Ihr Privatleben hat die frühere Kanzlerin Angela Merkel immer privat gelassen. In ihren Memoiren gibt sie einige Einblicke, die bislang kaum bekannt sind. Unter anderem spricht sie darin über ihre Zitteranfälle.
Wer durch die rund 740 Seiten der Memoiren von Ex-Kanzlerin
Ein paar private Dinge aus dem Leben von Angela Merkel:
Vergangenheit als Bardame
Merkel bezeichnet sich zwar selbst so. Aber nein, eine anrüchige Vergangenheit hat sie bislang nicht verborgen. Sie erzählt vielmehr, wie ihre Seminargruppe beim Physikstudium in Leipzig begann, ein- bis zweimal in der Woche in den Fluren der Hochschule eine Disco zu organisieren. "Für den Verkauf der Getränke war ich zuständig, ich arbeitete also in gewisser Weise als Bardame. Das machte mir viel Freude und brachte auch noch etwas zusätzliches Geld ein."
Vergangenheit als Hausbesetzerin
Eigentlich war es nur eine leere Wohnung, aber die besetzte Merkel tatsächlich. Und das kam so: Im Frühjahr 1981 trennte sie sich von ihrem ersten Ehemann Ulrich Merkel und zog zunächst bei einer Kollegin ein. Eines Tages habe ihr ein Bekannter den Tipp gegeben, dass in der Templiner Straße in Berlin eine Wohnung unbewohnt sei. "Freunde redeten mir zu, diese Wohnung zu besetzen. Das fiel mir alles andere als leicht, aber ich hatte keine Wahl; ich konnte nicht unendlich lange bei meiner Kollegin wohnen und musste etwas tun." Luxuriös hatte es die spätere Kanzlerin nicht. "Meine Möbel holte ich mir im Wesentlichen vom Sperrmüll und strich sie ein wenig an. Ich schlief auf Holzpaletten, auf die ich eine Matratze legte. Das Wohnniveau war überaus bescheiden, trotzdem fühlte ich mich wohl."
Merkel erkundigte sich bei Nachbarn, wie viel diese an Miete zahlten. Genau diesen Betrag überwies sie dann der Kommunalen Wohnungsverwaltung. "Niemand verweigerte die Annahme des Geldes." Schnell versuchte sie, ihr illegales Mietverhältnis zu legalisieren - was sich als nicht ganz einfach herausstellte, aber schließlich auf Umwegen gelang.
Joachim Sauer
Über ihren zweiten Ehemann schreibt Merkel: "Wir liebten und lieben beide die Natur und das Reisen. Über ihn lernte ich die Musik von Richard Wagner erst richtig kennen und verstehen." Der Zeitpunkt ihrer Hochzeit hatte dabei auch einen politischen Aspekt, wie im Buch deutlich wird: "In konservativen Kreisen meiner Partei hatte es seit 1990 immer wieder Kritik daran gegeben, dass ich als geschiedene Frau in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft lebte. Da ich jeden Eindruck vermeiden wollte, dass ich aus Karrieregründen heiratete, hatten Joachim und ich mit diesem Schritt gewartet, bis die CDU in der Opposition war." Nach der Bundestagswahl 1998 sei es so weit gewesen. "Am 30. Dezember 1998 heirateten wir."
Aus Haaren eine Frisur machen
Wie wichtig ihr öffentliches Aussehen für Merkel war und ist, wird deutlich, wenn sie über ihre Visagistin schreibt. "In unzähligen Stunden stand sie mir zur Seite - bis heute. Sie schaffte es, aus meinen Haaren eine Frisur zu machen", berichtet sie über Petra Keller, die zuvor Erfahrungen beim Fernsehen gesammelt hatte.
Das Geheimnis der farbenfrohen Blazer
Manche Erfahrung aus ihren Jahren in der DDR wirkt bei Merkel bis in die heutige Zeit nach. Der Osten habe streng nach Scheuermitteln, Bohnerwachs und Terpentin gerochen, schreibt sie. Diesen Geruch habe sie bis heute in der Nase. "Überhaupt war die offizielle DDR für mich die Inkarnation der Geschmacklosigkeit. Nur Imitate statt richtiger natürlicher Materialien, nie freudvolle Farben." Und das hatte Folgen: "Vielleicht ist meine heutige Vorliebe für farbenfrohe Blazer auch auf die Urerfahrung zurückzuführen, dass ich im DDR-Alltag kräftige Farben oft vermisste."
Zittern bei der Hymne
Offen berichtet Merkel über ein Phänomen, das gegen Ende ihrer 16 Jahre als Kanzlerin für Schlagzeilen und Spekulationen sorgte. Kurz vor Ende der militärischen Ehren während des Antrittsbesuchs des neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Berlin am 18. Juni 2019 hätten ihre Oberschenkel leicht zu zittern begonnen. Während der Nationalhymnen habe sich das Zittern über den ganzen Körper ausgebreitet. Nach ein paar Tagen habe sich "der Vorgang" wiederholt. Später hörte sie bei ähnlichen Gelegenheiten die Nationalhymnen nur noch auf einem Stuhl sitzend an.
Neurologisch und internistisch habe es keine Befunde gegeben, berichtet die Physikerin nüchtern. "Die Reaktion meines vegetativen Nervensystems war offensichtlich anders zu verstehen." Eine Osteopathin habe ihr erklärt, "dass mein Körper dabei war, Spannungen abzubauen, die er über lange Zeit aufgebaut hatte, nicht nur nach dem Tod meiner Mutter im Frühjahr, nach dem ich kaum Zeit zum Trauern gefunden hatte, sondern auch im Prozess des Loslassens von meinen Ämtern." Den Absatz schließt Merkel mit einem für sie typischen Satz: "Eigentlich also eine gute Nachricht - wenn mein Körper sich nur nicht dazu entschlossen hätte, diesen Prozess vor den Augen der Öffentlichkeit ablaufen zu lassen."
Politiker-Sprech
Im Nachwort teilt Merkel eine Erkenntnis, über die sie nach ihren Worten beim Schreiben nachgedacht hat. Heute falle es ihr schwer, manchen Politikern zuzuhören, "weil sie viel sprechen, aber wenig sagen". Sie habe das früher oft nicht anders gemacht. Doch gerade junge Politikerinnen und Politiker wolle sie "ermutigen, weniger Angst zu haben, auf konkrete Fragen konkret zu antworten". Dies sei umso wichtiger in Zeiten, "in denen durch die digitalen Möglichkeiten sowie die sogenannten sozialen Medien in bisher nicht gekanntem Maße Wahrheiten Lügen und Lügen Wahrheiten genannt werden können und das auch in Demokratien von Menschen in führenden Positionen ausgenutzt wird". (dpa/bearbeitet von mbo)
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