- Eine Rede des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban sorgt europaweit für Empörung.
- Der nationalkonservative Regierungschef war bereits in der Vergangenheit immer wieder mit rassistischen, antisemitischen und ultra-nationalistischen Äußerungen aufgefallen.
- Die jüngste Hetz-Rede ging aber selbst einer sehr engen Vertrauten Orbans zu weit.
Zsuzsa Hegedüs hat den Schlussstrich gezogen. Fast zwei Jahrzehnte beriet die Soziologin den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, zuletzt als Beauftragte des Regierungschefs für gesellschaftlichen Anschluss. Beide waren auch freundschaftlich verbunden. Aus Empörung über rassistische und antisemitische Äußerungen Orbans trat Hegedüs aber am Dienstag zurück.
Hegedüs warf Orban in einem offenen Brief vor, sich deutlich von seinem ablehnenden Kurs gegen Migranten und Europa entfernt zu haben und einen "Goebbels-würdigen reinen Nazi-Text" verfasst zu haben. Joseph Goebbels war in der Zeit des Nationalsozialismus Propagandaminister und zählte zu den engsten Vertrauten Adolf Hitlers.
Orban nutzt rassistisches Konzept
Der Nationalkonservative Orban hatte am Samstag in einer Rede vor Anhängern und Mitgliedern der ungarisch-stämmigen Minderheit in Rumänien im rumänischen Kurort Baile Tusnad erklärt: "Es gibt nämlich jene Welt, in der sich die europäischen Völker mit den Ankömmlingen von außerhalb Europas vermischen. Das ist eine gemischtrassige Welt."
Dem gegenüber gebe es das Karpatenbecken, wo sich europäische Völker wie Ungarn, Rumänen, Slowaken und andere miteinander vermischten. "Wir sind bereit, uns miteinander zu vermischen, aber wir wollen nicht zu Gemischtrassigen werden", hatte er betont. Der ungarische Regierungschef wettert regelmäßig gegen Einwanderer. Bislang hatte er dabei aber das Wort "Rasse" vermieden.
Orban mit weiterem Nazi-Vergleich in Richtung Deutschland
Kritik erntete Orban zudem mit einem Kommentar zum europäischen Plan, Gas zu sparen. "Ich verstehe nicht, wie Mitgliedsstaaten dazu gezwungen werden sollen. Aber Deutschland hat ja ein gewisses Know-how in dem Bereich, wie die Vergangenheit gezeigt hat", sagte er.
"Ja, das ist ein Witz über Gas und Nazi-Deutschland", kommentierte die liberale ungarische EU-Abgeordnete Katalin Cseh. Dies sei "von Hass erfüllte, offen rassistische Sprache", die Folgen haben sollte.
EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas schrieb am Mittwoch auf Twitter: "Hass hat weder auf unseren Lippen noch in unseren Gesellschaften etwas zu suchen." Er betonte: "Wir dürfen niemals zulassen, dass unsere Formulierungen den wesentlichsten Grundsatz unserer Existenz verraten: Wir sind alle gleichermaßen Menschen."
Verband jüdischer Gemeinden in Ungarn äußert "ernste Bedenken"
Der ungarische Großrabbiner Robert Fröhlich erklärte, es gebe auf der Erde nur eine Art, die auf zwei Beinen laufe, arbeite, spreche und gelegentlich denke: "der Homo Sapiens". Der rumänische Außenminister Bogdan Aurescu nannte Orbans Äußerungen "inakzeptabel".
Der Verband der jüdischen Gemeinden in Ungarn äußerte "ernste Bedenken". Der Verband könne mit Orbans Aussagen über eine angebliche "Rassenvermischung" nichts anfangen, erklärte die Organisation am Montag. "Aufgrund unserer historischen Erfahrungen und der mit uns lebenden Familienerzählungen ist es wichtig, gegen missverständliche Äußerungen des öffentlichen Lebens die Stimme zu erheben", hieß es darin weiter. Verbandspräsident Andras Heisler habe deshalb um ein Treffen mit Orban gebeten.
Von Nazis genutztes Konzept
Das unter anderem von den Nationalsozialisten genutzte Konzept, dass es unterschiedliche menschliche Rassen gibt, ist wissenschaftlich nicht haltbar und Teil rassistischer Weltanschauungen. Diese Ideologie schreibt ganzen Gruppen von Menschen aufgrund äußerlicher Unterschiede wie etwa der Hautfarbe fälschlich bestimmte Eigenschaften zu.
Im Zweiten Weltkrieg hatte das NS-Regime zusammen mit dem verbündeten ungarischen Staat rund eine halbe Million ungarische Juden in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Die meisten von ihnen kamen dort in Gaskammern ums Leben. (dpa/afp/mf)
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