In Süddeutschland laufen Keller voll und stehen ganze Innenstädte unter Wasser. Dadurch wird die Debatte um eine mögliche Pflichtversicherung gegen Hochwasserschäden wieder befeuert. Doch wie sinnvoll ist eine solche Pflicht für alle?
Die Schäden gehen in die Millionen, wenn durch Überflutungen ganze Hausstände weggespült und Häuser hinterher unbewohnbar werden. Doch wer zahlt am Ende dafür? Können Anwohnerinnen und Anwohner dies alleine leisten? Muss der Staat dafür einspringen?
Immer wieder, besonders unmittelbar nach Hochwasserlagen, flammt die Debatte um eine Pflichtversicherung gegen Hochwasserschäden auf. Schon vor einem Jahr haben die Bundesländer im Bundesrat eine Initiative für eine solche Pflichtversicherung gestartet. Erst am Dienstag (4. Juni) forderte etwa die saarländische Ministerpräsidentin
Bisher nur etwa jeder zweite Haushalt mit Elementarschadenversicherung
Die Schäden an Häusern und Wohnungen liegen derweil laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft jährlich in Millionenhöhe. Im Jahr 2022 mussten die Versicherungen 180 Mio. Euro an Elementarschäden im Wohnungsbereich regulieren. Dort sind auch Hochwasserschäden inbegriffen. Im Jahr davor gab es einen vielfach größeren Schaden. So beliefen sich die Summen gar auf 4,3 Mrd. Euro. Grund hierfür war unter anderem die Flut im Ahrtal. Diese Schwankungen zeigen, welchen Einfluss starke, nicht vorhersehbare Wetterereignisse auf die Entwicklung der Schadenssummen haben können.
Die Schadenssummen für betroffene Haushalte können sehr hoch werden, dennoch ist längst nicht jeder entsprechend versichert. So liegt die Versicherungsquote nach Informationen des ZDF gegenwärtig nur bei etwa 50 Prozent. Zwar sei bei den meisten Häusern und Wohnungen ein Schutz gegen Feuer, Leitungswasser und Sturmschäden inbegriffen, doch es existiere nur für jeden zweiten Haushalt eine Versicherung gegen sogenannte Elementarschäden, und damit unter anderem auch Hochwasserfolgen.
Pflichtversicherung würde viele Menschen schützen
Muss deswegen also eine Pflichtversicherung her? "Eine Elementar-Schadensversicherung ist etwas, das vielen Leuten im Ernstfall helfen würde", sagt Holger Schüttrumpf, Professor für Wasserbau an der RWTH Aachen, der auch zu Hochwasserrisikomanagement forscht. Ein solcher Schutz als Pflichtmodell wäre ohnehin nicht die einzige Pflichtversicherung, sagt Schüttrumpf, denn gleiches gelte ja auch beim eigenen Auto, bei Renten- oder Krankenversicherung. Und wie es bei der Autoversicherung Unterschiede nach Fahrstil und Automodell gäbe, könnte man auch eine Versicherung gegen Hochwasserschäden entsprechend unterschiedlich ausgestalten.
Die "Hochwasserrisikokarten" etwa gäben eine passende Orientierungshilfe, sagt Schüttrumpf. "Das würde dazu führen, dass diejenigen, die ein höheres Risiko haben, eventuell auch mehr zahlen müssten", sagt der Experte für Hochwasserschutz, "denn wer in einem Überschwemmungsgebiet bauen möchte, weiß auch, dass dort ein höheres Risiko für Hochwasser besteht."
Versicherungswirtschaft und Eigentümerverband kritisch
Die Versicherungswirtschaft hingegen fordert vielmehr "ein Gesamtkonzept aus Prävention, Klimafolgenanpassung und Versicherung." Denn eine Versicherungspflicht für sich genommen würde keinen Schaden verhindern, sagt Jörg Asmussen, Bundesgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). So würden fehlende Prävention und mangelhafte Klimafolgenanpassung die Schäden der Naturkatastrophen und auch die Versicherungsprämien "aus dem Ruder laufen lassen".
Auch der Eigentümerverband Haus und Grund steht einer Pflichtversicherung skeptisch gegenüber. "Dass erst gar keine Schäden entstehen oder diese zumindest minimiert werden, ist die eigentliche Aufgabe der Politik", so Alexander Wiech, Geschäftsführer von Haus und Grund. Gleichzeitig rät aber der Verband den Eigentümern zum freiwilligen Abschluss einer entsprechenden Elementarversicherung.
Zwar hätten Eigentümer ein Interesse am Schutz der eigenen vier Wände und würden daher auch von sich aus Schutzmaßnahmen ergreifen. Vorbeugendes Handeln müsse aber vorrangig durch die Gemeinde vor Ort geleistet werden. Haus und Grund nennt hier etwa Bauverbote in hochgefährlichen Gebieten oder Dammerhöhungen als sinnvolle Maßnahmen.
Kann das französische Modell ein Vorbild sein?
Um eine mögliche Lösung für diese Problemlage zu finden, wagt Jakob Thevis vom Europäischen Zentrum für Verbraucherschutz (ZEV) einen Blick nach Frankreich. Dort einigten sich der Staat, die Rückversicherer und die Versicherungsgesellschaft auf einen Prozentsatz als Teil der Hausrat- und Gebäudeversicherung, erklärt der Verbraucherschützer. Gegenwärtig gäbe es dort einen Jahresbeitrag für die Bürgerinnen und Bürger von 26 Euro.
So sei in Frankreich die Elementarschadenversicherung zwingend in jeder Hausrat- und Gebäudeversicherung enthalten. Es gäbe daher keine eigene Elementar-Pflichtversicherung, wodurch es auch kein "in Deutschland befürchtetes bürokratisches Monster" gäbe, wie Jakob Thevis erklärt. Die Folge: 98 Prozent der französischen Haushalte seien gegen Elementarschäden versichert.
"Die finanzielle Belastung wird somit auf alle Haushalte verteilt und die Prämien bleiben niedrig", sagt Thevis. Damit sei auch für alle Bürger klar, so der Verbraucherschützer vom ZEV: "Wer versichert ist, kann sich auf einheitliche Regelungen zur Entschädigung verlassen – wer nicht, braucht gar nicht erst auf Steuergelder zu hoffen."
Über die Gesprächspartner:
- Dr. Holger Schüttrumpf, Professor an der RWTH Aachen mit einem Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft unter anderem mit dem Forschungsschwerpunkt Hochwasserschutz und Hochwasserrisikomanagement.
- Jakob Thevis, Stellvertretender Vorstand des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz
- Dr. Jörg Asmussen, Bundesgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV)
- Alexander Wiech, Geschäftsführer von Haus und Grund
Verwendete Quellen:
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