Die Politikverdrossenheit bei jungen Menschen ist groß. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Aber es gibt Wege, dem entgegenzusteuern.

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Geringes Vertrauen in Parteien und demokratische Beteiligungsformen hält junge Menschen in Deutschland von politischem Engagement ab. Das ist das Ergebnis einer am Donnerstag in Gütersloh veröffentlichten Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Nur knapp jeder Fünfte der befragten 18- bis 30-Jährigen glaubt demnach, durch eigenes Engagement etwas verändern zu können. Rund 40 Prozent denken, die gesellschaftlichen Verhältnisse ohnehin nicht ändern zu können.

Politik findet bei Jungen statt – wird aber kaum gelebt

Zwar tauschte sich fast jeder Zweite Befragte mit anderen Menschen über Politik aus. Die eigene Meinung trug aber nur ein geringer Teil direkt in die Öffentlichkeit: Online teilten 15 Prozent politische Inhalte, an Versammlungen vor Ort beteiligten sich zwölf Prozent. Längeres Engagement durch Freiwilligenarbeit leisteten nur neun Prozent, und nur ein kleiner Bruchteil der Befragten nahm Kontakt mit politischen Vertretern auf.

Wie und wo sie sich politisch engagieren können, weiß ein großer Teil der Teilnehmenden (43 Prozent) laut der Umfrage nicht. Weniger als jeder Zehnte ist überzeugt, dass politische Parteien offen für die Meinungen junger Menschen sind, und noch weniger glauben, dass Politiker die Bedürfnisse junger Menschen ernst nehmen (8 Prozent). Abseits von Wahlen gebe es zu wenige Beteiligungsmöglichkeiten, bekundete jeder zweite Befragte.

Die Umfrage belege andererseits das grundsätzliche Interesse junger Menschen an gesellschaftlichen und politischen Themen, betonen die Studienautoren. Fast zwei Drittel der Befragten möchte mehr über die gesellschaftspolitischen Themen erfahren, an denen sie jeweils Interesse haben. Hier wurden besonders häufig die Bereiche Krieg und Frieden, Gesundheit, Inflation oder Bildung genannt.

"Junge Menschen in Deutschland würden sich politisch mehr engagieren, wenn sie wüssten, dass ihr Einsatz tatsächlich eine Wirkung entfaltet und ihre Argumente Gehör finden", erklärte Regina von Görtz, Jugendexpertin bei der Bertelsmann-Stiftung. Die Politik solle junge Menschen direkt ansprechen und besser in Entscheidungen einbinden, fügte sie hinzu.

Zur Studie

  • Für die Studie "Junges Engagement für sozialen Wandel" befragte das Meinungsforschungsinstitut Verian 2.532 Menschen aus Deutschland im Alter zwischen 16 und 30 Jahren. Die Befragung erfolgte online im März 2024. Fragen zum politischen Engagement bezogen sich jeweils auf die vergangenen drei Monate.

Junge Menschen in der Lokalpolitik mehr einbinden

Da junge Menschen mehr Vertrauen in die Mitbestimmung auf Lokalebene hätten, sollten Kommunalpolitiker Jugendbeiräte gründen, empfahl von Görtz. Denn viele junge Menschen wüssten nicht, wie sie sich in ihrer Stadt oder Gemeinde einbringen können.Genau hier gelte es anzusetzen, so Regina von Görtz: "Wir brauchen passgenaue und niedrigschwellige Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen in ihrem Umfeld."

Doch neben Strukturen braucht es einen Mentalitätswandel: "Alibi-Beteiligung hilft niemandem. Verantwortliche auf lokaler Ebene müssen jungen Menschen auf Augenhöhe begegnen und ihren Positionen ernsthaft Beachtung schenken“, so von Görtz. Sie nahm besonders Lokalpolitikerinnen und -Politiker in die Pflicht. "Sie können als Vorbilder junge Erwachsene ermutigen, ihre Interessen selbstbewusst zu vertreten. Dadurch könnten junge Menschen erleben, dass ihr Einsatz tatsächlich etwas bewirkt. Das stärkt auch die Demokratie als Ganzes", erläutert von Görtz.

Immerhin etwas mehr als ein Drittel der Befragten kann sich vorstellen, eigene Anliegen durch den Austausch mit Gleichaltrigen, Unterzeichnungen von Petitionen oder Freiwilligenarbeit voranzutreiben. Auch stimmten rund 60 Prozent zu, dass die Demokratie trotz mancher Schwächen noch die beste Regierungsform ist – rund ein Viertel stimmte dem teilweise zu. Allerdings äußert fast jeder Zweite Unzufriedenheit mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert; im Osten ist dieser Anteil höher als im Westen. Gar nicht oder nur wenig zufrieden mit den hiesigen politischen Institutionen zeigte sich allerdings fast die Hälfte. (the)

Verwendete Quellen

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