte taugen auch zur Produktion von Waffenteilen, wie das Attentat von Halle am 9. Oktober 2019 gezeigt hat.

Der Rechtsextremist Stephan Balliet wollte in einer Synagoge ein Blutbad anrichten. Er trug mehrere selbst gebaute Waffen bei sich, unter anderem eine Schrotflinte, eine Maschinenpistole und zwei Pistolen.

Allerdings hatten diese Ladehemmungen. Seine beiden Opfer erschoss der Terrorist mit einer konventionellen Waffe. Wegen des Attentats und des zweifachen Mordes steht er derzeit in Naumburg vor Gericht. Der Anschlag ist der Erste in Deutschland, bei dem Waffen aus dem 3D-Drucker eine Rolle spielten.

Wie ein 3D-Druck funktioniert

Beim 3D-Druck entstehen räumliche Gegenstände additiv – sie setzen sich also Schicht für Schicht zusammen. Während normale Drucker mit Tinte oder Toner auf Papier schreiben, wandeln 3D-Printer digitale Entwürfe in reale Objekte um. Meist verwenden sie dazu Kunststoff, der erhitzt, geschmolzen und durch eine Düse gepresst wird.

Die ersten funktionierenden 3D-Drucker entstanden Anfang bis Mitte der 1980er Jahre, schon wenige Jahre später wurden sie in der Industrie verwendet. Dort produzieren die Geräte vor allem Prototypen.

Die Spezialdrucker kommen heute beispielsweise auch in der Medizin zum Einsatz: Zahnärzte fertigen so dreidimensionale Modelle für Kronen und Brücken an, Chirurgen verwenden anatomische 3D-Muster für ihre Operationsplanung.

Schrauben, Federn und Plastikteile ergeben eine Waffe

Für zu Hause gibt es kleinere 3D-Drucker – zu Preisen ab etwa 200 Euro. Mit solchen Geräten können auch Teile von Schusswaffen hergestellt werden, wie das Bundeskriminalamt (BKA) unserer Redaktion bestätigt.

Handwerklich versierte Personen könnten aus diesen Komponenten "unter Verwendung weiterer frei erhältlicher Teile wie Schrauben oder Federn und geeigneter Werkzeuge" Waffen anfertigen, "mit denen Munition verschossen werden kann", erklärt eine Sprecherin.

So ging auch der Halle-Attentäter Stephan Balliet vor: Er hatte sich Bauanleitungen im Internet besorgt, Metallteile bei eBay und in Webshops gekauft und Plastikkomponenten mit einem Drucker hergestellt. Anschließend bastelte er die Waffen und Munition in einfacher Bauweise zusammen – und das ohne Vorkenntnisse im Büchsenmachen.

Gedruckte Waffen funktionieren oft nicht

Gedruckte Waffen verweigerten nicht nur bei dem Attentat von Stephan Balliet den Dienst. "Nach aktuellem Kenntnisstand weisen derart hergestellte Schusswaffen bei Weitem noch nicht die technischen Funktionalitäten und die technischen Sicherheitsstandards moderner und industriell hergestellter Schusswaffen auf", sagt die BKA-Sprecherin.

Kriminelle und Terroristen können deshalb auf diesem Weg kaum in die Waffenfertigung einsteigen: "Nach aktueller Erkenntnislage des BKA ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt 3D-Drucker Privatpersonen uneingeschränkte und unproblematische Möglichkeiten zur Waffenproduktion eröffnen", heißt es vonseiten der Behörde.

Sollte das im Einzelfall trotzdem gelingen, seien die Schusswaffen "regelmäßig von minderer Qualität und auch für den Benutzer nicht oder nur bedingt handhabungssicher", erläutert die Sprecherin.

Nutzer gefährden sich mit Waffen aus dem 3D-Drucker oft selbst

Die größte Gefahr von Waffen aus dem 3D-Drucker geht deshalb nach Angaben des BKA derzeit von den Geräten selbst aus – für denjenigen, der sie benutzt. Das liege an ihrer "technischen Beschaffenheit".

Waffen müssen in Deutschland laut Beschussgesetz amtlich geprüft und zugelassen werden. Unter anderem wird dabei festgestellt, ob die Geräte den Belastungen bei Gebrauch standhalten. Bei Materialien, die beim 3D-Druck verwendet würden, geht die Behörde grundsätzlich davon aus, dass sie dafür nicht die notwendige Material-Festigkeit aufweisen – jedenfalls noch nicht.

So war es auch bei der ersten Waffe, die mit einem 3D-Drucker hergestellt wurde. Der Amerikaner Cody Wilson baut sie 2013 mit einfachen Mitteln. 15 von 16 Teilen stammten aus dem Plastikdrucker, das einzige Metallteil war ein Nagel, der die Munition zündete.

Seine Plastikwaffe nannte der selbsternannte Krypto-Anarchist "Liberator", also Befreier. Die Bauanleitung stellte er frei im Internet zur Verfügung. In Tests funktionierte die Waffe allerdings nicht und splitterte schnell. Experten stuften sie deshalb als Gefahr für Nutzer ein.

Dürfen Waffen selbst gedruckt werden?

Erlaubt ist die Herstellung von Eigenbau-Waffen in Deutschland sowieso nicht. Für 3D-Pistolen, -Maschinenpistolen und -Schrotflinten greift wie für alle Schusswaffen das Waffengesetz.

Es regelt den Umgang mit ihnen und mit Munition – dazu gehört auch die Herstellung. Für die gewerbsmäßige Produktion ist eine "Waffenherstellungserlaubnis" notwendig. Für die nicht gewerbsmäßige Anfertigung ist ein Erlaubnisschein vorgeschrieben. Wer die Berechtigungen nicht hat, begeht laut BKA eine Straftat.

Auch für den Erwerb und Besitz von Munition oder Treibladungspulver zu ihrer Herstellung braucht es eine offizielle Erlaubnis. Und auch wenn Waffen oder Patronen nicht korrekt arbeiten, hilft das nichts: Schon der Versuch der Produktion ist strafbar.

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