500 Milliarden Euro hat der EU-Gipfel als erstes Hilfspaket geschnürt. Doch Details sind umstritten und weiter völlig offen. Auf die EU-Staats- und Regierungschef prasselt jede Menge Kritik ein.

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Mutlos und verantwortungslos: Die Ergebnisse des EU-Videogipfels zur Bewältigung der Corona-Wirtschaftskrise stoßen auf heftige Kritik.

"Zukunft wird mit Mut gemacht - leider fehlt dieser den EU-Staats- und Regierungschefs in dieser wichtigen Stunde", sagte der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann nach dem Videogipfel am Donnerstagabend. Der Chef der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, Philippe Lamberts, beklagte, das Problem werde nur aufgeschoben.

Kanzlerin Angela Merkel und die anderen EU-Staats- und Regierungschefs hatten am Donnerstag versucht, ihren Dauerstreit über Corona-Bonds überwinden. Dabei billigten sie zwar ein bereits verabredetes 500-Milliarden-Hilfspaket und vereinbarten die Gründung eines Wiederaufbaufonds, über den noch einmal 1000 Milliarden Euro oder mehr verteilt werden könnten. Details blieben aber völlig offen und ebenso umstritten. Die EU-Kommission soll bis Mitte Mai ein für alle akzeptables Modell ausarbeiten.

Gemeinschaftsanleihen sind hoch umstritten

Bullmann betonte, die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie machten ein umfangreiches Wiederaufbauprogramm nötig. Dies könne nur "durch mehr Solidarität, einen deutlich leistungsfähigeren EU-Haushalt sowie die gemeinsame Finanzierung von Zukunftsaufgaben - auch auf dem Weg von Gemeinschaftsanleihen" zustandekommen.

Aber gerade diese Gemeinschaftsanleihen sind hoch umstritten. Merkel erteilte ihnen am Donnerstag erneut eine Absage. Sie bekräftigte aber, dass Deutschland mehr in den EU-Haushalt einzahlen müsse - ohne eine Größenordnung zu nennen. Auch von der Leyen will bei ihrem Vorschlag für den geplanten "Recovery Fund" den EU-Haushalt nutzen. Sie will Spielräume im EU-Haushaltsrahmen ausweiten und für Garantien nutzen, um damit am Kapitalmarkt Schulden aufzunehmen und in den Wiederaufbau zu stecken. Das soll teils als Zuschuss an die Krisenländer gehen, teils als Kredite. In welchem Verhältnis Kredite und Zuschüsse stehen werden, müsse noch verhandelt werden.

Neben der Ausstattung des Fonds sind vor allem die Modalitäten der Auszahlung der Mittel ein Streitpunkt unter den Mitgliedstaaten. Italien, Spanien, Frankreich und andere drängen auf Transferzahlungen, während nördliche Länder lediglich die Vergabe von Krediten fordern. Der Wiederaufbaufonds "sollte auf Zuschüssen und nicht auf Darlehen beruhen", forderte die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Iratxe García.

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Lamberts von den Grünen warf den Staats- und Regierungschefs vor, verantwortungslos zu handeln. Eine Mehrheit werde ihrer Verantwortung nicht gerecht und schiebe das Problem nur auf. "Das ist Gift für die Idee des europäischen Projekts." Eine Vergemeinschaftung von Corona-bezogenen Schulden sei eine Investition in die Zukunft jedes Europäers, sagte Lamberts. Zugleich sprach er sich für eine deutliche Aufstockung des Mehrjährigen Finanzrahmens der EU für die Jahre 2021 bis 2027 aus.

"Machtpolitische Taktiererei, aber keine Antwort auf die Wirtschaftskrise

"Ich hatte was anderes erhofft, aber mit diesem Ausgang gerechnet", schrieb der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier am Donnerstag auf Twitter. Die Staats- und Regierungschefs hätten sich bei ihrem Gipfel leider nicht auf die Ausgestaltung eines Wiederaufbaufonds einigen können.

Stattdessen soll nun zunächst die EU-Kommission den Bedarf an Hilfen analysieren und dann einen Vorschlag für einen Krisen-Fonds unterbreiten. "Sie schieben die Verantwortung für die Ausgestaltung des Recovery Funds zu Kommissionspräsidentin von der Leyen", kommentierte das der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen. "Das ist machtpolitische Taktiererei, aber keine Antwort auf die Wirtschaftskrise."

"Das Ping-Pong zwischen Eurogruppe, Rat und Kommission muss aufhören", forderte auch der Liberale Guy Verhofstadt. Die Kommission solle sich nun beeilen und an den Vorschlägen des EU-Parlaments orientieren: Der Wiederaufbaufonds müsse "Billionen-schwer" sein, befand der belgische Ex-Regierungschef.

EZB-Chefin Lagarde drängt zur Eile

Merkel ist zwar zu höheren Beiträgen bereit, andere Länder lehnen das jedoch strikt ab. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte nach dem Videogipfel: "Europa befindet sich in einer anderen Situation wegen Corona. Aber das tun die einzelnen Länder auch. Die Coronakrise bedeutet auch, dass der dänische Haushalt ebenfalls anders aussieht." Auch Gemeinschaftsanleihen lehnt Dänemark - wie Schweden - strikt ab.

Die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, drängte die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag zur Eile. Im schlechtesten von drei Szenarien könnte das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone dieses Jahr um 15 Prozent schrumpfen, sagte Lagarde nach Angaben von Teilnehmern beim Gipfel. Sie warnte vor einer zu kleinen und zu langsamen Reaktion. Die Antwort müsse vielmehr schnell, entschlossen und flexibel ausfallen. (hub/dpa/afp)

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