Chemnitz kommt nicht zu Ruhe. Erneut treffen sich hunderte Demonstranten zum Protest, nachdem die rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz dazu aufgerufen hatte. Währenddessen trifft sich Ministerpräsident Michael Kretschmer mit Bürgern zum Dialog.
Begleitet von einem starken Polizeiaufgebot und scharfen Kontrollen haben sich am Donnerstagabend nach ersten Schätzungen von Augenzeugen mehr als 1000 Menschen bei einer Protestkundgebung der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz versammelt. "Wir haben weiter eine angespannte Lage. Die Kollegen arbeiten aber sehr konzentriert und werden von Polizisten aus anderen Bundesländern, von der Bundespolizei und Bereitschaftspolizei unterstützt", sagte Innenminister Roland Wöller (CDU) am Rande eines Bürgerdialogs mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) in Chemnitz.
Kretschmer spricht mit Bürgern
"Es kommt nun darauf an, mit Ruhe und Besonnenheit Recht und Ordnung konsequent durchzusetzen. Wir werden nicht dulden, dass Chaoten und gewaltbereite und rechte Gewalttäter die Straßen erobern", erklärte der Minister weiter.
Rund eine Stunde vor dem geplanten Start eines Bürgergesprächs mit Sachsens Ministerpräsident
Polizei trennt Veranstaltungen
Bein Zugang zum Bürgerdialog mussten sich alle Besucher einer Taschenkontrolle unterziehen. Zu dem Bürgergespräch, das in den Räumlichkeiten des Stadions des Fußball-Regionalligisten stattfindet, war neben dem Ministerpräsidenten der Großteil seines Kabinetts angereist. Die Polizei achtete bei Kontrollen vor dem Veranstaltungsort darauf, dass sich die Besucher des Bürgerdialogs nicht mit der parallel stattfindenden Demonstration von Pro Chemnitz vermischten.
Tödlicher Messerangriff
Am Sonntag war in Chemnitz ein 35-jähriger Deutscher durch Messerstiche getötet worden. Zwei 33- und 38-Jährige wurden zum Teil schwer verletzt. Mittlerweile wurde einer der Männer aus dem Krankenhaus entlassen. Der dritte Geschädigte befinde sich noch in stationärer Behandlung, schwebe aber nicht in Lebensgefahr, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Ein 22 Jahre alter Iraker und ein Syrer (23) sitzen als Tatverdächtige in Untersuchungshaft
Rechtsradikale Parolen in Chemnitz
Nach der Tat zogen überwiegend rechte Demonstranten durch die Stadt und hetzten gegen Ausländer, einige wurden sogar angegriffen.
Die rechtsextremen und ausländerfeindlichen Übergriffe stießen bundesweit und international auf Ablehnung. Die sächsische Polizei geriet in die Kritik, weil sie das Ausmaß des Protestes unterschätzt und zu wenig Personal zu Demonstrationen geschickt hatte.
Plädoyer für Zivilcourage
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, rief zu Zivilcourage auf und kritisierte die AfD. Chemnitz mit seiner auch von internationalen Studenten besuchten Universität sei eine weltoffene Stadt. Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, kommentierte, Auschwitz-Überlebende in aller Welt empfänden "die rechtsextremen Entwicklungen in Chemnitz als dramatisch". Mit wachsender Sorge beobachteten die Überlebenden des Holocausts den Versuch rechtsextremer Gruppierungen, die Macht der Straße an sich zu reißen und den Hass in die Städte zu tragen.
Nächste Demo am Samstag erwartet
Am Freitag wollte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) Chemnitz besuchen. Tags zuvor rief sie bei einem Besuch im südthüringischen Themar zum Kampf gegen den Rechtsextremismus auf. Die konsequente Verfolgung von Straftaten sei ebenso notwendig wie präventive Arbeit mit Jugendlichen. Vor allem Regionen im Osten dürften nicht den Eindruck haben, abgehängt zu sein. "Es muss so sein, dass die Bundespolitik gerade an diesen Orten präsent ist."
Für diesen Samstag hat die AfD gemeinsam mit der ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung in Chemnitz zu einer weiteren Kundgebung aufgerufen. (mc/dpa)
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