Lange hat die Bundesregierung gerungen, am Ende ging es ganz schnell: Ärzte dürfen künftig darüber informieren, dass sie Abtreibungen anbieten. Doch glücklich ist mit dem Kompromiss niemand.
Schwangere können künftig einfacher als bisher Ärzte für eine Abtreibung finden. Der Bundestag hat am Donnerstag dazu die umstrittene Reform von Paragraf 219a des Strafgesetzbuches beschlossen. Demnach dürfen Ärzte künftig - etwa im Internet - angeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Für weitere Informationen müssen sie allerdings auch künftig auf offizielle Stellen verweisen. Sie dürfen auch nicht selbst veröffentlichen, mit welcher Methode sie abtreiben. Das kritisieren Ärzte, Betroffene und Teile der Opposition scharf.
Die Bundesregierung spreche Ärzten damit ihr Misstrauen aus und stigmatisiere Frauen in Notsituationen, empörte sich die FDP-Abgeordnete Nicole Bauer. "Schon jetzt finden Frauen in Not kaum einen Arzt, der Schwangerschaftsabbrüche vornimmt", sagte sie. Die Versorgungslücke bleibe auch mit dem Gesetzentwurf bestehen. Die Grünen-Abgeordnete Katja Keul warf Union und SPD "unnötige Diskriminierung von Ärzten" vor. Sie würden eingeschüchtert und davon abgehalten, Abbrüche vorzunehmen.
Ärztliche Informationen blieben weiterhin limitiert, kritisierte die Linke-Abgeordnete Cornelia Möhring. 219a bleibe damit ein Paragraf, der medizinische Fachinformationen mit Gefängnis bestrafe. "Im Kern geht es um die Kontrolle über Frauen", betonte Möhring. AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch kritisierte den Entwurf aus einem anderen Grund: Er normalisiere Abtreibungen, das ungeborene Leben müsse besser geschützt werden.
Kompromiss nach langwierigem Streit
Union und SPD verteidigten den mühsam erstrittenen Kompromiss. Eine komplette Abschaffung des Paragrafen 219a wäre zwar besser gewesen, die Reform aber bringe auch schon einen riesigen Fortschritt für die Frauen, sagte die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Die Union wollte den Paragrafen ursprünglich überhaupt nicht antasten. Ärzte verlangten aber zurecht Rechtssicherheit, sagte Unionsfraktionsvize Nadine Schön. Dass sie nun keine weiterführenden Informationen geben dürften, sei sachgerecht - denn Schwangerschaftsabbruch sei keine gewöhnliche Arztleistung. "Mit Blick auf unsere christlichen Werte müssen wir hier sehr sensibel sein", betonte Schön.
Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland rechtswidrig, werden aber unter bestimmten Bedingungen nicht bestraft: Die Schwangere muss sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Stelle beraten lassen. Außerdem dürfen seit der Befruchtung nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sein. Laut Statistischem Bundesamt gab es von Januar bis September 2018 bundesweit 76 365 Eingriffe, etwa genauso viele wie im Vorjahreszeitraum. Meist waren die Frauen zwischen 25 und 30 Jahre alt.
Eingeführt wird mit der Reform auch eine zentrale, monatlich aktualisierte Liste mit Ärzten, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen, die Abbrüche vornehmen. Sie soll von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Internet veröffentlicht werden und auch auflisten, welche Methoden die jeweiligen Ärzte zur Abtreibung nutzen. Außerdem bekommen junge Frauen die Verhütungspille künftig bis zum 22. Geburtstag und damit länger als bisher von der Krankenkasse bezahlt. © dpa
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