Der Tarifstreit im Öffentlichen Dienst geht in die nächste Runde, ein Schlichtungsverfahren muss her. Ein neuer Gesetzentwurf könnte das in Zukunft erleichtern – zumindest aus Sicht des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall.

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Gerechnet haben die Initiatoren nicht damit, dass die Vorstellung ihres Vorstoßes für ein neues Gesetz zu Schlichtungen von Tarifstreitigkeiten so perfekt zur aktuellen politischen Gemengelage passen würde. In Berlin, wo die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie an diesem Mittwoch ihren Gesetzentwurf vorstellen, stehen die Bahnen und Busse der Berliner Verkehrsbetriebe still. Es ist Streiktag. Mal wieder.

Aktuell streiten die Dienstleistergesellschaft Verdi und der dbb Beamtenbund für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. Die Arbeitgeberseite hält von den Forderungen wenig, in drei Verhandlungsrunden einschließlich Nachtschichten ist es bislang nicht gelungen, Einkommen und Arbeitszeiten neu zu regeln. Und jetzt? Wird gestreikt, und das immer wieder.

Ein neuer Gesetzentwurf soll die Schlichtung von Tarifkonflikten künftig erleichtern und vereinheitlichen. Zumindest ist das die Idee des Arbeitsgeberverbandes Gesamtmetall. Um was geht es dabei überhaupt? Und wie ist das Streik- und Arbeitskampfrecht in Deutschland geregelt?

Was steht in dem Entwurf?

Bislang sei es so, dass eine Schlichtung erst dann angerufen werde, wenn eine Seite die Verhandlungen für gescheitert erklärt habe, sagt Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Gesetzentwurfes. Das muss sich aus Sicht der Initiatoren ändern – denn sie finden: Es wird zu oft gestreikt und das, obwohl es die Möglichkeit gebe, auf "friedlichem Wege" zu einem Tarifabschluss zu kommen, wie Clemens Höpfner, geschäftsführenden Direktor des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität Köln ausführt.

Gemeinsam mit dem Präsidenten des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, und dem geschäftsführenden Direktor des Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht der Universität München, Richard Giesen, haben Höpfner und Lesch diesen Entwurf erarbeitet.

Der Gesetzentwurf sieht vier Kerninhalte vor:

  • Jede Partei soll ein Schlichtungsverfahren eröffnen können, ohne dass sich die andere Partei darauf einlassen muss. Dann dürfe aber auch nicht gestreikt werden.
  • Während der Schlichtung soll eine "Friedenspflicht" bestehen. Warnstreiks sollen nur vor Beginn der Schlichtung erfolgen dürfen, dann für höchstens zwei Stunden. Diese könnten wöchentlich wiederholt werden.
  • Das Gesetz soll den Tarifparteien Verfahrensautonomie lassen. Das bedeutet: Wo es bereits Schlichtungsabkommen gibt, haben diese Vorrang.
  • Warnstreiks sollen vier Tage vorher angekündigt werden. Außerdem soll eine angemessene Grundsicherung gewährleistet werden.

Von einer Zwangsschlichtung wollen die Initiatoren nicht sprechen, vielmehr wäre der Schlichtungsspruch nur wirksam, wenn beide Seiten ihn annehmen.

Wie ist das Streikrecht in Deutschland geregelt?

Streikrecht ist in Deutschland ein sogenanntes Richterrecht. Das bedeutet, es gibt keinen gesetzlichen Rahmen für Arbeitskampfmaßnahmen, sondern ein Regelnetz, aufgestellt durch das Bundesarbeitsgericht (BAG). Das Bundesarbeitsgericht wurde dadurch zum Ersatzgesetzgeber und hat in den vergangenen Jahrzehnten mit unterschiedlichen Urteilen das Streikrecht geprägt.

1980 etwa hat das festgestellt, dass der Streik ein probates Mittel ist, um Druck auf die Arbeitgeberseite auszuüben. "Tarifautonomie ohne Streikrecht ist nichts anderes als 'kollektives Betteln'", hieß es in dem Urteil.

Was aus Sicht der Initiatoren des neuen Gesetzentwurfs problematisch ist: Auch das Schlichtungsverfahren ist gesetzlich nicht geregelt.

Wie funktioniert eine Schlichtung bisher?

Das ist von Branche zu Branche unterschiedlich. Ökonom Lesch vom IW berichtet von einer Erhebung, die er durchgeführt hat. Demnach gibt es Tarifbereiche ohne Schlichtungsabkommen, solche mit dauerhaften und andere mit fallweisen Schlichtungsabkommen.

Im Fall des aktuellen Arbeitskampfs von Verdi und dbb im Öffentlichen Dienst haben beide Seiten bereits 2011 feste Regeln und Fristen für ein solches Verfahren vereinbart.

Grob gesagt läuft es so: Binnen sechs Werktagen beginnt eine Schlichtungskommission ihre Arbeit – das ist am Montag geschehen, wie es aus Kreisen der Verhandlungspartner hieß. In der Kommission sitzen jeweils zwölf Fachleute beider Seiten sowie zwei "unparteiische" Vorsitzende – die eigentlichen Schlichter. Die Kommission tagt vertraulich an einem unbekannten Ort. Spätestens nach einer Woche soll sie eine Einigungsempfehlung vorlegen.

Damit müssen sich dann wieder die Tarifparteien befassen. Die nächste Runde ist für den 5. April angekündigt. Arbeitgeber und Gewerkschaften können nachverhandeln. Hält eine Seite den Kompromiss immer noch für unannehmbar, könnte die Gewerkschaftsseite eine Urabstimmung einleiten. Die Zeichen stünden auf Streik. In den allermeisten Fällen klappt das Schlichtungsverfahren. 1992 wurde ein Schlichterspruch nicht angenommen rund zehntägige flächendeckende Streiks folgten.

Ökonom Lesch kommt in seiner Analyse zu dem Schluss: In Tarifbereichen mit Schlichtungsabkommen gab es bis Mitte 2024 eine erfolgreiche Einigung in 70 Prozent der Verfahren. Und: "Je rechtzeitiger eine Schlichtung angerufen wird, desto eher kann sie Arbeitskämpfe vermeiden", sagt er bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs.

Wie geht es weiter?

Der Entwurf stammt von Vertretern der Arbeitgeberseite und Wirtschaftsforschern. Vertreter der Gewerkschaften wurden beim Entstehungsprozess nicht eingebunden. Trotzdem sind sich die Initiatoren sicher: Auch die Arbeitnehmerseite wird von einem solchen Gesetz profitieren. Das Streikrecht wolle man nicht beschneiden, vielmehr gehe es darum, schnell für Klarheit zu sorgen. Mit einem früheren Schlichtungsverfahren wüssten Arbeitnehmer schneller, was am Ende der Verhandlungen herauskommt.

Ein Gesetzentwurf, der nicht von der Regierung kommt, hat zunächst keinerlei Auswirkungen, denn die Initiatoren können ihn nicht in den Bundestag einbringen. Ändern wird sich durch diesen Vorstoß also zunächst nichts. Metall-Arbeitgeberpräsident Wolf macht allerdings deutlich: Sie wollen damit auch die künftige Regierung herantreten. Das Papier soll nicht in der Schublade verschwinden.

Vielleicht kann der Vorstoß also ein erster Schritt hin zu einem gesetzlich geregelten Streikrecht sein – ein Schritt, der allerdings kaum ohne Einbringung der gewerkschaftlichen Seite möglich ist. Gerade mit Blick auf die wohl künftige schwarz-rote Regierung, in der mit der SPD eine Partei sitzt, die besonders die Arbeitnehmer und Gewerkschaftsseite im Blick hat.

Verwendete Quellen

  • Besuch der Pressekonferenz zur Vorstellung des Entwurfs
  • Material der dpa